Die ukrainische Regierung verliert die Kontrolle über den Osten des Landes. In Donezk trat der Polizeichef zurück und gab damit dem Druck der pro-russischen Demonstranten nach, die mehrere Verwaltungsgebäude in der Industriemetropole besetzt hielten. Über dem Polizeipräsidium wehte die Flagge der Moskau-treuen Kräfte. In Slawjansk stürmten Bewaffnete in Kampfanzügen das Polizeipräsidium und die Zentrale des Geheimdienstes. Über dem Polizeigebäude wurde die russische Fahne gehisst.
Der ukrainische Übergangspräsident Alexander Turtschinow hat den Nationalen Sicherheitsrat für eine Krisensitzung zur Lage im Osten der Ukraine zusammengerufen. Das Treffen werde noch am Samstagabend abgehalten, teilte eine Sprecherin Turtschinows mit. Der ukrainische Außenminister Andrij Deschtschizja forderte Russland in einem Telefonat mit seinem Kollegen Sergej Lawrow auf, Provokationen zu unterlassen. Die Polizei stehe zum Einsatz bereit, wenn Verhandlungen mit den Demonstranten scheiterten, sagte er dem britischen Sender BBC. Die Ukraine sieht von Russland gesteuerte Provokateure hinter den Besetzungen.
In Slawjansk brachten rund 20 mit Pistolen und Gewehren bewaffnete Männer Polizeiangaben zufolge rund 400 Handfeuerwaffen und automatische Gewehre in ihre Gewalt und verteilten diese an ihre Anhänger. Vor dem Präsidium versammelten sich Hunderte Einwohner der Stadt. Einige von ihnen bauten Barrikaden aus Autoreifen. Innenminister Arsen Awakow kündigte eine harte Reaktion des Staates an. Es gebe einen Unterschied zwischen Demonstranten und Terroristen, erklärte Awakow auf Facebook.
Pro-russische Demonstranten halten in mehreren ostukrainischen Städten Regierungsgebäude besetzt. Sie fordern ein Referendum über eine Abspaltung der Region, in der viele russisch-stämmige Bürger leben. Die Regierung in Kiew hatte den Demonstranten ein Ultimatum bis Freitag gesetzt, die Besetzungen zu beenden, ohne dass sich etwas änderte. Als Reaktion auf die separatistischen Bestrebungen schlug Ministerpräsident Arseni Jazenjuk vor, den Regionen im Osten mehr Eigenständigkeit zu geben.
Die Besetzungen schüren Sorgen, dass die Regierung in Moskau nach der ukrainischen Halbinsel Krim auch andere Landesteile in die russische Förderation eingliedern könnte. Russland hat nach Nato-Angaben inzwischen 40.000 Soldaten an der Grenze zusammengezogen. Lawrow hatte am Freitag allerdings erklärt, sein Land wolle, dass die Ukraine innerhalb ihrer Grenzen als Ganzes erhalten bleibe. Die Eingliederung weiterer Landesteile der Ukraine sei nicht im Interesse Russlands.