Finanzen

Berichte: EZB prüft, Staatsanleihen durch die Hintertür zu kaufen

Lesezeit: 2 min
26.06.2019 15:11
Berichten zufolge sucht die EZB Wege, um künftig weitere Staatsanleihen von Eurostaaten kaufen zu können, obwohl ihre eigenen Regeln dies untersagen.
Berichte: EZB prüft, Staatsanleihen durch die Hintertür zu kaufen
Die Zentrale der EZB in Frankfurt. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Experten der Euro-Notenbanken prüfen namentlich nicht genannten Quellen zufolge, wie sich möglicherweise eine zentrale Hürde für weitere Käufe von Staatsanleihen umschiffen lässt. Dabei geht es um die von der Europäischen Zentralbank (EZB) selbst gesetzten Kaufobergrenzen, die es ihr untersagen, mehr als ein Drittel der ausstehenden Schuldtitel eines Landes zu halten, berichtet Reuters.

Dieses Länderlimit soll unter anderem verhindern, dass die Währungshüter unter den Anleihebesitzern in eine Sperrminorität geraten, wenn es bei Umschuldungsentscheidungen zu Abstimmungen kommt. Bei kleineren Ländern wie Finnland, den Niederlanden oder Portugal könnte diese Obergrenze bei einer Neuauflage der Anleihenkäufe rasch erreicht werden.

Zwei mit der Situation vertrauten Personen zufolge prüfen Experten der Euro-Notenbanken derzeit Auswege. Dabei seien einige der Auffassung, dass dieses Limit umgangen werden könne, wenn den Euro-Wächtern in diesen Fällen ihr Stimmrecht entzogen werde, sagten die Insider. Dies könne über eine Klausel geschehen, die als "disenfranchisement" bekannt sei, die Anleihebesitzer, die direkt mit dem Schuldner verbunden seien, ihr Stimmrecht beschneide. Auf diese Weise könnten die EZB und die Euro-Notenbanken, die die Käufe tätigen, das Länderlimit überschreiten ohne in eventuellen Umschuldungsprozessen als Anleihebesitzer mit abstimmen zu müssen. Ein EZB-Sprecher lehnte eine Stellungnahme zu den Informationen ab.

Eine solche Deutung der "disenfranchisement"-Klausel ist den Insidern zufolge aber noch nicht innerhalb des EZB-Rates diskutiert worden. Zudem dürfte dies rechtlich und politisch umstritten sein. Ein Grund: der Wirtschafts- und Finanzausschuss der EU, der die Einführung dieser und anderer sogenannter CAC- Anleihevertragsbedingungen 2012 überwachte, hatte die Euro-Notenbanken als ein wichtiges Beispiel für Institutionen genannt, die ihre Stimmrechte behalten sollten. Dazu kommt, dass manche Notenbanken wie etwa die Bundesbank es stets grundsätzlich kritisch gesehen haben, dass die Euro-Währungshüter in großem Stil Staatsanleihen erwerben. Denn dadurch könnte aus ihrer Sicht möglicherweise die Grenze zwischen Geldpolitik und Fiskalpolitik verwischt werden. Kaufobergrenzen spielen für sie daher eine wichtige Rolle.

Notenbank-Chef Mario Draghi hatte vergangene Woche gesagt, es gebe "erheblichen Spielraum" für weitere Anleihenkäufe. Die EZB besitze Flexibilität innerhalb ihres Mandats. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gebe ihr zudem einen weitreichenden Ermessungsspielraum. Hinter der Idee, die Stimmrechte zu beschneiden, steht den Insidern zufolge die Überlegung, dass Währungshüter in Umschuldungsprozessen ohnehin nicht frei entscheiden können. Bei Abstimmungen über einen Schuldenschnitt könnten sie beispielsweise nicht dafür votieren. Denn würden sie Verluste bei ihren Anleihen akzeptieren, käme dies womöglich einer direkten Staatsfinanzierung gleich. Und das ist Notenbanken durch die EU-Verträge untersagt.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tesla Grünheide - Protesttage: Polizei schützt Autofabrik mit Großaufgebot
10.05.2024

Die Kundgebungen gegen den Autobauer Tesla in Grünheide erreichten am Freitag einen neuen Höhepunkt. Während eines...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Der Chefredakteur kommentiert: Deutsche Bahn, du tust mir leid!
10.05.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Technologie
Technologie Kein Erdgas mehr durch die Ukraine? Westeuropa droht erneute Energiekrise
10.05.2024

Eines der größten Risiken für die europäische Erdgasversorgung im nächsten Winter ist die Frage, ob Gaslieferungen weiterhin durch die...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Rekordhoch: Deutscher Leitindex springt auf Allzeithoch bei über 18.800 Punkten
10.05.2024

Der DAX hat am Freitag mit einem Sprung über die Marke von 18.800 Punkten seinen Rekordlauf fortgesetzt. Was bedeutet das für Anleger und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Streik am Bau: Gewerkschaft kündigt Proteste in Niedersachsen an
10.05.2024

Die IG Bauen Agrar Umwelt hat angekündigt, dass die Streiks am Bau am kommenden Montag (13. Mai) zunächst in Niedersachsen starten...

DWN
Politik
Politik Selenskyj drängt auf EU-Beitrittsgespräche - Entwicklungen im Ukraine-Krieg im Überblick
10.05.2024

Trotz der anhaltenden Spannungen an der Frontlinie im Ukraine-Krieg bleibt Präsident Selenskyj optimistisch und setzt auf die...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Spahn spricht sich für breite Analyse aus mit allen Blickwinkeln
10.05.2024

Im deutschen Parlament wird zunehmend eine umfassende Analyse der offiziellen Corona-Maßnahmen, einschließlich Masken und Impfnachweisen,...

DWN
Politik
Politik Pistorius in den USA: Deutschland bereit für seine Aufgaben
10.05.2024

Verteidigungsminister Boris Pistorius betont in Washington eine stärkere Rolle Deutschlands im transatlantischen Bündnis. Er sieht den...