Vor einigen Monaten hat der Erste Bürgermeister von Hamburg, Olaf Scholz, einen Plan entwickelt, wonach der „Soli“ nach 2020, wenn die Schuldenbremse beginnen soll, zu wirken, weiter erhoben werden soll. Aus ihm sollen die 16 Länder einen Zuschuss für die Zinszahlungen auf ihre Verschuldung erhalten, der Bund auch einen Anteil, während Bund und Länder jeder für sich weiterhin die Verschuldung selber tilgen soll. Um diesen Plan hat es keine große Diskussion gegeben. Die drei kommunalen Spitzenverbände – Städtetag, Städte- und Gemeindebund, Landkreistag – haben den Scholz-Plan bereits diskret gutgeheissen, wie das Hamburger Abendblatt neulich berichtete. Saarlands Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer sagte jüngst der Saarbrücker Zeitung: „Allen Ländern ist klar: Wir werden den Soli mit seinem Finanzvolumen nach 2019 erhalten müssen.“
Die Bedingung von Ländern und Kommunen ist, dass sie ebenfalls einen Anteil für ihre Zinszahlungen aus dem „Soli“ erhalten - und zwar im Verhältnis ihrer Zinszahlungen im Jahr 2019 zu denen des Bundes und der Bundesländer. Damit können die Länder andere Gelder freimachen, um Investitionen, etwa im Straßenbau, zu finanzieren.
Die Vorgabe, den Soli beizubehalten, ist ein Wunsch von Bundeskanzlerin Angela Kanzlerin Angela Merkel. Merkel will den Ostdeutschen vor den Landtagswahlen in wenige Wochen vor den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg die gute Nachricht überbringen. In einem Interview mit der Thüringer Allgemeinen sagte Merkel: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass man von heute auf morgen auf diese Steuereinnahmen in Höhe von rund 15 Milliarden Euro verzichten und gleichzeitig den Osten weiter stark fördern kann.“ Auf die Frage, ob es den Solidaritätszuschlag ewig geben werde, antwortete sie: „Ewig ist in der Politik keine Kategorie, aber derzeit sehe ich nicht, dass er kurzfristig abgeschafft wird.“ Schon vor einigen Monaten hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gesagt, dass der Soli in eine Dauersteuer umgewandelt werden könnte.
Nun ist es also so weit: 15 Milliarden Euro jährlich, ursprünglich eingeführt, um die deutsche Einheit zu finanzieren, werden umgewidmet - und gehen in den Schuldendienst, ein im Vergleich zu Wiedervereinigung eher profane Aufgabe.
Auf den Ebenen Bund und Bundesländer wird nach Informationen der Deutschen Wirtschafts Nachrichten unter strengster Geheimhaltung intensiv an dem Plan gearbeitet. Er soll im November fertiggestellt werden, damit die entsprechenden Beschlussfassungen im Bund und in den Bundesländern spätestens 2015 erfolgen können. Der Plan selbst wird von Bund und Ländern nicht in Zweifel gezogen. Wie der „Soli“ in Zukunft heißen wird, ist noch nicht geklärt. Auch gibt es Diskussionen, ob die Länder, die in den Finanzausgleich einzahlen, eine größere Entlastung aus dem Soli erhalten als die anderen. Die Verhandlungen finden politisch direkt gesteuert auf Spitzenfachebene statt. Zum Teil wurde eine Urlaubssperre verhängt, um die Sache rasch über die Bühne zu bekommen.
Ein Insider, der an den Verhandlungen teilnimmt, bestätigte den DWN die Entwicklung und sagte: „Bund und Länder haben mit der Fortsetzung des Soli ein ideales Vehikel gefunden, um eine Erleichterung bei der Schuldenbremse zu erhalten. Ohne den Soli hätten einige Bundesländer große Probleme bei der Einhaltung der Schuldenbremse. Wir haben den Auftrag: Der Soli soll zu einer dauerhaften Steuer umfunktioniert werden.“
Ursprünglich war der Solidaritätsbeitrag den Wähern ausdrücklich als befristeter Aufschlag verkauft worden: Der Zuschlag auf die Einkommenssteuer war 1991 als vorübergehende Ergänzungs-Abgabe eingeführt worden, um den Bundeshaushalt nach der Wende beim dringenden Aufbau Ost zu unterstützen. Diese Ergänzung gilt inzwischen jedoch seit über zwanzig Jahren. Selbst Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die heimliche Dauererhebung des Solis blieben bisher ergebnislos.
Ein Sprecher des Hamburger Senats wollte sich zum Stand der laufenden Verhandlungen nichts äußern und, verwies jedoch auf die allgemein breite Zustimmung für den Hamburger Vorschlag. Auch ein Sprecher des deutschen Städtetags wollte die neue Verwendung des Soli nicht kommentieren, dementierte sie jedoch auch nicht.
Ganz geschlossen ist die Front für die schweigende Mehrbelastung der Deutschen indes nicht: Eine vollkommene Abschaffung des Soli hatte Ministerpräsident Tillich noch im Mai gefordert . Den Vorschlag Hamburgs nannte er eine „verkappte Steuererhöhung“ (siehe hier). Der Sprecher des sächsischen Finanzministeriums bestätigte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten, dass Sachsen den Vorschlag zur Verwendung des Solis zur Schuldentilgung weiterhin ablehnt. Was Scholz vorschlage sei "keine sachgerechte Verwendung". Die Länder seien für ihre Schulden selbst verantwortlich und könnten diese nicht auf die Gesamtheit abwälzen. Sachsen werde daher in den Gesprächen darauf achten, dass nicht die am stärksten Verschuldeten am stärksten profitieren.
Der Sprecher bestätigte zwar, dass es einen Fahrplan gibt, bis November ein beschlussfähiges Ergebnis zu präsentieren. Ob die Gespräche allerdings bis Ende des Jahres wirklich erfolgreich abgeschlossen werden, sei noch fraglich. Schließlich ginge es um eine Revision des gesamten Solidarpakts, der Solidaritätsbeitrag sei davon nur ein Teil.
Bundesfinanzminister Schäuble sagte der Sächsischen Zeitung, der Osten müsse auch nach 2019 weiter finanziell unterstützt werden. Schäuble hat auch schon für den Fall vorgesorgt, dass es öffentliche Kritik an der verkappten Steuererhöhung geben könnte: Eine Abschaffung des Soli hält er für im Bundesrat nicht durchsetzbar, sagte er im Juli der Rheinischen Post - und schiebt damit den Schwarzen Peter den Bundesländern zu.
Der im Bundesfinanzministerium zuständige Sprecher für Steuerpolitik und föderale Finanzbeziehungen wollte den Stand der Verhandlungen nichts sagen.
Der Bund der Steuerzahler, der eine erneute Klage des Niedersächsischen Finanzgerichts gegen den Soli vor dem Bundesverfassungsgericht unterstützt (siehe hier), hat keine Informationen über den Stand der laufenden Verhandlungen.
Die Steuerzahler werden das Ergebnis bald als fait accompli erfahren.