Politik

Slowaken erreichen Ausnahmen von Russland-Sanktionen

Der slowakische Premier Robert Fico behält sich ausdrücklich ein Veto gegen weitere Sanktionen Brüssels vor. Er hat mehrfach davor gewarnt, Kreditinstitute wie die Sberbank mit Sanktionen zu belegen. Dies könne fatale Folgen für so kleine Finanzmärkte wie die in der Slowakei oder Tschechien haben.
04.09.2014 00:08
Lesezeit: 3 min

Die slowakische Regierung hat eine Teilaussetzung der ukrainischen Sanktionen gegen Russland erreicht. Die Ukraine liefert selbst dann russisches Erdgas in die Slowakei, wenn die Mitte August gegen Russland beschlossenen Sanktionen sonst in vollem Umfang greifen. Darauf verständigten sich der ukrainische Energieminister Juri Prodan und der slowakische Wirtschaftsminister Pavol Pavliš in Kiew.

Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico sprach sich unterdessen erneut gegen die Verhängung wechselseitiger Sanktionen im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine aus. Weitere Maßnahmen der Europäischen Union gegen Russland unterstützt er voraussichtlich nicht. Dabei weiß er seinen tschechischen Amtskollegen Bohuslav Sobotka und den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán hinter sich.

Die slowakische Regierung hat nach Angaben des Wirtschaftsministeriums eine Teilaussetzung der ukrainischen Sanktionen gegen Russland erreicht. Mitte August hatte das ukrainische Parlament mehrere Gesetze verabschiedet, auf Grundlage derer auch die Durchleitung von Erdgas aus Russland nach Westeuropa über das Territorium der Ukraine blockiert werden kann. Der ukrainische Energieminister Juri Prodan hat seinem slowakischen Amtskollegen Pavol Pavliš in Kiew zugesichert, dass russisches Erdgas in jedem Falle in die Slowakei gelangt. „Die Gesetze werden damit keinesfalls zu unseren Lasten angewandt“, betonte Pavliš.

Die Regierung in Kiew hat immer wieder betont, die Sanktionen sollten zunächst nicht für russische Erdgaslieferungen Richtung Westen gelten.

Wegen der Erfahrungen im russisch-ukrainische Gasstreit zur Jahreswende 2008/2009, aufgrund dessen die Slowakei einen knapp dreiwöchigen Gasnotstand verhängen musste, äußerte der slowakische Ministerpräsident Robert Fico jedoch mehrfach Zweifel an der Verlässlichkeit der Ukrainer. Es sei merkwürdig, dass ein Land, dass ein Assoziationsabkommen mit der Europäischen Union unterzeichnet habe, seine Positionen nicht mit Brüssel abstimme, sondern „einseitige Schritte unternehme, durch die Interessen einzelner Mitgliedsstaaten gefährdet sind“, zitiert die Tageszeitung Pravda den Regierungschef.

Die Slowakei habe sich bisher gegenüber der Ukraine äußerst solidarisch verhalten, indem sie die Annektion der Krim entschieden abgelehnt habe und wesentlich zur Erdgasversorgung des Landes beitrage. Es gebe kein anderes Land, worauf die Ukraine derart zählen könne. Seit 3. September wird nach Angaben des slowakischen Wirtschaftsministeriums über das Gebiet des mittelosteuropäischen Landes regulär Erdgas aus Westeuropa in die Ukraine geliefert, jährlich sollen es 8 bis 10 Milliarden Kubikmeter sein. Weitere 6 Milliarden Kubikmeter Erdgas per annum erhält die Ukraine über Polen und Ungarn.

Fico gilt gemeinsam mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán als entschiedenster Gegner der Verhängung von Sanktionen im russisch-ukrainisch Konflikt und zugleich wichtigster Fürsprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin und damit auch Beförderer russischer Wirtschaftsinteressen. Slowakischen Medien zufolge hat der tschechische Regierungschef Bohuslav Sobotka während eines Treffens mit Fico Unterstützung für diesen Kurs signalisiert und spricht sich nunmehr gleichfalls für Verhandlungen mit Moskau aus; allerdings hat er dabei nicht die volle Unterstützung seines Kabinetts.

Fico behält sich ausdrücklich ein Veto gegen weitere Sanktionen Brüssels vor. Der regierungskritischen Tageszeitung Sme zufolge ist jedoch umstritten, ob er dazu die ausdrückliche Zustimmung des Ausschusses für europäische Angelegenheiten im slowakischen Nationalrat benötigt. „Die Regierung wird in jedem Falle solange nichts entscheiden, bis ihr eine Liste der Europäischen Kommission vorliegt, welche Güter von den Wirtschaftssanktionen betroffen sind“, betonte seine Sprecherin Beatrice Szabóová im Anschluss an die heutige Kabinettssitzung auf Anfrage. Dies sei für Freitag angekündigt. Zwischenzeitlich werde die Regierung „mit Unternehmen aus den Branchen beraten, die voraussichtlich von den Sanktionen betroffen sind“. Dazu gehören die Rüstungsindustrie, der Finanzsektor und Hersteller von Technologien zur zivilen und militärischen Nutzung. Fico hat mehrfach davor gewarnt, Kreditinstitute wie die Sberbank mit Sanktionen zu belegen. Dies könne fatale Folgen für so kleine Finanzmärkte wie die in der Slowakei oder Tschechien haben.

Die engen ökonomischen Verflechtungen zwischen der Slowakei und Russland werden derzeit etwa daran besonders deutlich, dass das Wirtschaftsministeriums in Bratislava mit dem russischen Energiekonzern Rosatom über einen milliardenschweren Einstieg in die Slowakischen Elektrizitätswerke verhandelt, welche die beiden slowakischen Kernkraftwerke in Jaslovske Bohunice und Mochovce betreiben.

Ende April wiederum hatten sich die slowakische Eustream, der größte Beförderer von russischem Erdgas in Kontintaleuropa, und die ukrainische Ukrtransganz nach mehr als einjährigem Ringen auf die Erdgaslieferungen aus Westeuropa Richtung Osten verständigt. Die Slowaken hatten sich nur auf die sogenannte „kleine Lösung“ eingelassen, wodurch jährlich Lieferungen von 8 bis 10 Milliarden Kubikmeter Erdgas ermöglicht werden. Anders wären angeblich bestehende Verträge zwischen Eustream und der russischen Gazprom verletzt worden, was allerdings von Juristen in Bratislava in Zweifel gezogen wird. An sich hatte die Ukraine über die Slowakei im Rahmen einer „großen Lösung“ jährlich 20 Mrd. Kubikmeter Erdgas beziehen wollen.

Moskau habe diese Unterstützung insoweit nicht vergessen, indem es Sanktionen verhängt habe, durch die slowakische Unternehmen vergleichsweise wenig beeinträchtigt würden, stellte Fico vor kurzem klar. Das ändere jedoch nichts daran, dass es die Betroffenen unter starkem wirtschaftlichen Druck stünden, weil sie nun mit einer Überproduktion konfrontiert seien. In der Slowakei sind bisher insgesamt neun Unternehmen durch die russischen Einfuhrverbote betroffen.

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