Zurückkehrende Syrien-Kämpfer stellen nach Einschätzung der Bundesregierung eine tödliche Gefahr für Deutschland dar. "Der Anschlag von Brüssel hat uns vor Augen geführt, dass aus der Möglichkeit eines Anschlags durch solche Syrien-Rückkehrer eine tödliche Realität geworden ist", warnte Bundesinnenminister Thomas de Maiziere am Mittwoch bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2013 in Berlin. Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen äußerte sich über unerkannte deutsche Dschihadisten in Syrien besorgt. Es bestehe zu Recht die Befürchtung, "dass es Rückkehrer gibt, die wir nicht auf dem Radarschirm haben, wo unsere Partner im Ausland uns mal keinen Hinweis geben", sagte er. Diese Islamisten könnten nach Deutschland einreisen und hier oder in anderen Staaten Anschläge begehen.
Etwa zeitgleich warnte Großbritanniens Premier David Cameron vor Terror-Anschlägen in seinem Land (mehr hier).
Nach Angaben der Sicherheitsbehörden haben inzwischen rund 2000 Islamisten Europa in Richtung Syrien verlassen, darunter über 320 Extremisten aus Deutschland. Die Zahl der Islamisten im Inland schätzt der Verfassungsschutz auf gut 43.000. Vor allem salafistische Gruppierungen erhielten weiter Zulauf. Im Irak ist die radikale Gruppe Isis rasant auf dem Vormarsch, die auch in Syrien für die Errichtung eines islamischen Staates kämpft.
Die Sicherheitsbehörden hätten die Sorge gehabt, dass heimkehrende Syrien-Kämpfer Anschläge planen könnten, sagte de Maiziere. "Inzwischen wissen wir, dass diese Sorge mehr als berechtigt war: Aus einer abstrakten Gefahr von kampfbereiten Rückkehrern ist eine konkrete tödliche Gefahr geworden in Europa". Die Rückreiserouten führten auch über Deutschland.
Der Attentäter von Brüssel sei von Syrien aus über mehrere Länder gereist und schließlich in Frankfurt gelandet, sagte Verfassungsschutz-Präsident Maaßen. Nach dem Tipp eines ausländischen Geheimdienstes habe die deutsche Polizei am vergangenen Wochenende einen weiteren Syrien-Kämpfer mit französischer und algerischer Nationalität bei der Einreise festgenommen. Im Jüdischen Museum in Brüssel hatte ein aus Syrien zurückgekehrter französischer Islamist Ende Mai vier Menschen erschossen.
Vor einigen Jahren, als radikale Islamisten vor allem ins afghanisch-pakistanische Grenzgebiet ausgereist seien, hätten die Sicherheitsbehörden die meisten der Verdächtigen vorher gekannt, erklärte der Geheimdienst-Chef. Das habe sich geändert. "Heute stellen wir fest, dass junge Leute sich in Deutschland ohne Kenntnis der Sicherheitsbehörden radikalisieren", sagte Maaßen. "Sie werden angesprochen bei Koran-Verteilaktionen. Ich würde sagen, sie werden angefixt bei Spenden- und Benefizveranstaltungen für Syrien." In einigen Fällen habe der Verfassungsschutz erst durch die Mitteilung ausländischer Dienste erfahren, dass Deutsche in Syrien umgekommen seien.
Eine Arbeitsgruppe der Innenminister von Bund und Ländern prüft unterdessen, wie die Aus- beziehungsweise Wiedereinreise radikaler Islamisten verhindert werden kann. Rechtlich sei es jedoch schwierig, einen deutschen Staatsbürger an der Einreise zu hindern, sagte de Maiziere und reagierte damit auf Forderungen des Bremer Innensenators Ulrich Maurer.
Die fremdenfeindliche Gewalt nahm unterdessen drastisch zu: Die Zahl dieser Straftaten stieg dem Verfassungsschutzbericht zufolge um über 20 Prozent, während die Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten bei 9600 stagnierte. Wo Asylbewerberheime existierten oder deren Bau geplant sei, würde sich Rechtsextreme bemühen, die Bevölkerung dagegen aufzuhetzen. "Es besorgt mich, dass die rechte Szene unablässig versucht, die Stimmung gegenüber Fremden zu vergiften, indem sie Ängste und Vorurteile gegen Asylsuchende schürt", kritisierte de Maiziere.
Angesichts der Berichte über ein milliardenschweres Rüstungsgeschäft von Rheinmetall mit Algerien hat Bundeskanzlerin Angela Merkel die Bedeutung des nordafrikanischen Landes im Kampf gegen Extremisten betont. Zugleich bot sie nach einem Treffen mit dem tunesischen Ministerpräsidenten Mehdi Jomaa auch seinem Land deutsche Hilfe an, etwa bei der Grenzsicherung zu Libyen. "Wir haben alles Interesse daran, dass Tunesien seinen Weg stabil fortsetzen kann", betonte Merkel am Mittwoch.
Die Kanzlerin vermied eine Bewertung der Lieferung von 980 deutschen "Fuchs"-Panzern an Algerien, über die das "Handelsblatt" berichtete. Die Nachrichtenagentur Reuters hatte über die Zustimmung der damaligen Bundesregierung bereits 2011 berichtet.
"Ohne jetzt auf Einzelheiten einzugehen, ist heute noch einmal deutlich geworden, welche wichtige Rolle auch Algerien in der Region spielt", sagte Merkel auf eine entsprechende Frage. Zugleich bot sie Tunesien die Ausbildung von Polizisten und etwa die Lieferung von schusssicheren Westen an, damit die Grenze nach Libyen gegen das Einsickern von Islamisten gesichert werden könne.
Der tunesische Ministerpräsident betonte, sein Land sei nicht an schwerem Militärgerät interessiert. Seiner Regierung helfe eine engere Zusammenarbeit der Geheimdienste und eine bessere Grenzüberwachung.