Die russischen Streitkräfte ließen am Freitag Dutzende Schützenpanzer an der Grenze in der Nähe des Hilfskonvois auffahren. Nach britischen Presseberichten überquerten in der Nacht zum Freitag 23 russische Schützenpanzer die Grenze, begleitet unter anderem von Tankwagen. Sie hätten dafür eine Lücke im Grenzzaun genutzt, berichtete ein Reporter des Guardian (mehr dazu hier).
Ein Sprecher der ukrainischen Streitkräfte sagte, dies passiere praktisch jede Nacht, um die Ukraine zu provozieren. "Die vergangene Nacht war da keine Ausnahme", sagte der Sprecher. "Einige gepanzerte Fahrzeuge sind rübergekommen."
Die Ukraine ist offenkundig nicht in der Lage, die Grenze zu Russland wirksam zu überwachen. Andriy Lysenko, Sprecher des ukrainischen nationalen Sicherheitsrats, sagte in Kiew, dass auch am Freitag ein russischer Trupp mit Militärmaterial nach Lugansk vorgedrungen sei. Man habe das Eindringen zwar nicht stoppen können, werde aber nun verhindern, dass das Kriegsgerät bei den Rebellen zur Verteilung gelangt. Um nicht den Eindruck von Schwäche aufkommen zu lassen, teilte Kiew am Freitag mit, die Militärfahrzeuge, die am Donnerstagabend in die Ukraine eingedrungen seien, seien von der ukrainischen Artillerie zerstört worden.
Rasmussen sagte in Kopenhagen, in der Nacht habe es einen "russischen Übergriff" auf das Gebiet der Ukraine gegeben. Das bestätige, dass es einen kontinuierlichen Fluss von Waffen und Kämpfern aus Russland in die Ost-Ukraine gebe. "Das ist eine klare Demonstration fortgesetzter russischer Beteiligung an der Destabilisierung der Ost-Ukraine", sagte er vor Journalisten.
In der Ost-Ukraine waren die prorussischen Separatisten nach monatelangen Kämpfen immer stärker in die Defensive geraten. Die ukrainische Armee hatte am Montag erklärt, sie stehe vor dem Beginn der letzten Phase der Einnahme von Donezk. Die Industrie- Metropole und die Stadt Luhansk sind Hochburgen der Rebellen. Dort werden Wasser und Nahrungsmittel knapp. Der russische Hilfskonvoi enthält nach russischen Angaben 2000 Tonnen Wasser, Babynahrung und andere Hilfsgüter.
Finnlands Präsident Niinisto war am Freitag der erste europäische Staatschef, den Putin seit der Eskalation der Ukraine-Krise empfing. Putin sagte nach dem Treffen in Sotschi, er und Niinisto wollten alles in ihrer Macht stehende tun, um den Konflikt in der Ost-Ukraine zu beenden und einen Dialaog zwischen der Regierung in Kiew und den Rebellen herzustellen.
Das Tauziehen um einen russischen Hilfskonvoi für die von prorussischen Separatisten gehaltenen Gebiete in der Ost-Ukraine hält an. Ukrainische Grenzschützer begannen am Freitagmorgen auf russischem Gebiet mit der Untersuchung der etwa 280 Lastwagen. Ein Medienbericht über das Vordringen russischer Schützenpanzer in die Ukraine schürte den Argwohn der Regierung in Kiew, Russland könnte eine Invasion unter dem Deckmantel des Hilfstransports planen. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sprach von einem "russischen Übergriff" auf das Territorium der Ukraine. Statt zu einer Entspannung der Lage beizutragen, heize die Regierung in Moskau den Konflikt weiter an. Der russische Präsident Wladimir Putin indes sagte nach einem Treffen mit dem finnischen Präsidenten Sauli Niinisto, er wolle alles zur Beendigung der Ukraine-Krise tun.
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) erklärte am Freitagnachmittag, der Hilfskonvoi werde noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Die Lastwagen sollen unter der Obhut des IKRK in die zwischen Rebellen und Regierungstruppen umkämpften Gebieten fahren. Dort sollen Mitarbeiter der Organisation die Hilfsgüter verteilen. Vorher benötige das IKRK aber noch Sicherheitsgarantien aller Konfliktparteien. Russland und die Ukraine müssten zudem versichern, dass es allein um humanitäre Hilfe gehen. Die ukrainische Grenzbehörde ließ offen, wann die Inspektion der Lkw beendet sein und der Konvoi die Grenze überqueren könnte.