Noch vor wenigen Wochen hatte Italiens Premier Mario Monti die Krise für beendet erklärt (hier). Allerdings stellte sich kurz danach heraus, dass er mit seiner Arbeitsmarktreform scheitern wird. Dieses Scheitern hat für die meisten kleinen und mittelständischen Unternehmen gerade in der Krise weitreichende Folgen. Deutlich mehr italienische Unternehmen sind in der vergangenen Zeit pleitegegangen (hier) und die Arbeitslosigkeit nimmt ebenfalls stetig zu.
Herzstück der geltenden italienischen Arbeitsgesetzgebung ist der Artikel 18. Unternehmen dürfen Mitarbeiter nur aus wirtschaftlichen Gründen entlassen. Aufgrund von Inkompetenz, schlechter Leistung oder, wenn ein grob fahrlässiges Verschulden vorliegt, dürfen dagegen keine Kündigungen ausgesprochen werden. Falls die Unternehmen dies dennoch tun und vor ein Arbeitsgericht gebracht werden, muss die Firma den Gekündigten wieder einstellen und den entgangenen Lohn auszahlen. Bei Unternehmen mit weniger als 15 Beschäftigten, kann die Firma zwischen einer Wiedereinstellung oder für die Zahlung einer 14-monatigen Abfindung wählen.
Darüber hinaus schützt Artikel 18 indirekt die älteren Arbeitnehmer, die bereits in einem geschützten Arbeitsverhältnis stehen, vor einem direkten Wettbewerb mit jüngeren Menschen. Letztere haben aufgrund des Artikels 18 kaum eine Möglichkeit, in ein geschütztes Arbeitsverhältnis zu gelangen. Aus Angst, sich an Mitarbeiter zu binden, vergeben die meisten Unternehmen gar keine unbefristeten, regulären Arbeitsverträge mehr. 17 Prozent der Erwerbstätigen unter 35 Jahren, mehr als in jeder anderen Altersgruppe, arbeiten unter kurzfristigen, sie nicht schützenden Verträgen. Die Arbeitslosenquote in der Altersgruppe liegt bei über 30 Prozent. Zudem müssten italienische Unternehmen mit der neuen Arbeitsmarktreform bei der Anstellung von jüngeren Menschen auch bei befristeten Verträgen höhere Sozial- und Rentenbeitrage zahlen.
Die Folge dieser Gesetzgebung: Sobald eine Krise am Horizont auftaucht, verhängen die meisten Unternehmen einen Einstellungsstopp. Innerhalb der EU macht Italien mit Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Angestellten und Kleinunternehmen den höchsten Anteil in der Privatwirtschaft aus. Und auf den für sie positiven Ausgang einer Klage vor dem Arbeitsgericht, wenn es zu einer Entlassung gekommen ist, können sich die Unternehmen nicht verlassen. Die Gerichte tendieren dazu, dem Arbeitnehmer Recht zu geben. Jeder Prozentpunkt beim Anstieg der regionalen Arbeitslosigkeit, so Andrea Ichino vom Zentrum für europäische Politikstudien, reduziere die Chance eines Arbeitgebers dieser Region, vor Gericht zu gewinnen.
Der Autohersteller Fiat hat daraus bereits weitreichende Konsequenzen gezogen. Die Produktion wurde nach Polen verlegt und Fiat droht, weitere Teile des Unternehmens nach Osteuropa oder Nordamerika zu verlagern. „Die Regeln, die gedacht waren, Arbeitsplätze zu sichern, haben uns in eine Situation geführt, in der es das härteste ist, Arbeitsplätze überhaupt zu schaffen“, sagt Sergio Marchionne, Vorstandsvorsitzender von Fiat.
So nützt die weichgespülte Arbeitsmarktreform von Mario Monti nicht den italienischen Unternehmern und Arbeitssuchenden, sondern sie besänftigt die Gewerkschaften und auf ihre Interessen bedachten Politiker. Angesichts dieser Bilanz ist es nicht völlig überraschend, dass die Finanzmärkte das Vertrauen in die italienische Wirtschaft verloren haben. Bei einer Auktion zweijähriger Anleihen am Dienstag erreichte die Rendite ihr höchstes Level seit Januar. Aber auch bei Bonds mit einer Laufzeit bis September 2019 stieg der Zinssatz von 3,06 Prozent im März auf 4,32 Prozent.