Angesichts der Zuspitzung der Krise in der Ostukraine nach dem mutmaßlichen Abschuss eines Verkehrsflugzeuges hat es intensive internationale Abstimmungen auf höchster Ebene gegeben. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe sowohl mit Russlands Präsident Wladimir Putin, dessen ukrainischen Amtskollegen Petro Poroschenko, dem australischen Premierminister Tony Abbott als auch ihren EU-Kollegen Francois Hollande (Frankreich), David Cameron (Großbritannien), Mark Rutte (Niederlande) und Alexander Stubb (Finnland) telefoniert, teilte ein Regierungssprecher am Sonntagabend in Berlin mit.
Das Ergebnis ist ein Ultimatum an Russlands Präsident Wladimir Putin: Die Russen müssten sofort sicherstellen, dass internationale Beobachter Zugang zu der Unglücksstelle erhalten. Sonst werde die nächste Stufe der Sanktionen gegen Russland gezündet.
Thema aller Gespräche sei die unerträgliche Situation nach dem Absturz der Passagiermaschine der Malaysia Airlines im Osten der Ukraine, insbesondere der katastrophale Umgang der Separatisten mit den Opfern gewesen. Alle Gesprächspartner seien sich einig, dass rasch ein ungehinderter Zugang für eine internationale, unabhängige Kommission zur Absturzstelle sichergestellt werden müsse.
Der britische Außenminister Philip Hammond sagte, Russland befinde sich auf dem Weg, "zu einem Aussätzigen (pariah) der internationalen Staatengemeinschaft zu werden.
Merkel soll Putin zum wiederholten Male gedrängt haben, seinen Einfluss bei den Rebellen geltend zu machen, damit so schnell wie möglich ein direktes Treffen der Kontaktgruppe - bestehend aus Vertretern der Ukraine, Russlands und der OSZE - mit den Separatisten zustande komme. Nach Angaben aus französischen Quellen hatte es zuvor geheißen, man werde Russland sehr energisch zu einer Aufklärung des Absturzes auffordern. Andernfalls, so EU-Diplomaten, werde das Vorgehen gegen Russland verschärft. Die EU und die USA hatten erst in der vergangenen Woche die Sanktionen gegen Russland verschärft. Sie werfen Putin vor, sich nicht entschieden genug bei den prorussischen Separatisten für eine Deeskalation einzusetzen
In Kiew sagte ein Sprecher des nationalen Sicherheitsrates am Sonntag, dass die Separatisten würden Wrackteile und Leichen vom Absturzort entfernen. Er kritisierte, dass damit den Ermittlern wichtige Informationen über die Absturzursache vorenthalten würden.
Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk sagte am Sonntag der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, bei der Bedienung des Raketensystems sei „sehr professionelles Personal nötig, um Ziele zu finden und die Rakete abzufeuern“. Es sei bekannt, „dass diese Systeme nicht von betrunkenen Gorillas bedient werden können“. Möglicherweise seien diese Leute aus Russland gekommen.
Außenminister John Kerry sagte in einem CNN-Interview am Sonntag: „Die Beweise zeigten klar auf die Separatisten.“ Die Rebellen hätten eine SA-11-Rakete verwendet, die aus Russland geliefert worden sei. Die Russen unterstützten die Rebellen, sicherten ihren Nachschub und trainierten die Rebellen.
Diese These hatte sich schon am Freitag abgezeichnet: Die Amerikaner hatten verlauten lassen, dass sie Beweise hätten, dass die Russen hinter dem Abschuss stecken (mehr dazu hier).
Sollte sich herausstellen, dass die Rebellen das Flugzeug mit 298 Menschen an Bord abgeschossen hätten, wäre dies ein direktes Resultat der Destabilisierung der Ukraine durch Russland, schrieb Premier David Cameron in einem Gastbeitrag der britischen Zeitung „The Sunday Times“. „Es ist an der Zeit, unsere Macht, unseren Einfluss und unsere Mittel in die Waagschale zu werfen“, erklärte Cameron am Sonntag.
„Wir erwarten, dass jetzt alles getan wird, um den Vorfall schnellstmöglich aufzuklären. Die Separatisten müssen den Rettungs- und Sicherheitskräften unverzüglich Zugang zu der Absturzstelle gewähren. Und wir brauchen rasch eine unabhängige internationale Untersuchung, die unverzüglich den Ursachen dieser schrecklichen Katastrophe nachgeht.“, sagte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Freitag bei einem Besuch in Mexiko.
CSU-Chef Horst Seehofer hat sich für schärfere Sanktionen gegen Russland ausgesprochen. Es sei richtig gewesen, dass die EU in der Ukraine-Krise nicht mit den schärfsten Maßnahmen begonnen habe, sagte der bayerische Ministerpräsident am Sonntag im ARD-Sommerinterview für die Sendung "Bericht aus Berlin".
Premier David Cameron, Präsident Francois Hollande und Kanzlerin Angela Merkel telefonierten am Sonntag. Sie drohen Russland mit verschärften Sanktionen. Wladimir Putin müsse seine Unterstützung für die Separatisten aufgeben. Diese würden internationale Ermittler daran hindern, die Absturzstelle der MH-17 zu untersuchen.
Kurz nach dem Abschuss der Passagiermaschine sagte Kanzlerin Angela Merkel: „Es geht jetzt darum, dass schnellstmöglich eine unabhängige Untersuchung eingeleitet wird (...) Dazu ist ein Waffenstillstand notwendig.“
Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte am Samstag, dass alle Beweise im Fall des abgestürzten Flugzeugs den internationalen Ermittlern zugänglich gemacht werden müssen. Darüber hinaus forderten sie eine transparente Untersuchung der Absturzursache des malaysischen Passagierjets.
„Wir verweisen alle Schuld an die Regierung in Kiew“, sagte der russische UN-Botschafter Vitali Tschurkin Sonntag.
Der Rebellenvertreter Sergej Kawtaradse sagte der Nachrichtenagentur Reuters am Sonntag, dass er nicht wisse, warum sich die Ankunft der Experten verzögert habe, die die Absturzstelle untersuchen sollen. „Vom ersten Tag an seit der Katastrophe haben wir alle Experten begrüßt, ukrainische Experten, internationale Experten, russische Experten.“
Der UN-Sicherheitsrat erwägt eine Resolution, um den mutmaßlichen Abschuss des malaysischen Passagierflugzeuges in der Ukraine zu verurteilen. Ein entsprechender Resolutionsentwurf wurde von Australien bei den 15 Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates in Umlauf gebracht. Bei dem Absturz kamen auch 28 Australier ums Leben. Diplomaten zufolge könnte bereits am Montag über die Resolution abgestimmt werden.
Der chinesische UN-Botschafter Liu Jieyi sagt: „Unsere Priorität liegt nun in der Schaffung von Fakten. Es ist nicht ratsam, voreilige Schlüsse zu ziehen oder Handels-Drohungen auszusprechen. Wir unterstützen eine unabhängige, gerechte und objektive Untersuchung.“