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Markt für vernetzte Autos wächst jährlich um 30 Prozent

Lesezeit: 4 min
24.07.2014 15:50
Chip-Hersteller profitieren von der Vernetzung von Autos und Computern. In fünf Jahren werden nahezu alle Fahrzeuge mit einem Bordcomputer ausgestattet sein. Hersteller und Zulieferer werden verstärkt das Ziel von Investoren sein.
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Der Trend zum vernetzten Auto könnte sich für viele Zulieferer zur wahren Goldgrube entwickeln. Der Kursanstieg der Technologie- und Telekom-Werte wird sich nach Einschätzung von Experten durch den Vormarsch der Technik, die dem Fahrer am Steuer immer mehr Arbeit abnimmt, rasant beschleunigen. Denn rund um die Technologie mit Chips und Sensoren, Software und Touchscreens entwickelt sich ein Milliardenmarkt: Die französische Bank Exane BNP Paribas schätzt das Umsatzvolumen in den kommenden zehn Jahren auf mehr als 35 Milliarden Euro. „Das ist kein ferner Traum, sondern ein Fünf-Jahres-Rennen, wo man Geld verdienen oder es bleibenlassen kann”, urteilt BNP-Analyst Stuart Pearson. Bis 2020 werde das Geschäft mit Produkten für das vernetzte Auto jährlich um 30 Prozent wachsen.

Schon jetzt werden Neuwagen elektronisch hochgerüstet: Von Navigation, Kommunikation und Unterhaltung am Bordcomputer neben dem Steuer bis zu ersten Stufe des automatisierten Fahrens wie Einparkhilfen, dem automatischen Stoppen des Motors an Ampeln oder einem Tempomat zum Abstandhalten im Stau. Nach Erkenntnissen der britischen Beratungsfirma Machina Research haben derzeit erst zehn Prozent der Autos einen fest eingebauten Bordcomputer, bis 2020 werden nur noch zehn Prozent ohne ständige Verbindung zum Internet unterwegs sein.

Die deutschen Premiumhersteller Daimler, BMW und die Volkswagen-Tochter Audi arbeiten ebenso wie Toyota oder Nissan mit Technologiepartnern am automatisierten Fahren. Google liefert nicht nur wie Apple die Technik für ausgefeilte Bordcomputer, sondern arbeitet jetzt selbst an einem Kleinwagen, der keinen Fahrer mehr braucht. Teilautomatisiertes Fahren wie Parkhilfen oder Start-und-Stopp-Automatik haben Neuwagen schon heute zu bieten. Mit der Serienreife vollautomatisch fahrender Autos rechnet die Industrie im kommenden Jahrzehnt.

Davon profitieren werden nach Einschätzung von Analysten Chip-Hersteller wie Infineon, Intel, Qualcomm oder Texas Instruments. Auch die großen Telekom-Anbieter, die am Datenverkehr verdienen, sind beim Goldrausch dabei. Mit Milliardenumsätzen rechnen auch die beiden größten deutschen Autozulieferer Continental und der nicht-börsennotierte Bosch-Konzern, die Elektronikteile wie Sensoren oder Touchpads liefern. Für die beiden Marktführer für Navigationskarten TomTom und Nokia gilt das vernetzte Auto sogar als Erfolgsschlüssel. Sollten sie ihre Dominanz beim Ausbau des vernetzten Fahrens verteidigen können, traut BNP-Analyst Pearson Nokia einen Kursanstieg von 13 Prozent zu, TomTom sogar ein Plus von 32 Prozent. „Für Investoren ist es langfristig gescheiter, auf Aktien wie Microsoft oder Infineon zu setzen statt auf die der Autohersteller”, sagt Christian Jimenez, Fondsmanager von Diamant Bleu Gestion.

Dass die Anleger längst Witterung aufgenommen haben, zeigt der Erfolg des französischen Börsendebütanten Blue Solutions. An ihrem ersten Handelstag im Oktober war die Aktie des Herstellers von Batterien für Elektroautos 15-fach überzeichnet, seither ist sie um 130 Prozent gestiegen. Der Kurs von AKKA Technologies, die den Prototyp eines fahrerlosen Elektroautos entwickelten, hat sich seit 2009 versechsfacht.

Vernetzung von Smartphone und Auto steckt in den Kinderschuhen

Bis zu sieben Jahre liegen zwischen Entwicklungsbeginn eines neuen Fahrzeugs und Start der Produktion. Die Entwicklungszyklen in der IT-Industrie sind deutlich kürzer. Allein im Jahr 2013 erschienen sechs Updates für Googles Smartphone-Betriebssystem AndroidOS und 13 Aktualisierungen von Apples iOS für Mobilgeräte. Entsprechend unterstützen selbst die Infotainmentsysteme von Neuwagen nicht die neueste Technologie, die auf den Smartphones der Endkunden zum Einsatz kommt.

„Der Kunde erwartet“, sagt Jens Rese, Managing Consultant bei Detecon International und verantwortlich für das Detecon Connected Car Solution Center, „dass die Funktionen im Connected Car genauso innovativ sind wie die auf seinem mobilen Gerät – und das zu einem Bruchteil der Kosten.“ Alleine sind Automobilhersteller jedoch nicht dazu in der Lage, ihre Infotainment-Dienste schnell genug an die Kundenanforderungen anzupassen. Sie müssen Entwicklungspartnerschaften mit Anbietern aus der ITK-Branche eingehen, um attraktive Dienste wie Location Based Services und Social-Media-Funktionen flexibler und schneller zu realisieren. „Automobil und Smartphone wachsen immer stärker zusammen, dabei ist die richtige Partnerwahl heute wesentlich für den langfristigen Erfolg“, so Rese.

Hersteller sollten dabei auf die Multi-Plattform-Unterstützung setzen. „Künftig“, erklärt Rese, „sind die Hersteller erfolgreich, die alle im Markt verbreiteten Betriebssysteme unterstützen.“ OEMs (Original Equipment Manufacturer, dt. Erstausstatter, Anm. d. Red.) müssen daher die Voraussetzungen dafür schaffen, innovative Funktionen möglichst spät in die Änderungsmanagementprozesse der Entwicklung integrieren zu können. Die Architektur der Infotainment-Komponenten im Fahrzeug muss so flexibel gestaltet werden, dass diese langfristig einfach über das Smartphone eingebunden werden können. „Der Aufbau eines schlagkräftigen Produktmanagements“, weiß Rese, „ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor dafür, geeignete Partner für die gemeinsame Entwicklung zu identifizieren, zu gewinnen und zu managen.“

„Die Strategien sollten aber nicht dem reinen Hype vermeintlich innovativer Geschäftsideen folgen“, betont Jana Remer, Consultant bei Detecon. „Denn die Ursachen sinkender Neuwagenverkäufe in der Zielgruppe unter 45 Jahren sind vor allem durch strukturelle und emotionale Veränderungen bei den Kunden begründet. Vielfältige Alternativen wie z. B. Car Sharing oder auch knappe Budgets drängen den Stellenwert eines neuen Autos zurück.“ Ein wichtiger Einflussfaktor für die emotionale Bindung jüngerer Zielgruppen an Automarken sei hingegen die individuelle Mitgestaltungsmöglichkeit. Dies könne z. B. durch die Integrationsfähigkeit individueller Dienste oder sogar durch die Einbeziehung der Kunden beim Fahrzeugdesign berücksichtigt werden. „Künftig könnte gelten: My car, my castle!“, so Remer.

Um diese Vision umsetzen zu können, muss für die OEMs gelten, so individualisiert wie nötig und so standardisiert wie möglich vorzugehen. Die Individualität können einerseits Plattformen erzeugen, auf denen sich verschiedene Hardware- und Softwarehersteller ansiedeln und so ein modularisiertes Fahrzeugdesign erlauben. Damit kann sich dann der Kunde bspw. die Farbe des Cockpits oder die Innenausstattungsmodule selbst zusammenstellen. Den zweiten Ansatz zur Individualisierung bietet Connected Car mit der Integrationsmöglichkeit von Servicewünschen. „Vor allem der Trend zum autonomen Fahren“, sagt Remer, „bietet OEMs künftig eine große Chance für Geschäftsmodelle, die auf der Integration von Daten basieren. Hersteller können die gesamte Frontscheibe im selbstfahrenden Connected Car als frei gestaltbare Multimedia- und Vernetzungszentrale nutzen.“

„Damit OEMs auf diese Weise künftig noch schneller und flexibler, bei gleichzeitig steigendem Kostendruck, dem Kundenwunsch nach Individualisierung gerecht werden können, ist ein vorausschauendes Partnermanagement zwischen Experten aus ITK- und Automobilbranche eine wichtige Grundvoraussetzung“, betont Jens Rese. „Es heißt also: Augen auf bei der Partnerwahl – wer einsam bleibt, ist selber schuld.“

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