Politik

Wird Brüssel das Verbot konventioneller Motoren lockern und E-Auto-Quoten für Unternehmen einführen?

Die EU stellt die Weichen für die Zukunft der europäischen Autoindustrie. Brüssel erwägt eine Abschwächung des Verbots klassischer Motoren und gleichzeitig neue Quoten für Unternehmen. Das Paket birgt Sprengkraft für Hersteller, Verbraucher und Europas wirtschaftliche Stabilität.
Autor
avtor
10.12.2025 06:02
Lesezeit: 6 min
Wird Brüssel das Verbot konventioneller Motoren lockern und E-Auto-Quoten für Unternehmen einführen?
Brüssels Auto-Wende kann riskant sein. Ob es eine Rettung der EU-Autoindustrie wird, bleibt abzuwarten. (Foto: dpa) Foto: Sebastian Kahnert

Erwartungen an die neuen Maßnahmen der EU-Kommission

Die Europäische Kommission wird voraussichtlich ein Maßnahmenpaket zur Unterstützung der europäischen Automobilindustrie vorstellen. Es wird erwartet, dass sie den Forderungen nach einer Abschwächung des Verbots des Verkaufs neuer Autos mit Verbrennungsmotoren ab dem Jahr 2035 nachkommt. Gleichzeitig wird jedoch erwähnt, dass die Kommission im Gegenzug bis zum Jahr 2030 schrittweise Quoten für Elektrofahrzeuge in Unternehmen einführen könnte. Im Paket werden Punkte erwartet wie:

  • Vorschlag zur Abschwächung des Verbots des Verkaufs neuer Autos mit Verbrennungsmotoren ab 2035
  • Mögliche Quoten zur Dekarbonisierung der Unternehmensflotten
  • Fördermaßnahmen für die Batterieproduktion in der EU
  • Initiative für ein erschwingliches kleines Elektroauto

Wir haben geprüft, was derzeit gilt und was erwartet wird. Hier sind sieben Schwerpunkte.

Aktueller Rechtsstand und jüngste Änderungen

1. Wo wir derzeit stehen. Das Verbot neuer klassischer Autos ab dem Jahr 2035

Der wichtigste Punkt der im Jahr 2019 bestätigten Verordnung zur Reduzierung der CO2 Emissionen neuer Personenkraftwagen und neuer leichter Nutzfahrzeuge ist die Senkung der CO2-Emissionen nach einem festgelegten Zeitplan. Die Verordnung bestimmt, dass Hersteller die durchschnittlichen CO2-Emissionen aller neuen PKW und Kleintransporter im Vergleich zum Jahr 2021 senken müssen.

  • um 15 Prozent für den Zeitraum 2025 bis 2029
  • um 55 Prozent für neue PKW und 50 Prozent für neue Kleintransporter im Zeitraum 2030-2034
  • um 100 Prozent ab dem 1. Januar 2035

Das letzte Ziel bedeutet, dass ab dem Jahr 2035 der Verkauf neuer Autos und Kleintransporter mit Verbrennungsmotoren in der EU de facto verboten wäre, da diese keine null Emissionen aufweisen. Die Verordnung legte außerdem fest, dass Hersteller jährlich über die durchschnittlichen Emissionen neuer Fahrzeuge berichten müssen. Wenn sie die Ziele nicht erreichen, müssen sie eine Strafe zahlen. Diese richtet sich nach der Anzahl der neuen Fahrzeuge und den Überschreitungen ihrer CO2-Emissionen im Vergleich zum erlaubten Wert.

2. Eine Ausnahme erhielten Autohersteller im Mai

Nach der Verordnung müssten die Hersteller bereits in diesem Jahr für alle neuen Personenkraftwagen einen durchschnittlichen CO2-Wert von 93,6 Gramm pro Kilometer erreichen. Für Kleintransporter liegt der Grenzwert im ersten Zeitraum bei 153,9 Gramm CO2 pro Kilometer. Da der Absatz von Elektroautos gesunken ist, drohte mehreren Herstellern, das Ziel in diesem Jahr nicht zu erreichen und deshalb Strafzahlungen leisten zu müssen. Bei einer Strafe von 95 Euro für jedes Gramm Überschreitung pro verkauftem Neuwagen schätzte der europäische Verband der Automobilhersteller ACEA, dass die Unternehmen in diesem Jahr 15 Milliarden Euro an Strafen zahlen müssten.

Die Branche und die Politik forderten Brüssel zum Handeln auf. Im Mai dieses Jahres gewährte die EU der Automobilindustrie einen dreijährigen Aufschub für die Reduzierung der CO2-Emissionen. Es wurde entschieden, dass bei der Bewertung der Emissionsmenge nicht mehr der Jahresdurchschnitt zählt, sondern ein Durchschnitt der drei Jahre 2025, 2026 und 2027. Sollte ein Unternehmen das Ziel in diesem Jahr verfehlen, kann es dies in den Jahren 2026 und 2027 durch eine stärkere Emissionsreduzierung ausgleichen.

3. Berichterstattung wurde erleichtert, die Emissionsziele jedoch nicht

Der Beschluss vom Mai dieses Jahres brachte mehr Flexibilität nur in Bezug auf den zeitlichen Rahmen. Die Emissionszielwerte wurden jedoch nicht geändert. Das bedeutet, dass weiterhin der Plan gilt, dass ab dem Jahr 2035 in der EU keine neuen Fahrzeuge mit klassischen Motoren verkauft werden dürfen.

4. Neue Forderungen. Ausnahmen für Hybride und synthetische Kraftstoffe

Es gab viele Forderungen gegen das vollständige Verbot von Verbrennungsmotoren ab dem Jahr 2035. Im September verpflichtete sich die von Ursula von der Leyen geführte Europäische Kommission unter dem Druck der Autohersteller, die geplante Überprüfung der Verordnung zu beschleunigen. Kanzler Merz äußerte bereits im Oktober den Wunsch, dass die EU das Verbot aufgeben solle. Für eine offizielle Forderung musste er jedoch zunächst eine Zustimmung in der Koalition einholen. Diese erhielt er Ende November. Danach schrieb er an Ursula von der Leyen, die Kommission solle die Vorschriften zur Mobilität umfassend überarbeiten.

Am vergangenen Freitag forderten laut Reuters sechs weitere Länder die Kommission zur Abschwächung des Verbots auf. Bulgarien, Tschechien, Ungarn, Italien, Polen und die Slowakei. Sie verlangen, dass auch nach dem Jahr 2035 der Verkauf von Hybriden und anderen Technologien, die Emissionen reduzieren können, möglich bleibt. Außerdem sollen synthetische Kraftstoffe in die Pläne aufgenommen werden. Die sechs Länder betonen, dass die Klimaziele erreicht werden müssen, jedoch nicht auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie.

5. In der Diskussion: Quoten für E-Autos in Unternehmen

Die Idee einer Dekarbonisierung der Unternehmensflotten ist nicht neu. Von der Leyen erwähnte sie in einem Schreiben an den Kommissar für nachhaltigen Verkehr und Tourismus, Apostolos Cicikostas. Dort beauftragte sie ihn mit der Vorbereitung eines Vorschlags für saubere Unternehmensflotten. Die Diskussionen laufen und wie die Financial Times Ende November berichtete, seien einige Änderungen aufgrund der Forderungen nach der Rücknahme des Vorschlags nicht ausgeschlossen. Reuters schrieb in diesen Tagen, die Kommission könnte sogar die Veröffentlichung des Pakets verschieben. Da jedoch noch nichts sicher ist, betrachten wir die Optionen.

Laut Angaben aus Brüssel gibt es auf europäischen Straßen rund 290 Millionen Fahrzeuge. Davon haben etwa zwei Prozent oder sechs Millionen null Emissionen. Für 60 Prozent der Neuzulassungen sind juristische Personen verantwortlich. Daher hält Brüssel es für sinnvoll, die Dekarbonisierung dieses Segments zu fördern. Dazu gehören Unternehmen mit wenigen Dienstwagen sowie solche, deren Kerngeschäft auf Fahrzeugen basiert, etwa Mietwagenunternehmen, Lieferdienste, Taxiunternehmen und Autohändler.

Geplant ist, dass für Unternehmensflotten schrittweise bis zum Jahr 2030 Quoten für emissionsfreie Fahrzeuge eingeführt werden. Diese könnten freiwillig oder verpflichtend sein und auf EU-Ebene oder auf nationaler Ebene gelten. Die Quoten sollen bestimmen, welcher Anteil der neuen Fahrzeuge, die ein Unternehmen in seine Flotte aufnimmt, emissionsfrei sein muss. Nach Berichten aus dem Ausland wurde erwähnt, dass ab dem Jahr 2027 fünfzig Prozent der neuen Fahrzeuge elektrisch oder emissionsfrei sein müssten. Bis zum Jahr 2030 könnte der Anteil auf 90 oder sogar 100 Prozent steigen.

Bezüglich der Dekarbonisierung der Unternehmensflotten wurden mehrere Bedenken geäußert. Vor allem hinsichtlich der Frage, wie ein künstlich beschleunigter Anstieg des E Auto Anteils in Unternehmen die Kapazität der Stromnetze beeinflussen würde und welche Probleme durch eine unzureichende Ladeinfrastruktur entstehen könnten. Auch Zweifel an der Nachfrage der Endverbraucher wurden geäußert. Es besteht zudem die Sorge, dass in einer Situation, in der der Kauf neuer Fahrzeuge mit klassischen Motoren de facto verboten wäre und die Nachfrage nach E Autos gering bleibt, der Absatz der Autoindustrie sinken könnte. Dadurch könnte der bestehende Fahrzeugbestand noch stärker altern. Warnungen betreffen auch die Leasingbranche und den Markt für gebrauchte Elektrofahrzeuge. Die Auswirkungen auf Kosten, Investitionspläne, Abschreibungspolitik und Geschäftslogik der Unternehmen wurden ebenfalls angesprochen.

6. Im Paket auch Maßnahmen zur heimischen Batterieproduktion

Die erwähnten beiden Maßnahmen, die Abschwächung des Verbots und die Einführung von E-Auto-Quoten für Unternehmen, machen nur die Hälfte des erwarteten Pakets aus. Der dritte Bestandteil betrifft Fördermaßnahmen für Investitionen in die Batterieproduktion. Diese wurden im März dieses Jahres im Aktionsplan für den europäischen Automobilsektor angekündigt.

Das Ziel ist es, kurzfristig eine kostenseitige Wettbewerbsfähigkeit europäisch produzierter Batteriezellen und Komponenten zu erreichen. Mehrere finanzielle Maßnahmen sind vorgesehen. Im März wurde über drei Milliarden Euro zur Unterstützung der Batterieproduktion aus dem Innovationsfonds gesprochen.

7. Initiative für ein erschwingliches kleines Elektroauto

Die vierte erwartete Maßnahme betrifft das sogenannte Automobil Omnibuspaket. Dies bedeutet eine Vereinfachung der Regulierung für Autohersteller. Konkret wird eine Initiative für kleine, erschwingliche Elektroautos erwartet. Brüssel bereitet nämlich die Einführung einer neuen Kategorie kompakter und erschwinglicher E-Fahrzeuge vor. Die Logik dieser Maßnahme lautet: Der Markt für kleine Autos schrumpft in der EU. Hersteller geben an, dass die regulatorischen Kosten steigen und die Margen bei kleinen Autos geringer sind als bei Premium-Fahrzeugen. Bei niedrigeren Kosten könnten Hersteller leichter mit chinesischen Wettbewerbern konkurrieren. Für die neue Kategorie, die laut Berichten zwischen vierrädrigen Leichtfahrzeugen und herkömmlichen Autos liegen soll, würden mildere regulatorische Anforderungen gelten. Dies beträfe geringere Anforderungen etwa bei einigen fortgeschrittenen Sicherheitssystemen, was die Produktionskosten senken würde.

Anfang des letzten Monats berichtete Reuters, dass Renault sich dafür einsetzt, die Regulierung für die Autoindustrie in der EU für zehn bis fünfzehn Jahre einzufrieren. In der neuen Kategorie würden kleine E-Autos mit einer Länge von bis zu 4,2 Metern angeboten. Der Preisbereich würde zwischen 15.000 und 20.000 Euro liegen, wie die Kommission das Ziel der Hersteller zusammenfasste.

Verbot gelockert, Zwang kommt

Die Entwicklungen bestätigen einen tiefgreifenden Wandel in der EU-Autoindustrie. Deutschland ist davon besonders betroffen, da die deutsche Automobilwirtschaft das industrielle Rückgrat des Landes bildet. Jede Verschärfung oder Lockerung der EU-Regeln beeinflusst unmittelbar die Produktionsketten, die Innovationsstrategien und die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Hersteller. Die Einführung möglicher Quoten für Unternehmensflotten betrifft deutsche Großunternehmen ebenso wie mittelständische Betriebe. Zudem verschärft der globale Wettbewerb mit China und den USA den Druck, Batterien und Elektroautos kostengünstig in Europa zu produzieren. Deutschland steht damit vor der Herausforderung, einerseits den Strukturwandel zu bewältigen und andererseits die wirtschaftliche Basis seiner Schlüsselindustrie zu sichern.

Das erwartete Maßnahmenpaket der EU zeigt, wie komplex der Umbau der europäischen Mobilität ist. Die Abschwächung des Verbots klassischer Motoren, mögliche Quoten für Unternehmensflotten, Batterieförderprogramme und neue Fahrzeugkategorien markieren einen tiefen politischen Eingriff in die EU-Autoindustrie. Die kommenden Entscheidungen werden bestimmen, ob Europa seine Autoindustrie modernisiert oder ob es den Anschluss verliert.

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Albina Kenda

Zum Autor:

Albina Kenda ist eine erfahrene Journalistin, die sich auf die Berichterstattung über Geldpolitik und EU-Themen für die slowenische Wirtschaftszeitung Casnik Finance spezialisiert hat. Sie arbeitet sich regelmäßig durch endlose Stapel von Berichten, Vorschlägen, Reden und Diskussionen, um so klar wie möglich darzustellen, wie internationale und insbesondere europäische Themen uns alle betreffen, auch wenn wir uns nicht dafür interessieren.

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