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Es wird keinen Crash geben: Wir werden trotzdem viel verlieren

Der Börsenhändler Michael P. Seiter hält einen Dritten Weltkrieg oder einen Börsen-Crash für unwahrscheinlich. Statt dessen erwartet er einen schleichenden Prozess: Weniger Geld für mehr Arbeit, weniger Freiheit, mehr Überwachung. Dieser Trend werde auch die Reichen erfassen: Niemand kann sich sicher sein, dass er zu den Profiteuren der Krise zählen wird.
10.08.2014 05:12
Lesezeit: 3 min

Seit vielen Jahren ist zu hören, dass der große Crash direkt vor der Tür steht.

Auch nachdem ein Termin nach dem nächsten verstrichen ist, wird man nicht müde diesen zu prognostizieren. Dass es in der Vergangenheit immer wieder den totalen Crash gab und dass die Gegenwart alles andere als rosig ist, ist nicht von der Hand zu weisen.

Grundsätzlich stehen die Zeichen tatsächlich seit Jahren auf Sturm. Ein Crash wäre nur logisch und eine nötige, wenn auch schmerzhafte Bereinigung.

Dennoch bin ich seit Jahren davon überzeugt, dass dieser Crash nicht gewünscht ist und auch nicht kommen wird. Meiner Prognose - und da bin ich mir mit Kollegen wie beispielsweise Michel von Tell in vielen Punkten recht einig -, ist eine viel einfachere, wenn auch letztlich deutlich unangenehmere.

Prognose – weiter wie gehabt

Ich prognostiziere nämlich – nichts. Sie lesen richtig.

Ganz einfach nichts.

Ich sehe keinerlei Anzeichen für einen dritten Weltkrieg in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren, noch sehe ich einen großen Crash mit einem wirklichen Reset.

Kleinere Resets im Währungsbereich sind zwar durchaus denkbar, wie wir es beispielsweise beim Wechsel von der DM zu etwas vermeintlich besseren und größeren, dem Euro, gesehen haben.

Wir werden auch weiterhin lokale Kriege, pardon Friedensmissionen sehen, wie in den vergangenen 30 Jahren.

Kurzum: Es gibt business as usual. Alles geht so weiter, wie Sie es die vergangenen 20 bis 30 Jahren gewohnt sind. Dies bietet allerdings keinerlei Anlass zum Aufatmen. Die Folgen sind kurz und mittelfristig natürlich deutlich angenehmer, langfristig hingegen umso verheerender.

The Trend is your friend

The Trend is your friend – wie man an der Börse seit langem weiß.

Und genau diesem Trend werden wir weiter folgen.

Was konkret bedeutet:

- Die Verschuldung wird jedes Jahr weiter ansteigen

- Die Steuern werden als logische Folge ebenfalls immer weiter steigen

- Die Löhne werden kaufkraftbereinigt weiter sinken – dies bei weiter steigenden Anforderungen bei Ausbildung und Arbeitszeit

- Die Arbeitslosigkeit wird weiter zunehmen

- Um dies zu puffern wird man weiter die Zwangsarbeit und den Niedriglohnsektor Sektor ausbauen

- Lebenswichtige Güter wie Energie, Nahrung und Miete werden ebenfalls weiter ansteigen

- Presse und Meinungsfreiheit werden weiter abgebaut

- Zentralisierung und Globalisierung werden ausgebaut

- Gesetze und Verbote werden ausgebaut

- Persönliche Freiheit, Privatsphäre, Individualismus minimiert sich weiter.

- Die persönliche Arbeitszeit nimmt zu, die persönliche Freizeit wird weiter zurückgefahren.

Kurz um – alles was das Leben lebenswert macht, wird weiter abgebaut, während gleichzeitig alle negativen Aspekte des Lebens langsam ausgebaut werden.

Dies passiert nicht von heute auf morgen sondern langsam - step by step.

Langsam genug, sodass es dem Bürger kaum auffallen wird. Das ist die im Grunde sehr einfache und logische Fortsetzung des Trends, den wir die letzten 20 Jahren erlebt haben.

Willkommen im Kapselhotel

Der theoretische End- bzw. Höhepunkt dieses Trends könnte dann in 30 bis 50 Jahren darin gipfeln, dass keiner mehr etwas hat.

Die große Masse der Menschen wird gehalten wie Hühner in der Legebatterie. Vorläufer davon sind schon ersichtlich.

14 Stunden Arbeit an der Leistungsgrenze und nach Feierabend geht es nicht ins eigene Haus, sondern heim ins Kapselhotel.

Zwei Quadratmeter pro „Einheit“, man holt sich seine standardisierte Tagesration Gen-Sojabrei am Automaten und um etwas vermeintlichen Luxus vorzugaukeln, der das Vieh beschäftigt und ruhig stellt. Außerdem werden noch ein bis zwei Elektroartikel wie Laptop oder Smartphone (Herstellungskosten fünf Euro) zur Verfügung gestellt.

Da wir langsam dran gewöhnt wurden, wie der bekannte Frosch im heißen Wasser, uns in den Medien erzählt wird, dass es ohne die amtierende Leitung alles noch viel schlimmer wäre. „Alternativlos“ wird Lieschen Müller, wie wir es heute auch kennen, dankbar und zufrieden sagen.

Wir haben geheizt, ein Dach über dem Kopf, Arbeit, etwas im Magen und sogar solchen „Luxus“ wie unser Laptop und das Smartphone (technische Spielereien).

Wir müssen dankbar sein, dass es uns so gut geht und es könnte alles viel schlimmer sein.

Unsere Führung lebe hoch.

Die Reichen sitzen mit im Boot

So oder ähnlich sieht wohl die Zukunft aus. Das prognostiziere ich – das sagt unser Freund der Trend, wen man diesem glauben möchte.

Es sei erwähnt, dass diese Entwicklung nicht nur die des kleinen Mannes ist, sondern mindestens 99% der Bevölkerung betrifft.

Entgegen der landläufigen Meinung, die Reichen würden davon profitieren und immer reicher werden, ist auch dort dieser Trend ebenfalls ersichtlich.

99% der Reichen werden dieses Schicksal teilen, vielleicht mit etwas Verzögerung, aber retten wird sie das voraussichtlich nicht.

Es wird zwar sicherlich auch dann noch einige geben, die an der Spitze sitzen, aber auch diese dürften jedes Jahr weniger werden.

Sich darauf zu verlassen, dass man zu diesen gehören wird, halte ich selbst aus der Sicht eines heutigen Superreichen für ein äußert gewagtes Lotteriespiel.

Am Scheideweg

Die Angst vor einem großen Crash ist also unbegründet.

Es wäre wohl das kleinste Übel und eine große Chance.

Leider wird diese Bereinigung, diese Chance wohl nicht ergriffen, und ist wohl auch nicht erwünscht. Bleibt zu hoffen, dass sich diese Prognose irrt und der Trend diesmal nicht unser Freund ist.

Ansonsten stehen uns unschöne Zeiten ins gemeinschaftliche Haus, welche nicht nur an 1984 erinnern, sondern diese sogar übertreffen könnten.

Eine Sache dürfte klar sein. Die Menschheit steht momentan an einem Scheideweg.

In den kommenden 10 bis 20 Jahren wird sich wohl entscheiden ob wir in eine Zeit eintreten werden, wie es sie schöner noch nie gab, oder ob wir in das düsterste Zeitalter der Geschichte eintreten.

Das Bedauerliche daran ist, dass in den vergangenen Jahren wenig bis nichts auf bessere Zeiten hindeutet.

Fühlen Sie sich gewarnt.

Michael P. Seiter ist Börsenhändler und Publizist.

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