Deutschland

Importe von Giftmüll: Deutschland wird zur Mülltonne Europas

Millionen Tonnen Müll importiert Deutschland jedes Jahr aus Europa. Vor allem gefährlicher Abfall ist begehrt. Dies Beseitigung ist äußerst lukrativ und somit ein idealer Nährboden für krumme Geschäfte.
21.06.2015 02:15
Lesezeit: 2 min

In den deutschen Müllverbrennungs- und Müllrecycling-Anlagen wird schon lange nicht mehr nur Müll aus Deutschland entsorgt oder wiederverwertet. Zu groß sind die Müllanlagen, die Kapazitäten können allein mit deutschem Müll nicht mehr ausgereizt werden. So sind die Haushaltsabfälle in Deutschland im Jahr 2012 um 0,5 Millionen Tonnen gegenüber dem Vorjahr gesunken, wie ein Blick auf die Abfallwirtschaft zeigt.

Und damit es für die deutsche Abfallwirtschaft kein Minusspiel wird, holt man sich den Müll eben auch aus anderen Ländern. Ist es gefährlicher Müll, kann sogar noch einiges an Plus herausgeholt werden. Der jährliche Umsatz lag 2013 in der deutschen Abfallwirtschaft bei etwa 36,8 Milliarden Euro, so das Statistische Bundesamt.

Aber Deutschland hat 2012 dem Statistischen Bundesamt zufolge 5,881 Millionen Tonnen notifizierungspflichtigen Müll importiert (Grafik 1). Also Abfall, der nach den Regelungen des Baseler Übereinkommens überwacht werden muss. Insgesamt sind etwa 3 Millionen Tonnen als gefährlich einzustufen, wie die Daten des Bundesumweltamtes zeigen.

Von den 5,881 Millionen Tonnen wurden etwa 4 Millionen Tonnen verwertet und mehr als 1,8 Millionen Tonnen beseitigt. Der meiste Müll kam aus den Niederlanden (1,917 Millionen Tonnen) und Italien (949.000 Tonnen).

Die hohe Importquote für diesen Müll sei einerseits darauf zurückzuführen, dass Deutschland in der Mitte Europas liege. Andererseits verfüge es über sehr gute Verwertungsstrukturen, sagte Joachim Wuttke vom Bundesumweltamt den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. Deutschland gehöre nun mal zur EU und nicht jedes Land habe die entsprechende Anlagentechnik zur Verwertung oder auch Lagerung des speziellen Mülls. Und so importiert Deutschland mehr Müll aus der EU als die übrigen EU- Länder. „Wir können mit den Abfällen umweltgerecht umgehen, im Gegensatz zu entsprechend anderen Ländern“, so Wuttke. „Und wir haben die Kapazitäten.“ Sachsen ist nach NRW einer der größten Importeure von Sondermüll, sagte der Grünen-Fraktionsvorsitzende in Sachsen Volkmar Zschocke den Deutschen Wirtschafts Nachrichten.

Fast jeder EU-Mitgliedsstaat transportiert gefährlichen Müll nach Deutschland, bestätigt auch Eurostat. Die Darstellung von Eurostat zeigt, dass es sich bei den Transporten sowohl um große als auch um kleine Mengen gefährlichen Mülls aus anderen EU-Staaten handelt (siehe Grafik).

Negative Aspekte in dem immensen Import von notifzierungspflichtigem, teilweise gefährlichem Müll sieht Wuttke keine. Und obwohl wenig Personal da sei, „funktioniert die Überwachung bei uns einigermaßen“. Etwas anders sieht es Benjamin Bongardt vom Naturschutzbund (NABU), denn schließlich bedeute der Import des Mülls, dass gefährliche Abfälle teilweise in Deutschland auch deponiert werden. Und die Deponierung „von gefährlichen Abfällen“ stelle „grundsätzlich die schlechteste Form der Abfallbehandlung dar“, so Bongart zu den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. „Sie ist ein – mehr schlecht als recht – gesichertes Lager. Schlimmstes Beispiel: Die Deponie Ihlenberg in Mecklenburg-Vorpommern bei Lübeck.“ Der Naturschutzbund hatte 2010 Klage gegen die Deponie-Erweiterung eingereicht. Darüber hinaus bestehe Bongardt zufolge bei so viel Abfall auch die Gefahr, dass dieser über halblegale Wege wieder das Land verlasse.

Wie hoch die Dunkelziffer des importierten Mülls ist, also illegal nach Deutschland importierter gefährlich Müll, weiß Wuttke jedoch nicht. „Selbst die BKA hat keine Dunkelziffer“, so Wuttke zu den Deutschen Wirtschafts Nachrichten.

Ausschlaggebend für die illegalen Transporte sind auch die Gewinnspannen, die sich mit gefährlichem Müll erreichen lassen. Wie diese Spannen allein beim legalen Müll sind, ist auch schwer abzuschätzen. Preislisten und Preisverhandlungen zwischen Mülllieferanten und Müllimporteuren sind nicht öffentlich zugänglich, erklärt Wuttke.

„Die Europäische Kommission sprach vor wenigen Jahren davon, dass bei Abfalltransporten der Anteil illegaler Abfallablagerungen bei mehr als 30 Prozent liegt“, so Zschocke. Der Handel mit Sondermüll verspreche gewaltige Gewinnspannen. Insidern zufolge fast so hoch wie beim Menschenhandel.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik IfW-Analyse: Europa verstärkt Ukraine-Hilfe deutlich
16.06.2025

Die europäische Ukraine-Hilfe hat in den vergangenen Monaten stark zugenommen – doch nicht überall im gleichen Maß. Während die USA...

DWN
Politik
Politik Einbürgerungsantrag: Entscheidung dauert mitunter Jahre
16.06.2025

Die Entscheidung über einen Einbürgerungsantrag kann lange dauern – warum profitieren bislang nur wenige von der verkürzten Frist? Wie...

DWN
Finanzen
Finanzen Ripple-Kurs legt kräftig zu: Woran das liegt und was Anleger jetzt wissen müssen
16.06.2025

Der Ripple-Kurs zeigt sich oft von seiner volatilen Seite. Doch zum Auftakt in die neue Handelswoche klettert der XRP-Coin kräftig –...

DWN
Politik
Politik SPD drängt auf gemeinsame Linie bei AfD-Verbotsverfahren
16.06.2025

Soll die AfD verboten werden? Während einige Bundespolitiker ein AfD-Verbotsverfahren fordern, mahnen andere zur Vorsicht. Im Raum steht...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Blackstone setzt auf Europa – Anleger an der Wall Street uneins über US-Ausblick
16.06.2025

Das Vertrauen der Wall Street in Europa wächst weiter. Mit Blackstone signalisiert nun ein weiteres Schwergewicht der Finanzwelt seine...

DWN
Politik
Politik G7-Gipfel in Kanada: Zerrissene Wertegemeinschaft vor Bewährungsprobe
16.06.2025

Der G7-Gipfel in Kanada steht vor enormen Herausforderungen: Konflikte, Uneinigkeit und globale Krisen prägen das Treffen. Wie finden die...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzprofis zeigen: So bauen sich Studenten ihre Geldmaschine
16.06.2025

Sie zeigen jungen Anlegern, wie man es richtig macht: Zwei schwedische Börsenprofis legen Musterportfolios auf – und erklären, warum...

DWN
Panorama
Panorama Rundfunkbeitrag: Was sich ändert – und was passiert, wenn man nicht zahlt
16.06.2025

Der Rundfunkbeitrag sorgt regelmäßig für Ärger – sei es wegen der Pflichtzahlung oder neuer Regeln. Millionen Bürger sind betroffen,...