Trotz wachsender Wertschätzung für den Standort Deutschland wollen mehr Unternehmen Teile ihre Geschäfte ins Ausland verlagern. Der Anteil der Firmen mit solchen Plänen habe sich in diesem Jahr von elf auf 20 Prozent erhöht, teilte die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young) am Dienstag mit. Gleichzeitig planen weniger ausländische Unternehmen, sich in Deutschland neu anzusiedeln oder zusätzliche Geschäftsbereiche hierher zu verlagern: Ihr Anteil sinkt von 36 auf 27 Prozent.
EY sieht daran zwar kein Misstrauensvotum gegen Deutschland, aber ein Warnsignal. „Deutschland ist vollständig in die globalisierte Wirtschaft integriert - das Abspalten oder Outsourcen von Geschäftsbereichen und die Verlagerung in kostengünstigere Regionen sind da an der Tagesordnung und Teil der ständigen Bemühungen um Effizienzsteigerung“, sagte EY-Experte Peter Englisch. „Von einer breiten Abwanderungswelle ist zumindest aktuell nichts zu spüren.“ Deutschland müsse aber den Reformkurs beibehalten und dürfe seine Wettbewerbsfähigkeit nicht durch Wahlgeschenke wie die Rente mit 63 gefährden.
Gleichzeitig steht Deutschland bei Investoren immer höher im Kurs. In der Standort-Rangliste verbesserte sich die Bundesrepublik in diesem Jahr vom sechsten auf den vierten Platz, Nummer eins ist China, gefolgt von den USA und Russland. Die Befragung der Manager von 808 internationalen Unternehmen - auf der das Ranking fußt - wurde vor der Ukraine-Krise und der anschließenden Kapitalflucht aus Russland durchgeführt.
18 Prozent der Manager nannten demnach Deutschland als einen der Top-Standorte weltweit. 2013 waren es 14 Prozent, 2009 nur zehn Prozent. „Kein anderes Land der Welt konnte einen stärkeren Zugewinn an Attraktivität verbuchen“, hieß es. „Deutschland ist heute eindeutig die robusteste und wettbewerbsfähigste unter den großen Volkswirtschaften Europas“, sagte EY-Experte Englisch. Knapp die Hälfte der Befragten prognostiziert, dass die Attraktivität noch steigen wird. Besonders geschätzt von ausländischen Investoren wird das ebenso stabile wie transparente politische und rechtliche Umfeld, die Infrastruktur und qualifizierte Arbeitskräfte.
Die Zahl ausländischer Investitionsprojekte in Deutschland stieg der Studie zufolge 2013 um zwölf Prozent auf den Rekordwert von 701. Das ist Platz zwei in Europa hinter Großbritannien (799 Projekte). „Während Großbritannien von US-Investoren bevorzugt wird, entscheiden sich Unternehmen aus den übrigen Weltregionen vorrangig für Deutschland“, erklärte EY.