Unternehmen

Finanzaufsicht hat geschlafen: Depfa-Bank stürzt nach Irland-Abenteuer ab

Das Unglück der Depfa nahm seinen Lauf in Irland: Die Bank wurde nach Irland ausgelagert, um am globalen Kasino teilnehmen zu können. Mit den geringsten Margen erzielt die Bank im Staatskreditgeschäft die höchste Eigenkapitalrendite. 2007 schließt sich Depfa mit dem Hypo Real Estate zusammen. Warum die deutsche Aufsicht dem Kauf durch die HRE-Gruppe zustimmte und selbst nach Ausbruch der Krise nicht unterband, bleibt rätselhaft.
10.08.2014 01:18
Lesezeit: 3 min

Gegen Ende der 90er-Jahre hatte der Zinskonvergenzprozess bereits deutliche Spuren in der Profitabilität des Bondversicherungsteils des Geschäftsmodells hinterlassen. Die öffentlichen Pfandbriefemittenten, damals allesamt spezialisierte Hypothekenbanken, begannen folglich, höhere Fristentransformationsrisiken zu nehmen. Diese Praxis unterband jedoch die deutsche Bankenaufsicht 1998 in vorbildlicher Art und Weise durch das „Gentleman’s Agreement“, das den Hypothekenbanken in Deutschland fortan Fristenmatching vorschrieb.

Ohne diese Gewinnquelle, und mit weiter fallenden Zinsdifferenzen war das Ergebnis 2001 die Aufspaltung der Depfa in die Aareal Bank (Wiesbaden) mit Fokus auf den Immobilienkredit, in dem die Zinsmargen noch als auskömmlich angesehen wurden, und Depfa Bank plc (Dublin). Das öffentliche Pfandbriefgeschäft wurde somit nach Irland ausgelagert, wo nicht nur die Unternehmenssteuern niedriger waren, sondern auch Unerfahrenheit oder Indifferenz irischer Regulierer eine Fortführung der soeben in Deutschland untersagten hohen Fristentransformationsrisiken ermöglichten. Mit dem irischen Liberalisierungsschub – das Management sprach von einer faktischen Neugründung - engagierte sich die dorthin verlagerte Depfa auch stark im risikoreichen Derivategeschäft mit öffentlichen Kunden sowie im Eigenhandel und trieb Mitte der 2000er-Jahre sogar den Eintritt in den amerikanischen Bondversicherungsmarkt voran.

Eigenkapital hielt die Depfa für ihr Geschäft in Irland so gut wie keines vor. Angesichts von Nullgewichtung von Staatskrediten im EEA-Raum lag der Hebel der spezialisierten Staatsfinanzierer allgemein jenseits der 40. Bei der Depfa betrug er im Jahr 2003 125 und befand sich damit im Bereich der am höchsten gehebelten Finanzinstitute weltweit, etwa der amerikanischen Bondversicherer Fannie Mae und Freddie Mac (um 140). Die ebenso große belgisch-französische Dexia Crédit Local hielt fast das vierfache an Eigenkapital. Ein extremer Hebel angewendet auf ein Portfolio mit hoher Fristeninkongruenz – im Fachjargon ein hoher „leverage-adjusted duration gap“ - erklärt, warum die Bank nach der in Abbildung 1 vorgestellten Analyse von FitchRatings mit den geringsten Margen im Staatskreditgeschäft die höchste Eigenkapitalrendite unter vergleichbaren Instituten erzielen konnte. Der von der Deutschen Bank stammende Depfa-Chef Bruckermann ließ sich und sein Management auf der Basis dieses Modells mit Aktienoptionen im Wert dreistelliger Millionenbeträge entlohnen.

Um diese rechtzeitig in Cash umzuwandeln – denn ein hoher „leverage-adjusted duration gap“ bedeutet gleichzeitig ein extremes Insolvenzrisiko, das bei veränderten Zinsbedingungen rasch realisiert wird -  wurde die Bank seit 2006 zum Verkauf angeboten. Dieses Angebot stieß aber selbst bei den nicht als risikoavers bekannten Londoner Hedgefonds auf wenig Interesse.

Warum die deutsche Aufsicht Mitte 2007 dem Kauf durch die Münchener Hypo Real Estate (HRE) Gruppe zustimmte und die Transaktion selbst nach Ausbruch der Subprime-Krise mit ihren sofortigen Auswirkungen auf den Pfandbriefmarkt nicht unterband, bleibt rätselhaft. Zwar war das Interesse des Managements der HRE, die weiterhin auf hohe Pfandbriefvolumen setzte und die sich anbahnende Krise negierte, klar: das Ziel war es, den größten deutschen Pfandbriefemittenten Eurohypo, der über seine Luxemburger Tochter stark im Staatskreditgeschäft war, zu überholen. Angesichts ihrer eigenen Rolle bei der Vertreibung des Staatskreditgeschäftes aus Deutschland und der bekannten Praktiken bei der irischen Depfa hätte die deutsche Aufsicht aber das Ansinnen der HRE ablehnen müssen.

In zunehmender Sorge um das Hypothekarkreditgeschäft mag sie, wie die Ratingagenturen damals, auf einen Diversifizierungseffekt – die HRE war weitgehend im Immobiliengeschäft aktiv – sowie die Mobilisierungsmöglichkeiten der Staatskredite der Depfa als Sachsicherheiten für die Interbankenrefinanzierung der neu gebildeten HRE-Gruppe insgesamt gesetzt haben. Diese Rechnung ging spätestens mit der europäischen Staatsschuldenkrise seit Anfang 2010 – die Depfa war dort und insbesondere in Griechenland hoch investiert - nicht mehr auf.

Bisher erschienen:

Teil 1: Der Auslöser der Finanzkrise: Die Rettung der Depfa-Bank

Der Fall der Depfa Bank ist der Schlüssel für das größte deutsche Bank-Desaster aller Zeiten. Die Bank refinanzierte langfristige Kredite mit kurzfristigen Anleihen. Mit dem Austrocknen der Kreditmärkte mit Beginn der Finanzkrise scheiterte dieses System zwangsläufig. Die Hypo Real Estate, der die Depfa gehörte, stand über Nacht vor dem Abgrund. Diese Entwicklung machte die Finanzkrise und vor allem ihren deutschen Teil besonders kostspielig.

Dieser Text ist der zweite Teil einer fünfteiligen Serie. Lesen Sie in den weiteren Teilen in den kommenden Tagen:

Teil 3: Depfa: Stures Festhalten am Bad-Bank-Gesetz kostete dem Steuerzahler Milliarden

Das Depfa-Debakel kostet den deutschen Steuerzahler wohl einen hohen einstelligen Milliardenbetrag. Darunter sind zwei Milliarden Euro, die der Bund dem Steuerzahler hätte ersparen können. Irland hatte dazu 2011 über sein neues Bankenabwicklungsrecht die Möglichkeiten geschaffen. Doch man hielt stur am unzureichenden deutschen Bad-Bank-Gesetzes, das nur die Eigentümer der Banken belastet, fest.

Teil 4: Der Schlussstrich der Depfa: Verspätete Abwicklung in Eigenregie

Das Staatskreditmodell der Depfa ist faktisch tot. Im Mai 2014 entschied die Bundesregierung dennoch, das bislang höchste Angebot für die Depfa von 320 Millionen Euro abzulehnen. Sie hofft, dass eine Abwicklung in Eigenregie billiger kommt.

Teil 5: Depfa: Hoher Schaden durch indirekte Verstaatlichung

Der hohe Schaden für den Steuerzahler aus der indirekten Verstaatlichung der irischen Depfa entstand vor allem durch den politischen Widerstand gegen Abwicklung und Gläubigerbeteiligung in Deutschland. Durch das starre Festhalten an der einmal beschlossenen Bankenrettungsstrategie wurden nebenbei auch bei einer Privatbank die Rettungskosten für den Steuerzahler maximiert.

Hans-Joachim Dübel ist Gründer und Leiter der Finanzberatungs-Firma Finpolconsult. Zuvor war er von 1998 bis 2000 Finanz-Analyst bei der Weltbank. Er gilt als einer der angesehensten Experten in Fragen der Banken-Rettung und hat in dieser Frage zahlreiche internationale Organisationen beraten. Er hat in den vergangenen Jahren mehrere Arbeitspapiere zur Banken-Krise erstellt. Sein aktuelles Arbeitspapier „The Capital Structure of Banks and Practice of Bank Restructuring“ wurde im Juni-Monatsbericht des Bundesfinanzministeriums berücksichtigt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Mit einem Fondsdepot mehr aus dem eigenen Geld machen

Wer vor zehn Jahren 50.000 Euro in den Weltaktienindex investiert hat, kann sich heute über mehr als 250.000 Euro freuen! Mit der...

 

DWN
Politik
Politik Wahlsieger Merz: Trotz Wermutstropfen Rambo-Zambo
23.02.2025

Der CDU-Chef bringt den Vorsprung aus den Umfragen ins Ziel: Die Union gewinnt die Bundestagswahl. Doch ein wichtiges selbstgestecktes Ziel...

DWN
Politik
Politik Historisches Debakel für die SPD: Scholz' Tage sind gezählt
23.02.2025

Trotz Widerstands innerhalb seiner Partei wollte er es noch einmal versuchen – und ist kläglich gescheitert. Die kürzeste Amtszeit...

DWN
Politik
Politik Erwartungen verfehlt: FDP erleidet mit Lindner herbe Wahlniederlage
23.02.2025

Die FDP bleibt unter den eigenen Erwartungen und hat sich von der Krise in der Ampel-Koalition nicht erholt. Parteichef Lindner und seine...

DWN
Politik
Politik Bundestagswahl: Union gewinnt vor AfD, Fiasko für die SPD - droht erneut eine Dreierkoalition?
23.02.2025

CDU und CSU gehen als klare Sieger aus der Bundestagswahl hervor – für die SPD ist es das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte. Die...

DWN
Politik
Politik Merz triumphiert, Scholz geschwächt: Die Konsequenzen der Wahl
23.02.2025

Deutschland hat entschieden, und es gibt einen klaren Gewinner. Dennoch dürfte die Regierungsbildung herausfordernd werden, da die Zeit...

DWN
Politik
Politik Wie es nach der Bundestagswahl weitergeht
23.02.2025

Nach der Bundestagswahl beginnt die nächste Phase: die Regierungsbildung. Dabei sind zahlreiche Schritte erforderlich, die sich über...

DWN
Politik
Politik Wahlrecht 2025: Kleinerer Bundestag, größere Auswirkungen – Das ändert sich für Wähler und Parteien
23.02.2025

Am Wahltag selbst werden die meisten Wählerinnen und Wähler keinen Unterschied bemerken. Doch hinter den Kulissen verändert sich...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Schweizer Infrastrukturexperte: "Deutschland war lange der Wirtschaftsmotor Europas – das muss wieder so sein"
23.02.2025

Deutschland kämpft mit maroden Brücken, Straßen, Schienen, Strom- und Kommunikationsnetzen. Der Schweizer Infrastrukturexperte Alexander...