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400 Jahre alte Pflanzen werden zum Leben erweckt

Die Klimaerwärmung macht auch vor der kanadischen Arktis nicht halt. Das Eis schmilzt dort etwa drei bis vier Meter pro Jahr seit 2004. Dabei sind jetzt grünliche Flecken entdeckt worden. Eine genauere Untersuchung ergab: Es handelt sich um lebende Pflanzen.
22.08.2014 00:08
Lesezeit: 2 min

Ein Stück zum Leben wieder erwecktes Moos soll sich im gefrorenen Zustand seit der letzten kleinen Eiszeit befunden haben. Diese fand zwischen 1550 und 1850 statt. Inzwischen gehen die Gletscher zurück und geben neues Land frei. Die Pflanzen, die zuletzt im Mittelalter wuchsen, sind zu neuem Leben erwacht.

Wissenschaftler der University of Alberta, die den Fund im kanadisch-arktischen Gebiet gemacht haben, konnten die grüne Tönung als Byrophyten identifizieren.

Bei der Pflanze gibt es einen gewaltigen Unterschied zu unserem heutigen Moos: Sie hat keine Gefäße, mit denen sie Flüssigkeiten transportieren kann. Es wäre auch kein Wunder, wenn sie ihren Winterschlaf beibehalten würde, so die Forscherin Dr. Catherine La Farge. Sie war wie betäubt, als sie feststellte, dass die Pflanzen nach 400 Jahren unter dem Eis anfingen zu sprießen.

Natürlich wurden Teile des Mooses zu Forschungszwecken mitgenommen. „Unter Laborbedingungen blühen sie richtig auf,“ schwärmt Dr. La Farge. „Als wir uns das Moos im Labor genauer ansahen, hatten einige Stämme seitliche Zweige gebildet. Das sagte mir, dass diese Jungs sich im Freien bereits regenerieren und das war für mich unfassbar.“

Der Fund wurde bei einem Treffen der National Academy of Science vorgestellt. Wissenschaftler sollen jetzt herausfinden, wie bestimmte Ökosysteme während zyklischen Eiszeiten überleben konnten. Dabei ist das Moos der kanadischen Arktis kein Unikat. Inzwischen sind auch einige andere Organismen aufgewacht, die dato kein Wissenschaftler unserer Zeit gesehen hatte. Dazu zählen insbesondere grüne terrestrische Algen sowie Cyanobaktieren, also Blaualgen.

Somit beschränkte sich die Reanimierung von eingefrorenen Lebewesen vorerst nur auf Algen. Dank der neuen Entdeckung, die bei den Berichten der Nationalen Akademie für Wissenschaften publiziert wurde, gehören jetzt auch Moospflanzen in die Kategorie der wieder erweckten Arten, berichtet das Physiker-Portal PNAS.

Zumindest eine Erkenntnis haben die Forscher bereits gewonnen. Die Pflanzen, die zu sehen sind, wenn Gletscher sich zurückziehen, werden nicht eingeschleppt. Sie waren bereits dort, bevor das Eis kam und haben lediglich darauf gewartet, dass sie wieder freigelegt werden und die Sonne ihnen neue Kraft gibt.

„Wenn man an die Eisschichten denkt, die das Land bedecken, haben wir immer geglaubt, dass die Pflanzen am Rande der Gletscher sich angesät haben. Wir sind nie auf die Idee gekommen, dass sie unter dem Eis waren,“ so Dr. La Farge. Also allein für diese Erkenntnis war die Entdeckung bereits nützlich.

Jetzt sind die Biologen natürlich gespannt, welche weiteren Überraschungen unter den Gletschern auf sie warten. Denn neben dem Moos gibt es ja auch noch die grünen und blauen Algen zu untersuchen. Vor allem wird es interessant sein, wie sich die neuen alten Pflanzen auf die Region auswirken und für was diese 400 Jahre alten Lebewesen genutzt werden können.

Auch Dr. La Farge ist gespannt:

„Es ist eine ganz eigene Welt, die jetzt unter dem Gletscher auftaucht und studiert werden muss. Das Eis verschwindet so schnell – es wird die gesamte terrestrische Vegetation aufdecken und das wird einen großen Einfluss haben.“

Möglichkeiten gibt es viele. Aus den Pflanzen könnten neue Wirkstoffe für die Medizin entwickelt werden. Es könnte aber auch sein, dass weder Moos noch Algen besonders neue Erkenntnisse bringen. Negative Auswirkungen sind natürlich auch möglich, wenn unter dem Eis noch ausgestorben geglaubte Viren lauern oder gar neue Stämme, die bisher noch gar nicht bekannt sind.

Während zwischen 1550 und 1850 riesige Teile der kanadischen Arktis eingefroren wurden, tauen die besonders hartnäckigen Arten wieder auf und beginnen zu leben. Die Wissenschaft freut sich über die neuen Funde, weil es viel zu erforschen gibt. Somit können die Biologen gespannt sein, was sich noch alles unter den Gletschern befindet und eines Tages an Licht kommt.

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