Politik

Mulmige Gefühle in Brüssel: Sanktionen könnten neue Rezession auslösen

Lesezeit: 1 min
24.08.2014 23:52
Die EU macht sich Sorge, dass die Sanktionen gegen Russland Europa erneut in eine Rezession stürzen könnten. Nachdem die Sanktionen als Reaktion auf den Abschuss von MH17 verhängt wurden, ist der EU bewusst geworden, dass Europa von den russischen Gegenmaßnahmen wesentlich stärker betroffen ist als die Amerikaner. Die Tatsache, dass die Russen ebenfalls mit massivem Schaden rechnen müssen, verschafft kaum noch jemandem in Brüssel echte Genugtuung.
Mulmige Gefühle in Brüssel: Sanktionen könnten neue Rezession auslösen

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Der Handelskrieg mit Russland könnte Ökonomen zufolge rund 0,2 Prozentpunkte des Wachstums in der Eurozone kosten. Die ING-Bank hat ausgerechnet, das die Sanktionen die EU 6,7 Milliarden Euro kosten könnten, sowie 6 Prozent der Produktion und 0,04 Prozent des BIP. Carsten Brezki von der ING-Bank sagte dem EU-Observer , es sei „sehr schwer zu berücksichtigen, ob es irgendwelche negativen Überlauf-Effekte oder positive Faktoren wie mehr Nachfrage aus anderen Ländern oder die Rückführung von Auslandsinvestitionen geben könnte“.

Vor der Finanzkrise wäre ein Verlust von 0,2 Prozent demnach dem wirtschaftlichen Gegenwert eines Wespenstichs gleichgekommen - schmerzhaft, aber nicht von Dauer.

In der momentanen Situation jedoch, in der die Wirtschaft der Eurozone flach am Boden liegt, könnten diese 0,2 Prozentpunkte den Unterschied zwischen einem zumindest mageren Wachstum und dem schlimmsten Fall einer so genannten Triple-Dip-Rezession ausmachen. Die Aussicht, dass das Wachstum nach ein, zwei Quartalen schwacher Erholung ein drittes Mal zurück in eine Rezession rutscht, macht einen Aufschwung immer unwahrscheinlicher. Insofern sind diese 0,2 Prozentpunkte von hoher politischer und psychologischer Bedeutung für den Euro-Block.

Die ING schätzt zudem, dass das Verbot auch rund 130.000 Arbeitsplätze gefährden könnte. Auch dieser Schlag käme zu einer denkbar ungünstigen Zeit, zumal die EU seit Jahren kein Rezept gegen die zu hohe Arbeitslosigkeit findet (mehr hier und hier).

Die USA, Kanada und Nowegen sind von den russischen Sanktionen weitaus weniger betroffen: Ihr Handel betrug nur einen Bruchteil der 270 Milliarden Euro an Waren und Dienstleistungen, die allein 2012 zwischen Russland und der EU ausgetauscht wurde. Die EU fällt daher durch den Handelskrieg mit Russland noch weiter hinter die USA und China zurück.

Noch deutlicher als die EU dürfte es nur Russland selbst treffen: Ausländische Investoren haben seit Jahresbeginn bereits 60 Miliarden Euro aus Russland abgezogen, dias Wirtschaftswachstum ist von 1,3 auf 0,5 Prozent geschrumpft.

Bisher sieht es dennoch danach aus, als wollten beide Parteien es darauf ankommen lassen, wer den längeren Atem hat. Spätestens nach ein paar Monaten dürften jedoch beiden Beteiligen die Puste ausgehen (mehr hier).

 


Mehr zum Thema:  
Europa >

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft EU-Austritt Deutschlands: Ist „Dexit“ der Weg in die Katastrophe?
23.05.2024

Seit dem Brexit-Referendum wird in Deutschland immer wieder über einen möglichen EU-Austritt, den „Dexit“, diskutiert. Eine aktuelle...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Grenzziehung: Russlands Planspiele sorgen für Besorgnis bei Nachbarn
22.05.2024

Ein russisches Gesetzesprojekt zur Neubestimmung der Ostsee-Grenzen sorgt für Aufregung bei Nachbarländern. Litauen spricht von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Handelskonflikt mit USA und EU heizt sich auf: China erwägt höhere Import-Zölle auf Verbrenner
22.05.2024

Der Handelskonflikt zwischen den USA und China eskaliert weiter und erfasst nun auch europäische Autobauer, die gar keine E-Autos...

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank: Konjunkturaussichten hellen sich langsam auf
22.05.2024

Die deutsche Wirtschaft scheint das Gröbste überstanden zu haben. Nach einem leichten Wachstum zu Jahresbeginn dürfte die Konjunktur...

DWN
Politik
Politik Lehrerverband will Islamunterricht: Lösung für bessere Integration oder Anbiederung?
22.05.2024

Gut 1,6 Millionen Schüler moslemischen Glaubens besuchen mittlerweile Deutschlands Schulen. Für sie wünscht sich der Präsident des...

DWN
Immobilien
Immobilien Bessere Laune im Bausektor, aber Auftragsmangel immer noch zentrales Problem
22.05.2024

Auf dem ZIA-Finance Day letzte Woche ging es - unter anderen Schlüsselthemen - um die sich stabilisierende makroökonomische Lage in...

DWN
Finanzen
Finanzen Der DWN-Marktreport: Börsen im Rally-Modus – Aktienmärkte erreichen Allzeithochs, Metalle glänzen
22.05.2024

Die vergangene Woche konnte sich sehen lassen: Die internationalen Finanz- und Rohstoffmärkte warteten mit beeindruckenden Preisbewegungen...

DWN
Politik
Politik Erleichterungen für Hausarztpraxen im Fokus
22.05.2024

Das Bundeskabinett befasst sich mit einer stärkeren Absicherung der Gesundheitsversorgung für Patientinnen und Patienten - besonders in...