Deutschland

Die deutschen Behörden wissen alles über die Bürger

Lesezeit: 1 min
21.07.2013 00:43
Der Staat hat heute Zugriff auf fast alle Daten, die es über die Bürger gibt. Und dazu braucht er eigentlich gar keinen Geheimdienst. Denn seit dem 1. Juli benötigt auch die Polizei keine richterliche Genehmigung mehr, um sich Zugriff auf die Daten der Deutschen zu verschaffen.
Die deutschen Behörden wissen alles über die Bürger

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Durch die Prism-Affäre ist deutlich geworden, wie viele Daten der Bürger auf den Servern des US-Geheimdienstes NSA landen und dort für die Ewigkeit gespeichert werden. Doch schon die ganz legalen Möglichkeiten des deutschen Staates, an die Daten seiner Bürger zu gelangen, sind heute enorm.

Die Polizei kann in Deutschland ganz legal die persönlichen Daten der Bürger bei Unternehmen und Banken anfordern. Diese sind gesetzlich zur Herausgabe der Daten verpflichtet. Die Daten der Kunden werden bei den Unternehmen über Monate oder gar viele Jahre gespeichert. Dadurch können sie auf Anforderung der Polizei zur Verfügung gestellt werden.

Zu diesen Daten gehören etwa Passwörter für E-Mail-Konten und andere Internetdienste, aber auch der Entsperrungscode der SIM-Karte für das Handy (PUK) oder Passwörter zu sozialen Netzwerken wie Facebook oder der Geheimcode für die Bankkarte oder der Zugang zum Online-Banking.

Auch den aktuellen Standort der Bürger können die Behörden mithilfe der Handy-Provider in Erfahrung bringen. Und eine Liste der gewählten Nummern muss der Polizei auf Verlangen auch zur Verfügung gestellt werden.

Besonders lange müssen die Banken die Daten ihrer Kunden speichern. Wer heute sein Konto auflöst, dessen Kontobewegungen werden mindestens noch zehn Jahre lange gespeichert und können von den Behörden eingesehen werden.

Um an Daten der Bürger zu gelangen, war es in Deutschland lange Zeit üblich, dass die Polizei einen Richter von der Notwendigkeit überzeugen musste, derart in die Privatsphäre eines Bürgers einzugreifen. Doch immer mehr Bundesländer gehen dazu über, diese richterliche Kontrolle abzuschaffen (mehr hier).

Damit reagieren die Bundesländer auf eine Änderung des Telekommunikationsgesetzes, das am 1. Juli in Kraft getreten ist. Darin ist geregelt, dass Internet-Anbieter der Polizei die Daten ihrer Kunden schon bei Bagatell-Delikten und vor allem ohne richterliche Genehmigung aushändigen müssen.

Besonders problematisch ist die Automatisierung der Daten-Übergabe. Diese senkt die Hemmschwelle massiv und macht die staatliche Daten-Schnüffelei in Deutschland zum Alltagsgeschäft. Zudem werden die Bürger wenn überhaupt erst im Nachhinein darüber informiert, dass sie ausgespäht worden sind.

Die GEZ hat schon reichlich Gebrauch gemacht von ihrem Recht, massiv Daten der Bürger zu sammeln und zu speichern, um Gebührenpflichtige zu identifizieren. Dafür erhielt sie bereits im Jahre 2003 den BigBrotherAward. Auch nach der Einführung der Haushaltsabgabe 2013 geht die Daten-Sammelwut bei der GEZ weiter (mehr hier).

Bundeskanzlerin Merkel sagte am Freitag, Deutschland sei kein Überwachungsstaat (hier). Doch die ganz legalen Möglichkeiten der Behörden, sich Informationen über die Deutschen zu verschaffen, sind gewaltig. Und diese Möglichkeiten nehmen immer mehr zu. Dazu braucht Deutschland kein NSA.


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik Neue EU-Kommission: Nach heftigen Streit auf „umstrittenes“ Personal geeinigt
21.11.2024

Nach erbittertem Streit haben sich die Fraktionen im EU-Parlament auf die künftige Besetzung der Europäischen Kommission geeinigt. Warum...

DWN
Panorama
Panorama Merkel-Buch „Freiheit“: Wie die Ex-Kanzlerin ihre politischen Memoiren schönschreibt
21.11.2024

Biden geht, Trump kommt! Wer auf Scholz folgt, ist zwar noch unklar. Dafür steht das Polit-Comeback des Jahres auf der Tagesordnung: Ab...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Prognose: Kryptowährung mit neuem Rekordhoch - geht es jetzt Richtung 100.000 US-Dollar?
21.11.2024

Neues Bitcoin-Rekordhoch am Mittwoch - und am Donnerstag legt die wichtigste Kryptowährung direkt nach. Seit dem Sieg von Donald Trump bei...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Wirecard-Zivilprozess: Ein Musterkläger für 8500 Aktionäre - Kommt eine Entschädigung für Aktionäre?
21.11.2024

Holen sich Wirecard-Aktionäre jetzt eine Milliarden-Entschädigung von EY? Viereinhalb Jahre nach der Wirecard-Pleite geht es vor dem...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Ifo-Umfrage: Industrie bewertet Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit miserabel
21.11.2024

Seit 1994 hat die Industrie ihre Lage nicht mehr so schlecht eingeschätzt, sagt das ifo Institut. Im EU-Vergleich stehen deutsche...

DWN
Panorama
Panorama Finnland startet Ermittlungen zum Kabelschaden in der Ostsee
21.11.2024

Nachdem die schwedischen Behörden bereits tätig wurden, hat nun auch die finnische Kriminalpolizei Ermittlungen zu einem Kabelschaden in...

DWN
Politik
Politik Solidaritätszuschlag: Kippt das Bundesverfassungsgericht die „Reichensteuer“? Unternehmen könnten Milliarden sparen!
21.11.2024

Den umstrittenen Solidaritätszuschlag müssen seit 2021 immer noch Besserverdiener und Unternehmen zahlen. Ob das verfassungswidrig ist,...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Nach vier Jahren: Castor-Transport erreicht Deutschland
20.11.2024

Nach vier Jahren hat erstmals wieder ein Castor-Transport mit hochradioaktiven Abfällen aus dem Ausland Deutschland durchquert. Der Zug,...