Wirtschaft

Amazons Geheimwaffe aus Israel: Wie ein unbekanntes Start-up den KI-Krieg entscheidet

Ein unbekanntes Start-up aus Israel liefert den Treibstoff für Amazons KI-Vormarsch. Mit Annapurna Labs sichert sich der Tech-Gigant die Kontrolle über seine Chip-Infrastruktur – und rüstet sich für den Machtkampf in der Cloud.
20.05.2025 18:00
Aktualisiert: 20.05.2025 19:00
Lesezeit: 2 min
Amazons Geheimwaffe aus Israel: Wie ein unbekanntes Start-up den KI-Krieg entscheidet
AWS ist inzwischen das Rückgrat von Amazons Geschäft. (Foto: dpa | Julian Stratenschulte) Foto: Julian Stratenschulte

AWS: Milliardenumsätze dank technologischem Vorsprung

Als Amazon Anfang 2015 das kaum bekannte Chip-Start-up Annapurna Labs übernahm, war der Deal mit rund 350 Millionen US-Dollar kaum mehr als eine Randnotiz. Heute gilt er als einer der strategisch klügsten Zukäufe in der jüngeren Technologiegeschichte – und als Grundpfeiler von Amazons wachsender Dominanz im Cloud- und KI-Geschäft.

Damals leitete Andy Jassy, heutiger CEO und Nachfolger von Amazon-Gründer Jeff Bezos, den Geschäftsbereich Amazon Web Services (AWS) – und genau in dieser Rolle trieb er die Übernahme voran.

„Wenn man heute auf die Entwicklung von AWS zurückblickt, war der Kauf von Annapurna ein entscheidender Meilenstein“, sagte Jassy gegenüber dem Wall Street Journal.

AWS ist inzwischen das Rückgrat von Amazons Geschäft. Laut Daten der Marktforscher von Synergy Research kontrolliert AWS heute rund 29 Prozent des globalen Cloud-Marktes – deutlich mehr als Microsoft Azure (22 Prozent) und Google Cloud (12 Prozent). Im vergangenen Quartal erzielte AWS 29,27 Milliarden US-Dollar Umsatz – ein Plus von 17 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 2023 überstieg der Bereich erstmals die Marke von 100 Milliarden Jahresumsatz und steuerte über die Hälfte des Amazon-Gesamtgewinns bei.

Annapurna Labs wurde 2011 in Israel gegründet – benannt nach einem der höchsten Berge Nepals – und war vor der Übernahme im Besitz des israelischen Tech-Unternehmers Avigdor Willenz, der britischen Chip-Architekturschmiede ARM und der Risikokapitalgesellschaft Walden International.

Amazon baut seine Chips selbst – für maximale Kontrolle

Mit der Übernahme von Annapurna verfolgte Amazon ein klares Ziel: Die Abhängigkeit von externen Halbleiterherstellern wie Intel und Nvidia sollte reduziert werden. Stattdessen wollte man Chips entwickeln, die exakt auf die Anforderungen der eigenen Rechenzentren zugeschnitten sind – ein entscheidender Wettbewerbsvorteil im Cloudgeschäft.

Annapurna selbst war so geheimniskrämerisch, dass die Firma lange nicht einmal eine funktionierende Website hatte. Doch ihre Integration in AWS veränderte Amazon grundlegend – und wurde spätestens mit dem Hype um generative Künstliche Intelligenz zu einem Schlüssel für künftiges Wachstum.

Künstliche Intelligenz als Jahrhundertchance

Amazon investiert massiv in KI-Infrastruktur. Für 2025 plant der Konzern Investitionen von 100 Milliarden US-Dollar – ein Großteil davon fließt in Rechenzentren und KI-Chips. CEO Jassy nannte das Thema in einem Investoren-Call im Januar eine „Jahrhundertchance“.

Denn generative KI – von Chatbots bis Bildgeneratoren – braucht enorme Rechenleistung. Diese entsteht in riesigen Serverparks, in denen spezialisierte Prozessoren neuronale Netze trainieren und am Laufen halten. Genau dort kommt Annapurna ins Spiel.

Von der Vision zur strategischen Machtzentrale

Die Idee, eigene Chips zu bauen, stammt von James Hamilton, einem langjährigen Amazon-Ingenieur mit dem Titel „Distinguished Engineer“. 2013 überzeugte er Jassy und Bezos davon, dass Amazon in die Chipentwicklung einsteigen sollte – trotz der Skepsis im Unternehmen.

„Chips zu entwickeln, ist nichts für Zögerliche“, erinnert sich Jassy. Schnell war klar: Für diese Aufgabe braucht Amazon einen starken Partner – und entschied sich nach ersten Treffen für Annapurna.

Hamilton zufolge passte Annapurna perfekt zur Amazon-Kultur: „Sie wissen, dass Monate zählen, Wochen wichtig sind – und Tage entscheidend sein können.“ Gleichzeitig sei klar gewesen, dass bei Hardware die Start-up-Maxime „schnell scheitern“ nicht funktioniere: „Ein Softwarefehler ist in Tagen behoben – ein Hardwarefehler kostet ein Jahr.“

Trainium, Graviton, Titanium – Amazon greift nach der Chip-Krone

Heute ist das Flaggschiff von Annapurna der KI-Trainingschip „Trainium“, der im neuen Supercomputer-Projekt „Rainier“ verbaut wird – ein Hochleistungsrechner, der künftig vom KI-Start-up Anthropic genutzt werden soll.

Weitere Chips aus Annapurnas Werkstatt sind die Modelle „Graviton“ und „Titanium“, die in Amazons Rechenzentren laufen. Graviton-Prozessoren finden zunehmend auch in Standard-Servern Anwendung. Daneben bezieht Amazon weiterhin Chips von Nvidia – dem Quasimonopolisten für KI-Prozessoren – und Intel.

Fazit: Amazon sichert seine technologische Souveränität

Was einst wie ein Nischeninvestment aussah, hat sich zu einem strategischen Eckpfeiler entwickelt: Annapurna Labs ermöglicht Amazon die technologische Unabhängigkeit, die im globalen Wettrennen um Daten, KI und Cloud entscheidend ist. In Zeiten, in denen digitale Infrastruktur zur geopolitischen Machtfrage wird, hat Amazon mit Annapurna früh die richtigen Weichen gestellt.

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