Den Banken in Deutschland drohen milliardenschwere Rückforderungen von Kunden. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied in einem Grundsatzurteil am Dienstag, dass die von vielen Instituten verlangten Bearbeitungsgebühren für Verbraucherkredite unzulässig sind. Ein solches pauschales Entgelt zusätzlich zu den Zinsen benachteilige die Kunden unangemessen. Die Karlsruher Richter erklärten die Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Postbank und der Essener National-Bank deshalb für ungültig. Das Urteil dürfte Signalwirkung für viele ähnliche Fälle haben. Tausende Kunden können nun solche Gebühren für Ratenkredite etwa zur Finanzierung von Autos oder Fernsehern zurückfordern.
Bis zu 7000 Klagen sind nach Angaben von Anwälten anhängig. Verbraucherschützer sehen darin nur die Spitze eines Eisbergs. Denn viele Banken hätten ihre Kunden mit Verweis auf die noch ausstehende Entscheidung aus Karlsruhe vertröstet, sagte der Bankenreferent des Verbraucherzentrale Bundesverbandes, Frank-Christian Pauli, der Nachrichtenagentur Reuters. Nur in 5,5 Prozent der Fälle hätten Banken ihren Kunden bislang die Gebühren zurückerstattet. Nach einer Stichprobe des Verbandes gehe es im Schnitt um 383 Euro, die die Bankkunden zu viel gezahlt hätten. „Gemessen an der geschätzten Zahl der vergebenen Ratenkredite könnte das in die Milliarden gehen“, sagte Pauli.
Der Anspruch auf Rückforderung der Gebühren verjährt zwar nach drei Jahren. Wann diese Frist aber genau zu laufen beginnt, ist umstritten. Der Vorsitzende Richter Ulrich Wiechers sagte, darüber werde der Bundesgerichtshof demnächst „in einem zweiten Durchgang entscheiden“. Der BGH erklärte, die Banken müssten ihre Kosten für die Kreditbearbeitung und -auszahlung allein durch den Zins decken.
Doch viele Geldhäuser, darunter auch Spezialinstitute, berechnen bei der Vergabe eines Verbraucherkredits zusätzlich eine einmalige Bearbeitungsgebühr zwischen ein bis drei Prozent der Kreditsumme. Sie begründen das mit dem Aufwand für die Beratung des Kunden und die Prüfung der Bonität. Das aber liege im eigenen Interesse der Bank, betonte Wiechers. Zur Prüfung der Kreditwürdigkeit sei sie sogar gesetzlich verpflichtet. „Den Banken ist es völlig unbenommen, die Bearbeitungskosten in den Zins einzupreisen“, sagte Wiechers.
Mit der Bearbeitungsgebühr hatten zahlreiche Banken den Zins niedrig gehalten. Die in der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) zusammengeschlossenen Bankenverbände verwiesen aber darauf, dass die Gebühren im effektiven Jahreszins enthalten seien, den die Geldhäuser offen ausweisen müssen. Damit seien den Kunden die Gesamtkosten des Kredits schon vorab „offen vor Augen geführt worden“. Der Bankenfachverband, der viele Konsumfinanzierer vertritt, erwartet nur geringe Folgen für die Institute. „In der Praxis nehmen die Kreditbanken schon jetzt keine Bearbeitungsgebühren mehr“, sagte Verbands-Geschäftsführer Peter Wacket. Grund sei der starke Wettbewerb. Die Postbank etwa hat die Gebühr vor gut einem Jahr abgeschafft, wie ein Sprecher sagte.
Kläger-Anwalt Norbert Gross sagte in der Verhandlung, die Kreditinstitute hätten mit der Gebühr eine „Goldquelle“ und ein „uferloses Instrumentarium“ entwickelt, um Kunden Geld abzuknöpfen. „Das Urteil war überfällig“, sagt Verbraucherschützer Pauli. Die Banken hätten ein Grundsatzurteil durch Verfahrenstricks lange vermieden. Eigentlich wollte der BGH schon im September 2012 über die Zulässigkeit der Gebühr entscheiden. Doch damals hatte die Sparkasse Chemnitz ihre Revision wenige Tage vor der Verhandlung zurückgenommen.
In den beiden vom BGH entschiedenen Fällen bekommen die Kläger nun ihre Bearbeitungsgebühren zurück. Die Postbank hatte für einen Netto-Kredit über 40.000 Euro ein Bearbeitungsentgelt von 1200 Euro verlangt, drei Prozent der Kreditsumme. Bei der National-Bank waren es 100 Euro für einen Kredit über 10.000 Euro. Die Revisionen der beiden Banken wies der BGH zurück (Az.: XI ZR 170/13 und XI ZR 405/12). Wiechers sagte, beim BGH sei inzwischen „eine Welle, ja ein Tsunami an zugelassenen Revisionen aufgeschlagen“.