„Frankreichs Geschichte ist durchzogen von Krisen, die stets zu einem schnellen und dramatischen Wechsel der Verhältnisse geführt haben. Die eine, die einem am schnellsten in den Sinn kommt, ist jene, bei der König Ludwig XVI. während der Französischen Revolution seine monarchische Macht verlor. Er erbte eine enorme Staatsverschuldung (kommt Ihnen das bekannt vor?) und versuchte mit einer Reihe von politischen Schachzügen zu reagieren. Aber schlussendlich hat ihn diese Krise überwältigt. Er und seine Untergebenen des Ancien Régime verloren nicht nur ihre Macht – sondern zudem auch ihre Köpfe.
Es ist Zeit für eine Revolution des 21. Jahrhunderts in Frankreich. Der Dirigismus liegt im Sterben. Vive la France.“ So analysiert Steen Jakobsen, Chef-Ökonom der Saxo Bank, die aktuelle Lage Frankreichs.
Francois Hollande ist der unbeliebteste Präsident in der französischen Geschichte. Mit der Präsentation der neuen Regierung unter Premier Manuel Valls am 26. August stellte Hollande auch den neuen Wirtschaftsminister Emmanuel Macron vor. Bis vor wenigen Wochen war dieser noch sein persönlicher Wirtschaftsberater. Der Präsident hat den vormaligen Investment-Banker zum Nachfolger seines Rivalen Montebourg ernannt.
Der Parteilinke Montebourg hatte den Reform- und Sparkurs Hollandes offen kritisiert und damit einen Kabinettskrach ausgelöst. Als Wirtschaftsminister steht Macron vor der Aufgabe, den jahrelangen Niedergang der Industrie zu stoppen. Mit dem Entfernen seines politischen Gegners riskiert Holland viel, so der Saxo-Chefökonom. Montebourg sei ein Mann der alten Schule und der alten Ideen: Unter anderem habe er sich selbst den Titel „Minister der Industriellen Auferstehung“ genannt.
Das Problem für Präsident Hollande und seine Reformbemühungen sei, dass das Entfernen von Montebourg zwar ein Sieg für seine wirtschaftliche Strategie sei. Gleichzeitig bedeute es allerdings den Verlust seiner politischen Fähigkeit, beides zu führen: Seine Partei und den französischen Staat. Denn „Wirtschaftspolitik ohne politische Rückendeckung ist wie Skifahren ohne Schnee: Politik braucht politische Verankerung“, so Jakobsen.
Die angebotsorientierten Wirtschaftspolitik und die Ideen von Premier Valls seien gut, aber sie reichen nicht, um die „Verrottung Frankreichs“ zu stoppen.
Immer mehr Beobachter argumentieren, dass, was Frankreich braucht sei entweder eine Europäische Zentralbank, die in den vollen „QE-Modus“ geht, oder ein Frankreich, das fiskal expandiert – oder sogar beides. Doch beides sei nicht nur kurzsichtig, es sei auch falsch, so Jakobsen: „Frankreich braucht ein neues politisches System, eine neue Steuerregelung, einen weniger aufgeblähten Staatssektor und weniger Subventionen“. Frankreich sei nicht verloren, „es ist nur desorientiert und es fehlt das Ziel“.
Frankreich sei sein schlimmster eigener Feind. Es glaubt an alte Tugenden und Ideen aus einer längst vergangenen Zeit. Der Dirigismus, die französische Version des sozialistischen Kapitalismus sei gescheitert. Deshalb brauche Frankreich seinen Thatcher-Moment, mit einer neuen politischen Führung, die mutig genug ist, genau für einen Wandel gewählt zu werden. „Es braucht ein Oberhaupt, welches mutig genug ist ein System zusammenbrechen zu lassen, das sich mehr auf makro- als auf mikroökonomische Politik konzentriert. Ein System, mit einer elitären Gesellschaft, die zu viele Anreize für schlechtes Verhalten und keine Anreize für private Initiativen, Innovation und harte Arbeit hat. Mit oder ohne Hollande, Frankreich scheint nicht bereit, sich zu ändern. Deshalb brauchen wir eine tiefe Rezession und sogar eine Depression, bevor wir wirkliche Veränderung sehen. Reale Veränderungen entstehen nur aus einer echten Krise“, so Jakobsen.