Deutschland

Wegen Stilllegung von Atomkraftwerk: EON verklagt Deutschland auf Schadenersatz

Lesezeit: 2 min
01.10.2014 15:50
EON verklagt den Bund und mehrere Länder auf Schadenersatz in Höhe von rund 380 Millionen Euro. Grund sei die vorübergehende Stilllegung zweier Meiler noch vor dem Atomausstieg 2011. Zudem fordert EON, der Staat solle die Mehrkosten für die Zwischenlagerung von Atommüll übernehmen.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Der Energiekonzern E.ON läutet im jahrzehntelangen Rechtstreit um die Atomkraft in Deutschland eine neue Runde ein. Der größte deutsche Versorger verklagte am Mittwoch den Bund und mehrere Länder auf Schadenersatz in Höhe von rund 380 Millionen Euro. Grund hierfür sei die dreimonatige Stilllegung der Meiler Unterweser und Isar 1 im Frühjahr 2011. Bereits vor dem im Anschluss beschlossenen Atomausstieg hatte die Bundesregierung damals die sieben ältesten Meiler vorübergehend abschalten lassen. Dagegen ist bereits RWE vor Gericht gezogen. Die beiden Energieriesen kündigten am Mittwoch zudem an, nicht die Mehrkosten für die standortnahe Zwischenlagerung von Atommüll übernehmen zu wollen. Diese müsse der Staat tragen.

E.ON habe vergeblich versucht, sich im Fall des Atommoratoriums außergerichtlich mit dem Bund und den Ländern Niedersachsen und Bayern zu einigen, wo sich die Meiler Unterweser und Isar 1 befinden, sagte ein Sprecher der Nachrichtenagentur Reuters. Nun habe der Konzern Klage beim Landgericht Hannover eingereicht.

RWE hatte bereits wegen der damaligen dreimonatigen Stilllegung seines Atomkraftwerks Biblis das Land Hessen und den Bund auf Schadenersatz verklagt, dabei geht es um 235 Millionen Euro. Zuvor hatten Gerichte die vorübergehende Stilllegung für nicht rechtens erklärt. RWE sei nicht ausreichend angehört worden.

Der von AKW-Gegnern auf Hauptversammlungen als „Atom-Rambo“ kritisierte ehemalige RWE-Chef Jürgen Großmann hatte früh den Rechtstreit gesucht, da dem Konzern durch die dreimonatige Abschaltung von Biblis ein dreistelliger Millionenbetrag entgehe. E.ON-Chef Johannes Teyssen hatte hingegen in den turbulenten Wochen nach der Atomkatastrophe von Fukushima im März 2011 auf eine Verständigung mit der Bundesregierung gesetzt und auf eine Klage verzichtet. Diese Zurückhaltung hatten nach den gerichtlichen Erfolgen von RWE Aktionäre von E.ON kritisiert.

Sowohl bei E.ON als auch bei RWE geht es in den jetzigen Klagen vorläufig nur um die drei Monate, nicht um die im Sommer 2011 von Berlin beschlossene Atomwende. Ob die Konzerne für diese ebenfalls Schadenersatz erhalten, dürfte letztlich das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Dabei geht es nicht um dreistellige Millionenbeträge, sondern insgesamt eher um einen zweistelligen Milliardenbetrag.

Die Bundesregierung reagierte enttäuscht auf die Ankündigung von Mittwoch. Die Klageschrift liege zwar derzeit noch nicht vor, sagte ein Sprecher des Bundesumweltministeriums. „Wir nehmen jedoch mit Verwunderung und Bedauern zur Kenntnis, dass der große gesellschaftliche Konsens zu Atomausstieg und Energiewende bei den Energiekonzernen offenbar noch nicht angekommen ist.“ Hier scheine man immer noch der Auffassung zu sein, dass juristische Konfrontation erfolgversprechender sei als sachdienliche Kooperation.

E.ON kündigte an, auch gegen die im Atomgesetz vorgesehene standortnahe Zwischenlagerung von Atommüll vorgehen. Hierzu habe der Konzern Klage gegen die Länder Niedersachen, Bayern und Schleswig-Holstein eingereicht. Nach dem Atomgesetz soll der strahlende Müll nicht zum Lager in das niedersächsische Gorleben gebracht werden, sondern in der Nähe der Kernkraftwerke aufbewahrt werden.

„Wir sehen uns nicht verpflichtet, die Kosten für eine sachlich nicht begründbare alternative Zwischenlagerung zu übernehmen“, erklärte E.ON. Gorleben sei der richtige Standort. „Da die alternative Zwischenlagerung ausschließlich politisch motiviert ist, müssen die dadurch verursachten Kosten vollständig vom Staat getragen werden.“ RWE kündigte an, wohl in Kürze ebenfalls Klage einzureichen. Vattenfall prüft nach eigenen Angaben noch, dürfte sich dem aber anschließen.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft OWZE-Prognose 2024: Minimales Wirtschaftswachstum für Deutschland erwartet
02.05.2024

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OWZE) geht von einem minimalen Wirtschaftswachstum für Deutschland...

DWN
Finanzen
Finanzen Deutschland im Investitionstief: Rückgang setzt Wirtschaft unter Druck
02.05.2024

Deutschlands Attraktivität für ausländische Investitionen schwindet weiter: 2023 markiert den niedrigsten Stand seit 2013. Manche...

DWN
Politik
Politik 1.-Mai-Demonstrationen: Gewerkschaften fordern dringend Gerechtigkeit
02.05.2024

Am Tag der Arbeit kämpfen Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen. Ihre Spitzenvertreter betonten die Notwendigkeit von...

DWN
Politik
Politik Militärhistoriker Lothar Schröter im DWN-Interview: Die Folgen des Massenmords von Odessa 2014
02.05.2024

Der Militärhistoriker Lothar Schröter ordnet im DWN-Interview den Massenmord in Odessa vom 2. Mai 2014 ein. Dabei geht er auch auf die...

DWN
Politik
Politik DWN-Interview: Ukraine-Krieg - Zehn Jahre nach dem Massenmord von Odessa
02.05.2024

Am 2. Mai 2014 ist es in der ukrainischen Stadt Odessa zu einem Massenmord gekommen, bei dem fast fünfzig Menschen qualvoll ums Leben...

DWN
Technologie
Technologie Infineon vor herausforderndem Quartal: Augenmerk auf Zukunftsaussichten
02.05.2024

Der Chiphersteller Infineon sieht schwieriges Quartal voraus, mit moderaten Rückgängen und angespanntem Automobilmarkt. Wie geht es...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin als Geldanlage: „Das ist gleichzusetzen mit einem Besuch im Casino“
02.05.2024

Bitcoin entzweit trotz neuer Kursrekorde die Anlegergemeinschaft. Die einen halten große Stücke auf den Coin, die anderen sind kritisch....

DWN
Immobilien
Immobilien Balkonkraftwerk mit Speicher: Solarpaket könnte Boom auslösen - lohnt sich der Einbau?
01.05.2024

Balkonkraftwerke aus Steckersolargeräten werden immer beliebter in Deutschland. Insgesamt gibt es aktuell über 400.000 dieser sogenannten...