Deutschland

Merkel: Vertrauen in den Rechtsstaat ist gefährdet

In der Edathy-Affäre erhöht Angela Merkel den Druck auf die SPD: Mit einer ungewöhnlich deutlichen Warnung vor der Aushöhlung des Rechtsstaats verlangt Merkel Aufklärung. Es geht um die Frage, ob jemand aus der SPD Sebastian Edathy gewarnt und sich damit der Strafvereitelung schuldig gemacht hat.
18.02.2014 14:17
Lesezeit: 3 min

In der Edathy-Affäre hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor einem Krisentreffen der Parteichefs der großen Koalition eine umfassende Aufklärung angemahnt. Das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat und in die Abläufe des Regierungsbündnisses müssten wieder hergestellt werden, forderte sie am Dienstag in Berlin. Dies rechtfertige auch den Rücktritt von Agrarminister Hans-Peter Friedrich (CSU) in der vergangenen Woche. Die Union machte klar, dass sie SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann in der Pflicht sieht, im Bundestags-Innenausschuss alle offenen Fragen zu beantworten. Von Kinderschützern wird außerdem der Ruf nach schärferen Gesetzen gegen Kinderpornografie immer lauter.

Merkel wollte sich am Abend mit SPD-Chef Sigmar Gabriel und CSU-Chef Host Seehofer zu einem Sechs-Augen-Gespräch treffen, um die Folgen der Affäre für die Koalition zu besprechen. Die Enthüllungen der Ermittlungen gegen den Ex-SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy wegen Kinderpornografie-Verdachts hatten das noch junge Regierungsbündnis in seine erste Krise gestürzt.

"Es geht darum, alle offenen Frage so zu klären, dass das Vertrauen wiederhergestellt wird", sagte Merkel. Als Ort dafür nannte sie den Bundestag. Die Koalitionspartner hätten die Verpflichtung, "den Rechtstaat so zu leben, dass die Menschen den Eindruck von Transparenz haben und dass sie (...) Vertrauen in unsere Abläufe haben". Friedrich habe Verantwortung dafür übernommen, dass Vertrauen zerstört worden sein könnte. Dass sie den Rücktritt des Ex-Innenministers angenommen habe, sei auch aus heutiger Sicht "richtig und absolut notwendig".

Hans Peter Friedrich sagte im ZDF-Morgenmagazin, dass er die Information über die Verstrickung von Edathy an den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel nicht mit der Erwartung weitergegeben habe, "dass irgendjemand dem Herrn Edathy sagt lass mal deine Festplatten verschwinden". Eine Nachfrage zu genau diesem entscheidenden Punkt unterließ das ZDF (zur seltsamen Berichterstattung der Öffentlich-Rechtlichen - hier).

Der damalige Innenminister Friedrich hatte Gabriel am Rande der Koalitionsverhandlungen im Oktober darüber informiert, dass Edathys Name im Kontext mit internationalen Ermittlungen auftauche. Damals ging es auch um zentrale Posten in Regierung und Fraktion. Oppermann hatte nach Anfragen von Medien die Information durch Friedrich öffentlich gemacht, was ihm von der Union heute als Vertrauensbruch ausgelegt wird. Oppermann gab an, er habe Friedrich vorab informiert. Merkel sagte, sie sei von Gabriel im Vorfeld nicht im Detail über die Öffentlichkeitsarbeit der SPD in Kenntnis gesetzt worden.

Oppermann hatte sich auch bei BKA-Chef Jörg Ziercke wegen Edathy erkundigt, von dem Beamten aber nach dessen Darstellung keine Auskunft erhalten. Dies wird Oppermann als Anstiftung zum Geheimnisverrat ausgelegt. "Es ist nun die Angelegenheit der SPD, alle offenen Fragen und Widersprüche aufzuklären", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Michael Grosse-Brömer: "Es ist Bringschuld der SPD und nicht Holschuld der CDU." Neben Oppermann wird auch Ziercke dem Innenausschuss Auskunft geben, ebenso Oppermanns Nachfolgerin als Parlamentarische Geschäftsführerin, Christine Lambrecht.

Grosse-Brömer zeigte sich auch offen für Forderungen der Opposition nach einem Bundestags-Untersuchungsausschuss. Gabriel hatte Friedrichs Verhalten gelobt, sich aber auch hinter Oppermann gestellt, der sich richtig verhalten habe.

Edathy streitet ab, sich illegales Material verschafft zu haben und geht rechtlich gegen die Ermittler vor. Ins Rollen gekommen war die Affäre nach Hausdurchsuchungen bei Edathy. Der ehemalige niedersächsische Innenminister Heiner Bartling sagte im NDR, Edathy habe einen Tipp-Geber gehabt. Edathy selbst habe ihm darüber berichtet. Der Informant habe demnach sinngemäß erklärt: "Da läuft etwas gegen dich, was zu einem Ermittlungsverfahren führen kann." Konkreter sei der Hinweisgeber nicht geworden, sagte der SPD-Politiker Bartling. Er habe den Eindruck aus dem Gespräch mit Edathy gewonnen, dass es sich nicht um einen Hinweisgeber aus der Politik handelte.

SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel sieht das Klima in der Koalition wegen der Edathy-Affäre nicht nachhaltig beschädigt. Es sei lediglich belastet, sagte er im ZDF: "Wir haben genügend Themen in dieser großen Koalition." Zugleich schloss er aus, dass die SPD der Union wegen der Affäre und des Rücktritts von Friedrich bei Sachthemen entgegenkommen werde: "Es geht hier nicht um alttestamentarisches Auge um Auge, Zahn um Zahn."

Bundesjustizminister Heiko Maas prüft nun eine Gesetzesverschärfung, um den Handel mit Bildern nackter Kinder zu unterbinden. "Wir wollen klären, wie wir das gewerbsmäßige Handeln mit Nacktbildern von Kindern oder Jugendlichen unter Strafe stellen können", erklärte der SPD-Politiker. Niemand dürfe mit dem Körper Heranwachsender Geschäfte machen. Parallel dazu will das Bundesjustizministerium noch vor Ostern einen Gesetzentwurf auf den Weg bringen, der die EU-Richtlinie zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung umsetzt. Dabei geht es vor allem um eine Anpassung des Strafrechts an das digitale Zeitalter: Wo bisher lediglich die Rede von Schriften war, soll künftig auch die moderne Informations- und Kommunikationstechnologie erwähnt werden.

Der Deutsche Kinderschutzbund hatte zuvor dafür plädiert, den Kauf und Verkauf von Fotos mit nackten Kindern generell unter Strafe zu stellen.

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