Der Bund der Steuerzahler hat in seinem Schwarzbuch 2013 auch zahlreiche Fälle von Steuerverschwendung beim Straßenbau aufgelistet. Die Fälle zeigen: Statt der Forderung nach neuen Steuern wäre es angebracht, wenn die zuständigen Behörden bei der Verwendung der Steuermittel mehr Professionalität und Kosten-Disziplin walten ließen. Es bemerkenswert, wofür die öffentliche Hand die Steuergelder verwendet.
Die Schwarze Liste des Bunds der Steuerzahler
Schonstett, Landkreis Rosenheim:
Handelte man in der Gemeinde Schonstett im Landkreis Rosenheim bei der Errichtung einer Stützmauer zur Absicherung eines neuen Radwegs an einem Teilstück der Kreisstraße RO 35 nahe der Gemeinde Schonstett etwa zu voreilig? Die besagte Stützmauer wurde 2011 für rund 20.000 Euro errichtet und im Jahr 2012 wieder abgerissen, um sie etwas versetzt auf öffentlichem Grund wieder neu zu errichten. Der Abriss der Stützmauer erfolgte, weil sie ca. 40 cm zu tief auf Privatgrund errichtet worden war. Zwar hatte sich der betreffende Grundstückseigentümer bereits im Jahr 2002 notariell verpflichtet, ca. 58 Quadratmeter im Bereich seines Hofumgriffs auf einer Länge von ca. 48 Metern zu veräußern. Wegen der zu weit in Privatgrund hinein errichteten Stützmauer wären jetzt aber 82 Quadratmeter – statt der ursprünglich vereinbarten 58 Quadratmeter–Grunderwerb erforderlich gewesen. Von dieser zusätzlichen Grundveräußerung wollte der Anlieger – trotz anfangs signalisiertem Einverständnis und einer ihm angebotenen großzügigen Entschädigung – dann aber nichts mehr wissen. Schließlich einigte man sich Anfang 2012 außergerichtlich dahingehend, dass die Mauer zurückgebaut und an der laut Notarvertrag von 2002 vereinbarten Grundstücksgrenze wieder neu errichtet wird. So ist es auch geschehen. Die neue 50 Meter lange, 30 cm breite und 1,07 Meter hohe Mauer wurde schließlich vollends auf öffentlichem Grund entsprechend den Vorgaben des Notarvertrags aus dem Jahr 2002 mit exakt 58 Quadratmetern anfallendem Grunderwerb errichtet. Die Kosten für Rückbau und Wiedererrichtung der Stützmauer betrugen 38.891,40 Euro, die letztlich die Steuerzahler zu berappen haben. Wenn auch der Landrat des Landkreises Rosenheim der Auffassung ist, dass die Stützmauer „wohl oder übel rückgebaut werden musste, da mit dem Anlieger keine Einigung über einen weiteren Grunderwerb erzielt werden konnte“, hätte man sich bei rechtzeitiger Schaffung klarer Vertragsverhältnisse über den erforderlichen Grunderwerb Mehrausgaben für die Mauerversetzung sparen können.
Pößneck:
Der Marktplatz einschließlich der angrenzenden Straßen, Gehwege und Stufenanlagen in Pößneck wurde 1999 für 708.292 Euro grundhaft ausgebaut. Dazu flossen Fördermittel in Höhe von 686.307 Euro. Schon bei der Abnahme der Baumaßnahme wurde das Pflaster bemängelt. Dieser Mangel wurde bis zum Jahresende 1999 beseitigt. Eine Vielzahl der Pflastersteine spaltete sich später horizontal und vertikal. Die Ursache für die Spaltungen konnte auch nach einer Begutachtung im Jahr 2004 nicht ermittelt werden. Ein Gutachter empfahl als Mängelbeseitigung den Austausch der geschädigten Steine sowie zur Herstellung einer dauerhaft haltbaren Pflasterung eine Um- bzw. Neupflasterung. Der damalige Bauamtsleiter der Stadt Pößneck vereinbarte mit der beauftragten Baufirma, dass diese zur Abgeltung aller Ansprüche der Stadt Pößneck aus der Lieferung und Verlegung der Pflastersteine für das Bauvorhaben „Marktplatz“ eine Summe von 10.000 Euro zahlt, so das Innenministerium auf eine Anfrage im Landtag. Die erforderliche Neupflasterung in den Jahren 2009 und 2010 kostete die Stadt schließlich 282.007 Euro. Die Klage der Stadt gegen das baubetreuende Ingenieurbüro wurde wegen der Vereinbarung und der Abgeltungszahlung vor Gericht abgewiesen. Der Bauamtsleiter wurde von seiner Funktion entbunden und erhielt eine Abmahnung. Die Eigenschadenversicherung leistete 76.693 Euro entsprechend der vertraglich vereinbarten Versicherungssumme an die Stadt. Mit den Kosten der Neupflasterung abzüglich der Zahlungen der Baufirma sowie der Versicherungssumme ist somit von einem Schaden in Höhe von 195.314 Euro auszugehen.
Seelze:
Wenn sich unterschiedliche Straßenbaulastträger nicht abstimmen, kann es für Verkehrsteilnehmer auch schnell mal unkomfortabel werden – Fahrradfahrer aus dem Seelzer Orts- teil Harenberg können ein Lied davon singen. Eigentlich meinte es die Region Hannover besonders gut mit ihnen und legte im Jahr 2010 einen hochwertigen Radweg entlang der Kreisstraße 230 an. Leider kann die 150.000 Euro teure Investition ihr Potenzial nicht entfalten, weil den Benutzern schlichtweg der Anschluss im Einmündungsbereich in die Bundesstraße 441 fehlt. Die hierfür zuständige Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) denkt nicht im Traum daran, den Radweg an der Bundesstraße fort- zuführen. Also müssen die Drahtesel auf die Fahrbahn ausweichen und bremsen damit den Straßenverkehr aus. Nach 50 Metern befindet sich in einer Fahrtrichtung immerhin eine Zufahrtsmöglichkeit zu einem parallel verlaufenden Betriebsweg des Stichkanals Hannover- Linden, der jedoch mit einem ausgebauten Radweg nicht vergleichbar ist und nur auf eigene Gefahr genutzt wer- den kann. Viele Bürger trauen sich aber erst gar nicht auf die vielbefahrene Bundesstraße und verzichten deshalb auf die Nutzung der neuen Strecke. Merke: Eine Stange Geld für einen Radweg in die Hand zu nehmen ist sinnlos, wenn er überhaupt nicht in das vorhandene Streckennetz eingebunden ist.
Mainz:
Was lange währt, wird endlich gut – das muss sich die Mainzer Stadtverwaltung gedacht haben, als sie die Fußgängerbrücke an der kleinen Bahnhaltestelle „Waggonfabrik“ (Ortsbezirk Mombach) saniert hat. Denn fast ein Jahrzehnt lang hatte der Mombacher Ortsbeirat eben jenes von der Landeshauptstadt gefordert. Im Jahr 2013 wurde der Wunsch der Lokalpolitiker schließlich erfüllt. Insgesamt hat die Sanierung etwa 340.000 Euro gekostet, davon hat Mainz 240.000 Euro und ein privates Unternehmen 100.000 Euro gestemmt. Allerdings hätte die ohnehin nicht barrierefreie Brücke auch für rund 140.000 Euro ersatzlos abgerissen werden können. So schafft die Fußgängerbrücke zwar eine Verbindung vom Bahnsteig zur parallel dem Gleis verlaufenden Straße „Am Schützenweg“, aber wer nur drei bis vier Gehminuten investiert, kann diese Straße auch über einen Fußgängertunnel erreichen. Aus Sicht der Stadt Mainz ist das jedoch nicht zumutbar. Gerade für die mit dem Zug anreisenden Auswärtigen, die an den Veranstaltungen der nahe gelegenen Phönix-Halle teilnehmen wollen, sei die Brücke wichtig. Eine BdSt-Nachfrage bei der Phönix-Halle brachte dagegen Anderes zutage. Die Fußgängerbrücke werde nicht benötigt, da die Masse der Besucher die Haltestelle „Waggonfabrik“ gar nicht nutze. Deswegen werde diese Anreisemöglichkeit nicht einmal auf der Homepage der Phönix-Halle er wähnt. Wer also auch immer diese Brücke nutzen mag, weiß es hoffentlich zu schätzen, dass die Stadt Mainz so viel gutes Steuergeld zur Vermeidung eines kleinen Umwegs ausgegeben hat.
Darmstadt:
Das erst im Sommer 2009 verlegte Natursteinpflaster auf der Verkehrsfläche für Busse und Bahnen vor dem Darmstädter Hauptbahnhof ist den Belastungen nicht gewachsen und weist bereits erhebliche Schäden auf. Insbesondere die Brems- und Anfahrvorgänge der schweren Busse haben das Natursteinpflaster binnen kurzer Zeit zermürbt. Jetzt soll das erst vier Jahre alte Pflaster für 300.000 Euro ausgetauscht werden. Doch schon bei der Verlegung war in Darmstadt eigentlich bekannt, dass Natursteinpflaster bei stark beanspruchten Verkehrsflächen problematisch ist. Im Jahr 2007 mussten am Marktplatz und am Luisenplatz Natursteinpflaster an Haltestellen ausgetauscht werden, weil sie sich als ungeeignet erwiesen hatten. Zuvor hatte die Stadt ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die Tauglichkeit der Pflasterbauweise untersuchte. Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass nach dem technischen Regelwerk Pflasterbauweisen für die vorliegenden Belastungen nicht vorgesehen sind und dass mit einer geringeren Haltbarkeit der Befestigung im Vergleich zur Betonbauweise gerechnet werden muss. Unsere Nachfrage, welche Konsequenzen aus den Erfahrungen gezogen wurden und was mit dem Gutachten erfolgte, beantwortete die Stadt wie folgt: „Die Erfahrungen aus den Baumaßnahmen am Marktplatz und am Luisenplatz wurden durch die Auswahl spezieller Steine in den Bushaltestellen berücksichtigt. ... Das Gut- achten befindet sich, wie alle anderen Unterlagen zu bereits abgeschlossenen Maßnahmen, im Archiv des Straßenverkehrs- und Tiefbauamtes.“ Wann mit den neuerlichen Bauarbeiten begonnen wird, konnte die Stadt nicht genau mitteilen, denn zuvor müssen noch Umbauarbeiten in der angrenzenden Bismarckstraße durchgeführt werden. Dadurch sind weitere provisorische Maßnahmen notwendig, die mit 50.000 Euro veranschlagt sind.
Bund/NRW:
Sie steht auf dem Autobahnrastplatz Vellern Süd an der A2 – die Platte einer Spannbetonbrücke, die früher über die Autobahn führte, jetzt aber aus Gründen der Verkehrssicherheit durch einen Neubau ersetzt und aus Gründen des Denkmalschutzes erhalten werden musste. Denn die Brücke stammt aus der „Frühzeit des deutschen Autobahnbaus“ und steht seit 1991 unter Denkmalschutz, wie Straßen. NRW dem BdSt mitteilte. Dabei hätte man den Denkmalschutz für die Brücke, die ohnehin nicht an ihrem angestammten Platz bleiben konnte, auch aufheben können. Doch mit dem Torso, der als „Soda-Brücke“ nun einfach so da auf dem Parkplatz steht, weil es keine „alternativen standortnäheren Flächen“ gibt, wurden insgesamt rund 310.000 Euro auf dem Rastplatz abgestellt. Ein Abriss hätte etwa 108.000 Euro gekostet. Die Kosten, die auch Treppen rechts und links der Brücke beinhalten, damit rastende Reisende über den Torso laufen können, trägt der Bund. Bei allem Verständnis für Denkmalschutz: Sparen bedeutet, Prioritäten zu setzen und fängt im Kleinen an. Das gilt auch für einen milliardenschweren Bundeshaushalt, den die Berliner Abgeordneten ja bekanntlich nur zu gern auf Kosten der Länder und Kommunen entlasten, siehe Sozialkosten. Doch wer Steuern zahlt, will Sparsamkeit. Auch beim Bund.
Hannover:
Im öffentlichen Personennahverkehr hat die Landeshauptstadt Hannover über die Jahre einen hohen Standard erreicht. Natürlich kann dieser weiter verbessert werden. Doch die Kosten, die zu einem hohen Teil aus Steuergeldern finanziert werden, müssen in Schach gehalten werden. An der Stadtbahn-Station Kröpcke im Herzen der Innenstadt werden öffentliche Verkehrsmanager diesem Anspruch nicht gerecht. So verbaut die zuständige Region Hannover rund 660.000 Euro für ein fragliches Mehr bei der Barrierefreiheit. Es wird ein Fahrstuhl, der ein unterirdisches Stadtbahngleis der Linien 3, 7 und 9 mit der darüber liegenden Passerellenebene verbindet, nachträglich auf die Straßenebene des Kröpcke verlängert. Dabei war die Barrierefreiheit bereits gegeben, allerdings auf Kosten eines rund 80 Meter langen Umwegs durch die Passerellenebene. Dort gelangte man mit einem weiteren Aufzug ans Tageslicht.
Tübingen:
Nicht alles, was technisch machbar und möglich ist, ist auch von Nutzen für die Steuerzahler. Diese Erfahrung musste die Stadt Tübingen machen. Denn hier realisierte man in den Jahren 2002 bis 2003, noch unter der Amtsvorgängerin des heutigen OB Palmer, ein gewagtes Projekt: Die Parkhäuser Lorettoplatz und Französisches Viertel. Das Besondere daran ist, dass sie neben 85 konventionellen Parkplätzen zusätzlich 472 vollautomatische Stellplätze bieten. Gewagt war das Projekt deshalb, weil die Technik nicht ohne Tücken ist. Diese bittere Erfahrung musste das erste vollautomatische Parkhaus der Schweiz im Jahr 2001 machen, das bereits sechs Wochen nach seiner Eröffnung wieder schließen musste, weil die Wartezeit auf die Autos doppelt so lange dauerte wie vorgesehen oder Autos gleich gar nicht freigegeben wurden. Doch Tübingen hielt das nicht ab. Die Stadt investierte bis heute einschließlich nötig werdender Optimierungsmaßnahmen rund 10,4 Mio. Euro in die beiden Bauwerke inklusive der Grundstücksflächen. Die Erwartungen waren anfangs groß, da automatisierte Parkhäuser konstruktionsbedingt erheblich weniger Platz benötigen als konventionelle Parkhäuser mit ihren langen Fahrwegen. Zudem bieten sie – eigentlich – eine höhere Benutzerfreundlichkeit, da lange Wege durch dunkle Bereiche entfallen und Ein- und Ausparken nah am öffentlichen Raum erfolgen. Außerdem sollte aus verkehrspolitischen Gründen die Parkierung überwiegend am Rand der Quartiere erstellt werden, Tiefgaragen unter Gebäuden waren daher nur im Ausnahmefall vorgesehen.
Doch die Schweizer Misere hielt auch in Tübingen Einzug. Und so erfüllten sich die Erwartungen der Stadt nicht vollumfänglich. Die anspruchsvolle Technik war – gerade in den Anfangsjahren – Opfer steter Störungen, wodurch die Akzeptanz der Parkhäuser in der Öffentlichkeit erheblich litt. Die Kosten für Wartung und Instandhaltung der Technik stiegen und stiegen, die Umsatzerlöse blieben zugleich hinter den Erwartungen zurück. In Spitzenzeiten waren die automatisierten Parkbereiche gerade einmal zu 60 Prozent ausgelastet, die konventionellen hingegen komplett. Ein Grund für die Diskrepanz auch hier: Die Technik. Denn wegen der systembedingten Übergabezeiten ist gar keine höhere Auslastung bei den automatisierten Parkplätzen möglich. Die Folge war ein Zuschussbedarf der beiden Häuser von 400.000 Euro im Jahr 2012. Die Verwaltung der Stadt wird sich auch noch länger mit den beiden Parkhäusern und dem üppigen Zuschussbedarf plagen müssen. Fünf weitere Jahre können nach Auskunft der Stadt die beiden Häuser „noch ohne grundlegende Vitalisierung in der heutigen Form“ betrieben werden. Allerdings werden Wartung und Unterhalt immer mehr Geld verschlingen, sodass die Stadt plant, noch in diesem Jahr zu entscheiden, wie alternative Parkmöglichkeiten hergestellt werden können. Das ist auch bitter nötig, denn anstatt mit den Parkhäusern Geld zu verdienen, muss die Stadt stetig Verluste ausgleichen. Für die Steuerzahler ein wahrlich teures und unwirtschaftliches Unterfangen. Noch ist zwar nichts entschieden. Aber es wird wohl künftig auf ganz herkömmliche Parklösungen hinauslaufen.