Gasspeicherung in Deutschland: Gaspreise sinken wegen eines Überangebots auf dem Weltmarkt
Die Gasspeicherung in Deutschland gewährleistet die Versorgungssicherheit, birgt jedoch erhebliche wirtschaftliche Risiken, da sinkende Gaspreise und hohe Kosten zu Verlusten führen können. Trotz gesetzlicher Vorgaben und der Notwendigkeit zur Krisenvorsorge, führen die staatliche Einkaufspolitik und die umstrittene Gasspeicherumlage zu finanziellen Belastungen und Fragen der EU-Wettbewerbsverzerrung.
Für Gasverbraucher sind die Preise im Laufe des Jahres 2025 deutlich gesunken, laut dem Verivox-Gaspreisindex von rund 11,5 Cent pro Kilowattstunde zu Jahresbeginn auf unter 10 Cent. Verivox prognostiziert weitere Preissenkungen, viele Gasversorger haben bereits spürbare Preissenkungen für den Beginn des kommenden Jahres angekündigt. Der Verband der deutschen Speicherbetreiber warnt jedoch davor, dass die deutschen Gasspeicher bei einem sehr kalten Winter, wie beispielsweise 2010, „bereits Mitte Januar vollständig leer sein könnten”.
Die Warnung ist auf den derzeit niedrigen Füllstand der Gasspeicher zurückzuführen, der den niedrigsten Stand seit Jahren erreicht hat. Während die Speicher Anfang November noch zu 75 Prozent gefüllt waren, ist dieser Wert aufgrund der kalten Witterung auf unter 70 Prozent gesunken, verglichen mit einem Durchschnitt von fast 90 Prozent zu diesem Zeitpunkt in den Vorjahren. Tobias Federico, Chefanalyst bei Montel, erklärt, dass es vom Wetter abhängt, ob die Speicher in diesem Winter vollständig geleert werden. Dies sei zwar unwahrscheinlich, aber im Falle eines ungewöhnlich kalten Winters mit hohem Verbrauch möglich. Er betont jedoch, dass dies nicht bedeute, dass Deutschland kein Gas mehr zum Heizen haben werde.
Deutschlands Beschaffungsstrategien bei Gas haben sich grundlegend geändert
Infolge der Energiepreiskrise nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat sich die deutsche Gasversorgung fundamental verändert. Jahrzehntelang wurde Gas fast ausschließlich über Pipelines importiert, was eine relativ gleichmäßige Versorgung über das Jahr hinweg garantierte. Da der Gasverbrauch in der Heizsaison jedoch deutlich höher ist als im Sommer, dienten Gasspeicher über Jahre hinweg als notwendiger Puffer. Versorgungsunternehmen speicherten in den Sommermonaten günstiger eingekauftes Gas („Sommergas“) ein, um es in den kälteren Monaten bei höherem Bedarf als „Wintergas“ weiterzuverkaufen. Dieser saisonale Preisunterschied beim Pipelinegas machte die Gasspeicherung zu einem rentablen Geschäftsmodell.
Doch Deutschland importiert kein Pipelinegas mehr aus Russland, seinem ehemaligen Hauptlieferanten. Stattdessen stammt ein großer Teil des Erdgases aus Flüssigerdgaslieferungen (LNG) über benachbarte westeuropäische Länder oder neue LNG-Terminals an der deutschen Küste []. Dadurch können deutsche Lieferanten bei Bedarf Gas über LNG-Terminals beziehen. Laut Georg Zachmann, Energieexperte beim Thinktank Bruegel, „gibt es auf dem globalen LNG-Markt kaum noch Preisunterschiede zwischen Sommer- und Wintergas“. Folglich ist die groß angelegte Gasspeicherung derzeit zu einem verlustreichen Geschäft geworden.
Gas als fossiler Brennstoff könnte in Zukunft wieder attraktiver werden
Laut dem Energieexperten Georg Zachmann erreicht das derzeitige Überangebot an Erdgas nun die deutschen Verbraucher. Förderländer wie Katar und die USA haben erheblich in den Ausbau ihrer Kapazitäten investiert, was darauf hindeutet, dass das weltweite Angebot und die Preise weiter sinken werden. Die deutschen Gasversorger geben diese Entwicklungen mit einer zeitlichen Verzögerung an ihre Kunden weiter.
Langfristig könnte ein so stark sinkender Gaspreis die europäische Energiepolitik und die Energiewende behindern. Sowohl für die Industrie als auch für private Verbraucher könnte Gas wieder attraktiver werden als elektrische Alternativen, wie beispielsweise die Gasheizung im Vergleich zur Wärmepumpe.
Laut Energieexperte Zachmann kommt die im Ministerrat beschlossene Verschiebung des Emissionshandels zur Unzeit. Aufgrund der sinkenden Weltmarktpreise hätten Gasverbraucher die Einführung des Emissionshandels im Jahr 2027 kaum gespürt. Der Verkauf von Emissionsrechten hätte jedoch zu hohen zusätzlichen Staatseinnahmen geführt. Mit diesen Einnahmen hätte der Staat beispielsweise den Ausbau der Stromnetze fördern und somit die Stromtarife für alle senken können.
Wird die Gasspeicherung in Deutschland irrelevant?
Laut Tobias Federico, dem Geschäftsführer des Energieanalyseunternehmens Montel, besteht zwar keine Gefahr, dass Deutschland im Winter das Gas ausgeht. Falls es jedoch zu einer Kältewelle kommt, die nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa und eventuell auch andere Teile der Welt betrifft, könnte die erhöhte Nachfrage die Preise auf dem globalen LNG-Markt kurzfristig in die Höhe treiben. "Wir haben kein Mengen-Risiko beim Gas", erklärt Federico, "aber ein kurzfristiges Preisrisiko – für den Fall eines wirklich extremen Winters."
Zachmann sieht auch noch ein weiteres Risiko: Ein Mangel an gespeichertem Gas als Versorgungspuffer schwächt Deutschlands Verhandlungsposition gegenüber Lieferanten. Dies betrifft nicht nur den Preis. Die Bundesregierung streitet derzeit mit den USA und Katar über die Anwendbarkeit der europäischen Lieferkettenverordnung auf Erdgaslieferanten, wobei sogar ein Lieferstopp im Raum steht. Obwohl die Marktmacht einzelner LNG-Anbieter nicht mit der früheren Dominanz Russlands vergleichbar ist, betont Zachmann: „Auch auf dem LNG-Markt gibt es Abhängigkeiten“. In Verhandlungen mit Lieferanten sei es entscheidend, ob Deutschland Gasvorräte für wenige Tage oder für viele Monate habe.
Zwischen Versorgungssicherheit und Verlusten: Wohin steuert die Gasspeicherung in Deutschland?
Zusammenfassend lässt sich also sagen: Die Gasspeicherung in Deutschland lohnt sich unter den aktuellen Marktbedingungen wirtschaftlich betrachtet kaum noch. Das traditionelle Geschäftsmodell, Gas im Sommer günstig einzukaufen und im Winter teurer zu verkaufen, funktioniert nicht mehr, hauptsächlich aufgrund der Umstellung von Pipelinegas auf den globalen LNG-Markt. Auf dem globalen LNG-Markt gibt es kaum noch die saisonalen Preisunterschiede, die das Speichern früher lohnend machten. Die Versorger können Gas über die neuen LNG-Terminals flexibler dann einkaufen, wenn sie es tatsächlich benötigen. Die Bevorratung ist also derzeit ein Minusgeschäft, da das Angebot auf dem Weltmarkt durch massive Investitionen von Förderländern steigt und die Preise tendenziell sinken.
In Deutschland gibt es außerdem gesetzliche Vorgaben zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit, die die Speicherbetreiber zu bestimmten Füllständen zwingen. Die Kosten, die den Speicherbetreibern dadurch entstehen (unter anderem durch die Gasspeicherumlage), belasten das Geschäft zusätzlich. Allerdings ist die aktuell günstige Weltmarktlage zur Gasbeschaffung auch nur eine Momentaufnahme und die Beschaffungssituation kann sich auch wieder ändern. Deutschland wird einen guten Mittelweg suchen müssen zwischen wirtschaftlicher Effizienz und Unabhängigkeit bei der Gasversorgung.



