Politik

Trotz Wirtschaftswachstum: Kaufkraft der Türken ist drittklassig

Die Kaufkraft der Türken liegt im europäischen Vergleich im Tabellenkeller. Sie beträgt nicht mal zwei Drittel des EU-Durchschnitts. Das wird auf lange Sicht dramatische Folgen für die türkische Binnenkonjunktur haben.
17.03.2014 00:06
Lesezeit: 2 min

Das Türkische Institut für Statistik (Turkstat) bietet ein ernüchterndes Bild der Kaufkraft in der Türkei. Bis zu einer Kaufkraft auf zumindest südeuropäischem Niveau ist es noch ein weiter Weg: Der türkische Preis-Niveau-Index für den gegenwärtigen individuellen Konsum betrug 2012 nur 59 Prozent des europäischen Durchschnitts.

Dies bestätigt eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Verglichen wurden sämtliche EU-Staaten plus die EFTA-Staaten Schweiz, Norwegen und Island, die Beitrittskandidaten Türkei, Mazedonien, Montenegro und Serbien sowie die beiden potentiellen Beitrittskandidaten Albanien und Bosnien-Herzegowina.

Unterboten wird die Kaufkraft der Türkei nur von neun von 37 Ländern: Mazedonien (41 Prozent des europäischen Durchschnitts), Albanien (43 Prozent), Bulgarien (43 Prozent), Serbien (46 Prozent), Rumänien (49 Prozent), Bosnien-Herzegowina (50 Prozent), Montenegro (50 Prozent), Polen (53 Prozent) und Ungarn (55 Prozent). Unter den Staaten mit geringerer Kaufkraft befinden sich also immerhin zwei wirtschaftlich erfolgreiche EU-Staaten (Polen und Ungarn) sowie zwei EU-Neulinge und „europäische Tiger-Staaten“ mit hohem Wirtschaftswachstum auf geringem Niveau (Rumänien und Bulgarien).

 Auffällig ist, dass das Pro-Kopf-BIP Polens und Ungarns ihren Kaufkraft-Index übersteigt (67 Prozent Anteil BIP ggü. 53 Prozent KKP bzw. 67 Prozent ggü. 55 Prozent), während es im Falle der Türkei genau andersherum ist (54 Prozent Anteil BIP ggü. 59 Prozent). Dies lässt den Schluss zu, dass die türkischen Konsumenten im Gegensatz zu ihren polnischen und ungarischen Pendants über ihre Verhältnisse leben.

Der türkische Trend einer dem BIP davon galoppierenden Kaufkraft hält der OECD-Studie zufolge bereits seit zehn Jahren an. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass er in den nächsten Jahren gebremst wird. Für die ohnehin schon zu hohe private Verschuldung in der Türkei ist das eine schlechte Nachricht.

Denn konsumiert eine Volkswirtschaft mehr als sie produziert, erhöht sich zwangsläufig die Auslandsverschuldung. Schließlich muss die Lücke zwischen konsumierten und produzierten Gütern durch Import geschlossen werden.

Dies wiederum führt zu einem Anstieg entweder des staatlichen oder des privaten Schuldenstandes. Im Falle der Türkei insbesondere von letzterer, da dieser schneller steigt als die Staatsverschuldung.

Dies stellt die zentrale Gefahr für den türkischen Wirtschaftsaufschwung dar. Setzt sich die Entwicklung fort, ist die Verschuldung der Konsumenten auf absehbare Zeit so groß, dass die Kaufkraft auch im Vergleich zum ohnehin schon niedrigem Niveau einbricht. Der Rückgang der Binnenkonjunktur würde die seit Jahren anhaltende ökonomische Prosperität der Türkei zu einem schnellen Ende führen.

Nach Angaben einer Studie der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) gibt es innerhalb der Türkei große regionale Unterschiede. Besonders niedrig ist die Kaufkraft in Ostanatolien, während sie in Zentralanatolien, der Schwarzmeer- und der Marmararegion immerhin auf dem Niveau Tschechiens, der Slowakei, Portugals und Griechenlands liegt.

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmen
Unternehmen SAP-Stellenabbau: Europas führender Softwarekonzern SAP weiter auf Sparkus
23.07.2025

Der SAP-Stellenabbau ist noch nicht abgeschlossen, der Sparkurs des Softwarekonzerns geht weiter. Neue Technologien wie KI verändern die...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Tech-Aktien: Magnificient Seven müssen in der Bilanzsaison liefern – KI-Investitionen unter Druck
23.07.2025

Tech-Aktien boomen – doch jetzt müssen die Giganten liefern. Die Bilanzen von Alphabet, Amazon und Co. entscheiden über das Schicksal...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Bitcoin-Plan: Stürzt er Amerikas Rente ins Krypto-Casino?
23.07.2025

Donald Trump öffnet dem Krypto-Sektor die Tore zu Amerikas milliardenschweren Rentenfonds – und stellt damit die Finanzwelt auf den...

DWN
Finanzen
Finanzen Geldautomaten in Deutschland: Anzahl fällt unter 50.000 – Zugang zu Bargeld schwieriger
23.07.2025

Geld abheben wird vielerorts komplizierter: In Deutschland nimmt die Zahl der Geldautomaten stetig ab. Gleichzeitig steigen Kartenzahlungen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft US-Zolldeal mit Japan: Trump präsentiert neues Handelsabkommen mit Japan
23.07.2025

Die USA und Japan haben sich auf einen Zollkompromiss geeinigt – mit weitreichenden Folgen für Handel, Investitionen und Industrie. Doch...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tesla-Aktie: Bringt das Robotertaxi die Wende beim US-Autobauer?
23.07.2025

Teslas Umsatz schrumpft, die Börse straft die Tesla-Aktie ab – und Elon Musk setzt alles auf ein riskantes Projekt: das Robotertaxi. Wie...

DWN
Unternehmen
Unternehmen BPM-Übernahme: Unicredit stoppt Kauf von Konkurrentin – Fokus auf Gewinn und Commerzbank
23.07.2025

Die geplatzte BPM-Übernahme sorgt für Aufsehen: Unicredit gibt überraschend auf, hebt aber zugleich die Prognosen an. Anleger, Analysten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Das Ende der Leistung? Warum Erben in Deutschland zur Systemfrage wird
23.07.2025

Jahr für Jahr werden in Deutschland dreistellige Milliardenbeträge vererbt, meist steuerbegünstigt und ohne Pflichtteil. Doch was als...