Die ukrainische Übergangsregierung hat die Gespräche am Runden Tisch in Kiew zu scharfen Angriffen auf die Regierung in Moskau und die prorussischen Separatisten genutzt. Russland sorge im Osten und Süden der Ukraine für eine "explosive Lage", sagte Präsident Alexander Turtschinow am Mittwoch. Ministerpräsident Arseni Jazenjuk begründete den Ausschluss der Separatisten von dem Treffen mit den Worten, es werde nur mit denjenigen geredet, "die nicht schießen und keine Zivilisten töten". Zugleich warb er erneut für Pläne zur Dezentralisierung des Landes. Der Präsident des russischen Abgeordnetenhauses, Sergej Narischkin, zog die Legitimität der in eineinhalb Wochen geplanten ukrainischen Präsidentenwahl in Zweifel. Im Gasstreit mit der Ukraine signalisierte Russland indes Verhandlungsbereitschaft.
Turtschinow warf bei den Beratungen im Parlamentsgebäude in Kiew Russland vor, die östlichen und südlichen Regionen der Ukraine systematisch zu destabilisieren. An dem Treffen nahmen Minister, Parteichefs, Kandidaten für die Präsidentenwahl, Wirtschaftsvertreter und Beamte aus den Regionen teil. Separatisten hatte die Regierung ausgeschlossen, was Zweifel schürte, ob das Treffen überhaupt einen Beitrag zur Entschärfung der Krise leisten könne. Der Rebellenführer in der ostukrainischen Stadt Slawjansk, Wjatscheslaw Ponomarjow, sagte, er habe nichts von dem Runden Tisch gehört. "Unsere erste Bedingung für Gespräche mit der Kiewer Junta ist der sofortige Abzug aller Truppen der ukrainischen Armee aus den Gebieten der Regionen Donezk, Charkow und Lugansk."
Als Ausweg aus der Krise präsentierte Jazenjuk erneut seinen Dezentralisierungsplan: Die Regionen sollten mehr Zuständigkeiten erhalten und etwa Steuereinnahmen für den Ausbau der örtlichen Infrastruktur oder die Wirtschaftsförderung zurückhalten können. Eine weitere Föderalisierung der Ukraine wie sie von Russland und einigen Separatisten angestrebt wird, lehnte er aber ab. Unterstützung erhielt Jazenjuk vom reichsten Mann der Ukraine, dem Bergbau-Unternehmer Rinat Achmetow. Der Dezentralisierungsplan sei der "einzig richtige Weg" aus der Krise, erklärte er.
Der Westen setzt seine ganze Hoffnung auf die Präsidentenwahl am 25. Mai, die die Führung in Kiew nach dem Sturz des bisherigen Präsidenten Viktor Janukowitsch im Februar angesetzt hatte. Die US-Spitzendiplomatin Victoria Nuland betonte bei einem Besuch in Bratislava, es sei sehr wichtig, dass die Menschen in Donezk und Luhansk ihre Stimmen abgeben könnten. Der Westen droht Russland mit Wirtschaftssanktionen, falls die Lage weiter eskaliert und die Wahl scheitern sollte.
Ob die Abstimmung stattfinden kann, ist jedoch unklar. Noch immer halten Separatisten Verwaltungsgebäude in zahlreichen Städten in der Ostukraine besetzt. Russlands Parlamentspräsident Narischkin äußerte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Wahl. In einem umstrittenen Referendum in Donezk und Luhansk stimmte am Sonntag nach Angaben der Separatisten eine Mehrheit der Wähler für die Unabhängigkeit der beiden Regionen nahe der russischen Grenze. Die Separatisten wollen die Präsidentenwahl boykottieren.