Politik

Gestörtes Verhältnis zu Russland: Deutschland gehört zu den Verlierern

Der Schaden durch die Russland-Sanktionen wird für Deutschland immens sein. Bislang ergänzten sich beide Länder ideal – Russland als Energie- und Rohstofflieferant, Deutschland exportierte seine Industrieprodukte. Moskau kann seine Importe aus Deutschland bezahlen und kauft nicht wie viele andere Handelspartner auf Kredit. Die deutsche Wirtschaft hält die Sanktionen mittlerweile für einen Fehler. Viele Medien lechzen dagegen geradezu nach einem neuen Kalten Krieg.
16.09.2014 00:37
Lesezeit: 2 min

Es wird immer gespenstischer, wie sich viele der einflussreichen deutschen Medien nach dem „Kalten Krieg“ zurückzusehnen scheinen. Da kann man den Kritikern der Sanktionspolitik gegenüber Russland aus dem eigenen Lager wieder vorwerfen, auf der Seite des Feindes zu sein, wie das schon seinerzeit der Fall war, als es noch die bösen Kommunisten und die Sowjetunion gab. Da benutzt jetzt selbst die Tagesschau der ARD kriminalrechtliche Begriffe wie „Strafe“, „bestrafen“ oder „Aussetzen auf Bewährung“, als würde die Bundesregierung über Russland zu Gericht sitzen. „Sanktionen“ sind handelspolitische Instrumente, „Strafen“ dagegen moralische Urteile. Im englischen Sprachraum gibt es solche Verirrung nicht. Dort hält man sich an den Begriff „Sanktion“. Auch in Frankreich heißt das „sanction“ und nicht etwa „peine“ (Strafe).

Die deutsche Medien-Arroganz drückt sich ebenso in Schlagzeilen wie diese des Spiegel aus: „Sanktionen gegen den Westen: Der Kreml schlägt zurück - und trifft sich selbst“. Dabei trifft sich Deutschland eher noch weit stärker selbst. Der russische Markt ist schon von der Bevölkerungszahl her einer der größten und zukunftsträchtigsten der Welt. Die Sanktionen des Westens werden China erlauben, längerfristig in das Vakuum einzusteigen, das sich da wegen der westlichen Sanktionen auftut. Das gilt für Energieimporte aus Russland, aber auch für Exporte dorthin, vor allem von Maschinen und Kraftfahrzeugen, wo China zunehmend geklaute westliche und besonders deutsche Technologie anbieten kann und das zu wesentlich günstigeren Preisen als Deutschland. Dabei schaden die Sanktionen Deutschland umso mehr, als gleichzeitig die Exportmärkte in den Eurokrisenländern schlapp gemacht haben.

Der Schaden für Deutschland wird längerfristig eintreten und immens sein, nicht zuletzt, weil sich Russland als Energie- und Rohstofflieferant und Deutschland mit seinen Industrieprodukten bisher ideal ergänzen (Abb. 18476). Russland kann seine Importe aus Deutschland bezahlen und muss nicht wie viele andere deutsche Handelspartner auf Kredit kaufen, und russisches Erdgas ist umweltpolitisch ein idealer Energieträger. Wegen dieser Struktur gehen durch Importe aus Russland - anders als bei denen aus den meisten übrigen Handelspartnern - bei uns kaum Arbeitsplätze verloren - im Ergebnis eine sehr positive Beschäftigungsbilanz. Diese Vorteile neiden uns unsere westlichen Partner schon seit langer Zeit und haben uns umso mehr gedrängt, nun diese Vorteile zu riskieren.

Inzwischen hält die nach Russland exportierende deutsche Wirtschaft die Sanktionen für einen Fehler. Der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Eckhard Cordes, warnt vor dem Beginn einer gefährlichen Sanktionsspirale. Die Wirtschaftssanktionen hätten bislang keinen Fortschritt in der Ukraine-Krise gebracht. Und wörtlich: „Wir schaden uns also zunehmend selbst, ohne die erhoffte politische Wirkung zu erzielen“.

Arrogant kommt dagegen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel daher. Er sieht primär den Schaden auf der russischen Seite und erklärt dementsprechend in der Bild-Zeitung: „Die wirtschaftliche Lage Russlands ist schon heute alles andere als gut“.

Zudem geht der deutsche und gesamte westliche Schaden weit über den Wirtschaftsbereich hinaus. Denn in kaum einem der großen internationalen Konflikte, wie im Nordirak und Syrien und natürlich der Ukraine, wird sich eine Lösung ohne Russland finden lassen. Wie dumm muss man eigentlich sein, um das nicht zu begreifen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik 100 Milliarden für Klimaschutz? Einigung zwischen Union, SPD und Grünen
14.03.2025

Ein Milliarden-Paket für Verteidigung und Infrastruktur sorgt für politische Bewegung. Nach zähen Verhandlungen haben Union, SPD und...

DWN
Politik
Politik BSW auch nach endgültigem Ergebnis nicht im Bundestag
14.03.2025

Das endgültige Wahlergebnis steht fest: Das BSW verpasst den Bundestag knapp. Trotz zusätzlicher Stimmen bleibt die Partei unter der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Unser neues Magazin ist da: Gesund arbeiten und gesund leben? Die Balance auf der Kippe
14.03.2025

Unsere Arbeitswelt hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verändert. Digitalisierung, Globalisierung und die ständige...

DWN
Unternehmen
Unternehmen BMW-Aktie: Gewinn beim Hersteller BMW sackt ab - die ganz fetten Jahre sind vorbei
14.03.2025

Nach Jahren extremer Erträge geht es für die Autohersteller gerade abwärts. Doch selbst nach den aktuellen Einbrüchen verdienen...

DWN
Politik
Politik Grüne blockieren schwarz-rotes Finanzpaket – Streit um Europas Zukunft
14.03.2025

Die Grünen stellen sich gegen das Finanzpaket von Union und SPD. Fraktionschefin Katharina Dröge fordert, Verteidigungs- und...

DWN
Technologie
Technologie Polen will Bau von AKW an der Ostsee 2028 starten
14.03.2025

Deutschland hat sein letztes Atomkraftwerk abgeschaltet. Polen indes will seinen ersten Reaktor direkt am Ostseestrand errichten. Das...

DWN
Panorama
Panorama Vorsorge Gesundheit: Krankenkassen-Boni noch bis 31. März sichern
14.03.2025

Viele Krankenkassen fördern ein gesundheitsbewusstes Verhalten ihrer Versicherten mit Bonuszahlungen. Wer davon profitieren möchte,...

DWN
Finanzen
Finanzen Die unsichtbare Enteignung: Wie Inflation unser Vermögen entwertet
14.03.2025

Inflation – die größte legale „Enteignung“ der Geschichte? Während Verbraucher unter steigenden Preisen ächzen, kassiert der...