Gemischtes

Autozulieferer: ZF Friedrichshafen mit Milliarden-Deal Nummer 2 der Welt

Nach der Übernahme von TRW steigt Auto-Zulieferer ZF-Friedrichshafen zum weltweit zweitgrößten Unternehmen in der Branche auf. Die Übernahme kostet ZF 13,5 Milliarden Dollar. Der Konzern musste sich im Vorfeld aus kartellrechtlichen Gründen von seiner Lenksystem-Sparte trennen.
15.09.2014 16:03
Lesezeit: 2 min

In einer der größten Übernahmen in der Autobranche seit Jahren schluckt der süddeutsche Getriebehersteller ZF Friedrichshafen den US-Konkurrenten TRW Automotive. Das Angebot von umgerechnet 9,6 Milliarden Euro in bar sei von der TRW-Führung einstimmig angenommen worden, teilten beide Unternehmen am Montag mit und bestätigten damit Reuters-Informationen. Sollten die Aktionäre und Regulierungsbehörden zustimmen, ist dies der größte Zusammenschluss in der Zulieferindustrie seit der Übernahme von Continental durch Schaeffler vor sechs Jahren. Zusammen rücken ZF Friedrichshafen und TRW in die Weltmarktspitze vor und spielen im Zukunftsgeschäft mit Elektromobilität und dem Autonomen Fahren eine wichtige Rolle.

Die Transaktion wurde zu einem Preis von 105,60 Dollar je Aktie vereinbart, das entspricht 12,4 Milliarden Dollar. Inklusive übernommener Schulden hat das Geschäft einen Umfang von 13,5 Milliarden Dollar. Um die Übernahme zu finanzieren, will ZF Anleihen begeben. Bis dahin springen Citigroup und Deutsche Bank mit Krediten ein. Die hohe Verschuldung solle durch das erwartete Wachstum in den nächsten Jahren verringert werden, teilte das Unternehmen mit. Analysten hatten im Vorfeld Zweifel geäußert, ob ZF eine solche Übernahme stemmen könne.

Das auf elektronische Komponenten spezialisierte US-Unternehmen TRW soll als separater Geschäftsbereich im ZF-Konzern geführt werden. Da es keine Überschneidungen gebe, blieben alle Standorte erhalten, erklärte ZF-Chef Stefan Sommer. Die Firmenzentrale bleibe in Friedrichshafen, auch wenn künftig nur noch die Hälfte des Umsatzes in Europa erwirtschaftet wird. Mit der Übernahme werde ZF den Umsatz in den wichtigen Märkten China und USA verdoppeln.

ZF HOLT BOSCH EIN

Zusammen würden ZF und TRW mit umgerechnet rund 30 Milliarden Euro Umsatz und weltweit 138.000 Beschäftigten auf einen der vorderen Ränge der Autozulieferindustrie vorrücken und wären auf Augenhöhe mit Bosch. Einer Rangfolge des Fachmagazins "Automobil-Produktion" zufolge liegt Bosch derzeit mit rund 30 Milliarden Euro Erlös in der Autoteilesparte auf Rang drei hinter der japanischen Denso und Continental aus Hannover. Bosch-Chef Volkmar Denner gab sich gelassen: "Wenn die Übernahme so kommen sollte, wird ein starker Wettbewerber zu Bosch entstehen - wir bejahen Wettbewerb und haben kein Problem damit."

ZF Friedrichshafen ist der weltweit größte unabhängige Getriebehersteller und wie Bosch im Besitz einer Stiftung. TRW mit Sitz in Livonia im US-Bundesstaat Michigan beliefert mehr als 40 große Automobilhersteller und setzte im vergangenen Jahr 17,4 Milliarden Dollar um. In Deutschland beschäftigt TRW gut 10.000 Mitarbeiter. Der US-Konzern bietet unter anderem Video- und Radarsysteme an, die halb-autonomes Fahren ermöglichen sollen. Die Unternehmensgruppe stellt außerdem Produkte zur Fahrzeugsicherheit und zur Elektromobilität her. Autonomes Fahren gilt unter den Autobauern als vielversprechende Zukunftstechnologie. Der Wettlauf unter den Autoherstellern wird noch durch den Internetkonzern Google angeheizt, der kürzlich ein automatisch fahrendes Mini-Auto ohne Lenkrad und Bremse präsentierte.

VERSCHIEDENE KULTUREN

In Branchenkreisen hieß es, mit ZF und TRW verschmölzen zwei Unternehmen mit höchst unterschiedlicher Firmenkultur: Der nicht börsen-notierte Stiftungskonzern ist langfristig ausgerichtet und mit der Stadt Friedrichshafen als Eigner dem Gemeinwohl verpflichtet. TRW dagegen ist der Kontrolle durch den Kapitalmarkt unterworfen und gilt als knallhart in Verhandlungen. Jede Firma werde ihr Profil wahren, versuchte ZF-Chef Sommer Sorgen zu zerstreuen. "Wir werden unsere Kulturen zusammenbringen können, so wie wir es in der Vergangenheit mit Übernahmen gemacht haben."

Der Transaktion müssen noch die Kartellbehörden und die Aktionäre von TRW zustimmen. Mit einem Abschluss und dem Abschied der TRW-Aktie von der New Yorker Börse rechnet ZF im ersten Halbjahr 2015. Kurz vor der Deal-Vereinbarung hatte ZF eine wichtige Hürde aus dem Weg geräumt: Die Friedrichshafener verkauften ihre Hälfte am Bosch-ZF-Gemeinschaftsunternehmen ZF Lenksysteme an den Mitgesellschafter Bosch.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Ölpreis: OPEC-Konflikt eskaliert – Saudi-Arabien warnt vor Marktchaos
11.05.2025

Ein gefährlicher Riss geht durch die mächtige Allianz der OPEC-Plus-Staaten. Statt mit geschlossener Strategie die Preise zu...

DWN
Politik
Politik Kann Deutschland Europa retten? Der neue Koalitionsvertrag offenbart alte Schwächen
11.05.2025

Zum Europatag 2025 richtet sich der Blick erneut nach Berlin. Die Erwartungen an Deutschland sind hoch – nicht nur innerhalb der Union,...

DWN
Finanzen
Finanzen Börsenkrisen: Warum Volatilität kein Risiko ist
11.05.2025

Wenn die Börsen Achterbahn fahren, zittern viele Anleger. Doch Panik ist oft der schlechteste Berater – denn was aussieht wie ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Strategien für Krisenzeiten: Wie Sie jetzt Ihre Unternehmensleistung steigern
11.05.2025

Steigende Kosten, Fachkräftemangel, Finanzierungsdruck – viele KMU kämpfen ums Überleben. Doch mit den richtigen Strategien lässt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft USA vor Energieumbruch: Strom wird zum neuen Öl – und zur nächsten geopolitischen Baustelle
11.05.2025

Ein fundamentaler Wandel zeichnet sich in der US-Wirtschaft ab: Elektrizität verdrängt Öl als Rückgrat der nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bill Gates verschenkt Vermögen – Symbol einer neuen Weltordnung oder letzter Akt der alten Eliten?
11.05.2025

Bill Gates verschenkt sein Vermögen – ein historischer Akt der Großzügigkeit oder ein strategischer Schachzug globaler Machtpolitik?...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft „Made in America“ wird zur Hypothek: US-Marken in Europa auf dem Rückzug
11.05.2025

Eine neue Studie der Europäischen Zentralbank legt nahe: Der Handelskrieg zwischen den USA und der EU hat tiefgreifende Spuren im...

DWN
Finanzen
Finanzen Tech-Börsengänge unter Druck: Trumps Handelskrieg lässt Startup-Träume platzen
10.05.2025

Schockwellen aus Washington stürzen IPO-Pläne weltweit ins Chaos – Klarna, StubHub und andere Unternehmen treten den Rückzug an.