Finanzen

Banken-Krise in Portugal: „Zentralbank hat bei der Aufsicht versagt“

Die portugiesische Zentralbank habe die Skandale bei der Espirito Santo nicht gesehen oder sogar mit den Eigentümern gekungelt, sagt der Banken-Experte Camilo Lourenço. Das ist ein schlechtes Omen für die EZB: Sie wird schon bald die Bankenaufsicht in ganz Europa übernehmen. Wenn sie überall so agiert wie unter ihrem portugiesischen Vizechef, dann ist sie eigentlich überflüssig.
13.07.2014 00:49
Lesezeit: 2 min

Die Probleme der portugiesischen Krisenbank Espírito-Santo waren lange vorher bekannt. Die Zentralbank Portugals hat bei der Aufsicht komplett versagt. Wenn die Espírito-Santo-Bank ihre Schulden nicht mehr begleichen kann, muss erneut der Steuerzahler einspringen. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten sprachen mit dem portugiesischen Wirtschafts-Experten Camilo Lourenço.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wo kommen die Probleme der Banco Espírito Santo her?

Camilo Lourenço: Die Probleme der Espírito-Santo-Bank wurden vor allem durch die zur Espírito-Santo-Gruppe gehörenden Unternehmen verursacht. Diese haben Schulden in Höhe von mindestens 7 Milliarden Euro angehäuft. Zur Espírito-Santo-Holding gehören ja neben der Banken- und Versicherungssparte, auch viele Unternehmen des Immobilien-, Tourismus-, Landwirtschafts-, Energie- und Gesundheitsbereichs. All dieses Unternehmen haben die genannte Summe an Schulden angehäuft.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Hat die portugiesische Zentralbank ihre Aufsichtspflicht verletzt?

Camilo Lourenço: Auf jeden Fall. Es gab eine Reihe von Unregelmäßigkeiten, die auf jeden Fall viel früher hätten erkannt werden und den Sturz des Vorstands hätten nach sich ziehen müssen. Man hätte viel früher die Reißleine ziehen müssen. Stattdessen hat die Zentralbank abgewartet, gezögert, mit dem Vorstand der Espírito-Santo-Gruppe gekungelt...

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was hat man sich unter ‚Unregelmäßigkeiten“ vorzustellen? Inkompetenz? Korruption?

Camilo Lourenço: Es wird jetzt in mehreren Fällen ermittelt. Ich gehe stark davon aus, dass es eine Menge kriminellen Materials und Inhalts ans Licht kommen wird. Man weiß, dass die Buchhaltung - zum Beispiel der Holding in Luxemburg - voller Unregelmäßigkeiten und Fehler ist! Auch hier hat das oberste Aufsichtsorgan – die portugiesische Zentralbank - komplett versagt.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Kürzlich kam ein Skandal der Banco Espírito Santo Angola (BESA) ans Licht, an der die Espírito Santo Gruppe mit 60 % beteiligt ist…

Camilo Lourenço: Ja, es sollen circa 5,7 Milliarden Dollar verschwunden sein. Unglaublich! Allerdings hat der Ex-Vorstand Ricardo Salgado betont, der angolanische Staat habe eine Bürgschaft hinterlegt, die 70 Prozent der fehlenden Summe abdecken würde. Die Lage ist unübersichtlich. Daraus könnte sich für die Espírito-Santo-Gruppe noch ein großes Problem ergeben.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wird der portugiesische Staat die Bank mit Steuergeldern stützen müssen?

Camilo Lourenço: Auszuschließen ist das nicht. Wenn die Bank die Schulden nicht mehr bedienen kann wird sie – wie schon vorher die pleite gegangene Banco BPN – auf die Hilfe des Staates zurückgreifen. Der staatliche Rettungsfonds steht ja noch und verfügt über 6,4 Milliarden Euro. Die portugiesische Regierung hat schon betont, dass die Staatshilfe ausschließlich der Bank und nicht der den anderen Sektoren der Espírito-Santo-Gruppe zur Verfügung steht.

Camilo Lourenço ist einer der angesehensten Wirtschafts-Journalisten und -Kommentatoren Portugals. Regelmäßig bewertet er Finanz- und wirtschaftspolitische Zusammenhänge für Fernsehen, Radio und Printmedien. Er studierte Wirtschaft an den Universitäten Lissabon, Columbia University sowie an der University of Michigan. Er verfasste mehrere Bücher zum Thema Wirtschafts- und Finanzkrise in Europa.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Immobilienverbot für Russland: Finnland verbietet Russen und Weißrussen den Immobilienkauf
16.07.2025

Helsinki verbietet Russen den Immobilienerwerb: Am 15. Juli trat in Finnland ein Gesetz in Kraft, welches russischen und weißrussischen...

DWN
Politik
Politik Kontrollstaat: digitale Identität mit Bürgerkonto wird im Koalitionsvertrag Pflicht – Hacker kritisieren Überwachung
16.07.2025

Ende der Freiwilligkeit? Im Koalitionsvertrags setzen CDU, CSU und SPD auf eine verpflichtende digitale Identität der Bürger in der BRD....

DWN
Finanzen
Finanzen Boomer-Soli: Experten wollen einen Rentensoli zur Sicherung der Rentenkassen
16.07.2025

Wenn Millionen Menschen aus der Babyboomer-Generation in den Ruhestand gehen, wird das Rentensystem extrem belastet. Ökonomen des DIW...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis: Wie China und die USA den Markt dominieren
16.07.2025

Gold erlebt ein Comeback – und diesmal greifen nicht nur Kleinanleger zu. Nach Jahren der Zurückhaltung investieren...

DWN
Finanzen
Finanzen Aus für Steuerklärung wegen Fachkräftemangel? Gewerkschaft fordert die Abschaffung für Arbeitnehmer und Rentner
16.07.2025

Kurz vor Ablauf der Abgabefrist für das Jahr 2024 hat die Deutsche Steuer-Gewerkschaft gefordert, die Steuererklärung für Arbeitnehmer...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Generation Z: Warum junge Beschäftigte unter Druck stehen
16.07.2025

Die Generation Z leidet besonders unter psychischen Belastungen im Job. Das hat nicht nur mit Corona zu tun, sondern auch mit verhärteten...

DWN
Technologie
Technologie Oracle-Investition: Zwei Milliarden Dollar für deutsche Cloud-Infrastruktur
16.07.2025

Die Nachfrage nach Rechenleistung für KI-Anwendungen explodiert – und Oracle reagiert. Der US-Konzern investiert zwei Milliarden Dollar...

DWN
Politik
Politik US-Zölle als Wirtschaftskrieg: Trump zielt auf Europas Wohlstand
15.07.2025

Mit 30-Prozent-Zöllen will Donald Trump die europäische Wirtschaft in die Knie zwingen – und trifft damit ausgerechnet die...