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Der große Ausverkauf: G20-Staaten beschließen massive Privatisierung

Lesezeit: 4 min
22.09.2014 00:57
Der G20-Gipfel förderte eine erstaunliche Tatsache zu Tage: Weil die meisten Staaten gegen die Überschuldung kämpfen, können sie keine Infrastruktur-Projekte mehr finanzieren. Nun wollen sich die Staatschefs an private Investoren wenden. Setzen sich die Staaten, die wie eine unter der Aufsicht des IWF stehende Weltregierung agieren, durch, wird dies zu einer beispiellosen, globalen Privatisierungswelle führen. Über den Umweg von Gebühren wird der Steuerzahler für diese Strategie zu bezahlen haben.

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Die führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) wollen durch Infrastrukturprojekte die Weltwirtschaft ankurbeln. Die Finanzminister und Notenbankchefs verabschiedeten am Sonntag im australischen Cairns eine Infrastruktur-Initiative, die vor allem private Investoren locken soll. «Investitionen sind ein lebenswichtiger Bestandteil, um die Nachfrage anzukurbeln und das Wachstum zu fördern», hieß es in der Abschlusserklärung.

Die Beschlüsse seien ein wichtiger Baustein zur Stabilisierung der Weltwirtschaft, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Wichtig sei auch die Fortsetzung struktureller Reformen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte die Wachstumsprognose für die Weltwirtschaft erst im Juli von 3,7 auf 3,4 Prozent gesenkt.

Die Infrastrukturprojekte sollen wie von Schäuble gefordert vor allem privat finanziert werden. «Wir haben uns geeinigt, weg von staatlich finanzierten Wachstumsmaßnahmen zu mehr Privat-Investitionen zu kommen», meinte Australiens Finanzminister Joe Hockey. Die Initiative sieht etwa mit Hilfe der Weltbank eine Datenbank vor, die es Privatinvestoren leicht macht, geplante Projekte zu finden.

Wenn die Pläne verwirklicht werden, könnte es zu einer beispiellosen globalen Privatisierungswelle kommen.

Gernot Heller von Reuters analysiert:

Sich am Finanzmarkt Geld für Investitionen zu besorgen, ist für private Investoren momentan zwar billig. Würde sich allerdings der Staat das Geld borgen, wäre das etwa im Falle Deutschland noch viel günstiger. Der Bund zahlt derzeit kaum noch Zinsen für seine neuen Anleihen. Zudem sollen sich die privaten Investitionen rechnen: es geht also um Nutzergebühren, Bezahlmodelle für betreffende Objekte - also um Kosten, die auf die Allgemeinheit zukommen. Daneben ist das Gros der privaten Investoren auch nicht willens, bei solchen Projekte - man denke etwa an den neuen Berliner Großflughafen - voll ins Risiko zu gehen. Der Staat wäre also gefordert, Teile dieses Risikos zu übernehmen. Unterm Strich könnte herauskommen, dass auch bei privaten Investitionen große Lasten am Ende doch beim Staat und seinen Bürgern landen.

Der Privatisierungs-Fachmann Werner Rügemer sieht solche Privatisierungen, die als Private Public Partnerships (PPP) bezeichnet werden, äußerst kritisch. Auf Telepolis schrieb er vor einigen Jhren: »Bei PPP werden die öffentlichen Kassen mit hoher Professionalität langfristig ausgeplündert«. Und weiter:

»Im engeren Sinne kann man die Projekte als gescheitert ansehen, bei denen die Nachforderungen inzwischen höher sind als der anfängliche ›Effizienzvorteil‹, welcher der Entscheidung pro PPP zugrunde lag. Das ist beispielsweise beim Vorzeigeprojekt des Landkreises Offenbach der Fall: Dort lässt man alle 90 Schulen von Hochtief und SKE sanieren und betreiben. Schon nach fünf Jahren hat sich die vereinbarte jährliche Miete von ursprünglich 52 auf 72 Millionen Euro erhöht. Am bekanntesten ist die Hamburger Elbphilharmonie, bei der sich die Baukosten verdreifacht haben. Bei wie vielen Projekten die Nachforderungen den versprochenen Effizienzvorteil übersteigen, wissen wir wegen der Geheimhaltung nicht. Gescheitert sind auch solche Projekte, bei denen der Investor die Insolvenz erklärt hat, das ist beispielsweise bei einigen Bäderprojekten wie in Leimen (Baden-Württemberg) der Fall.«

Um dieses Konzept in Europa zu beschleunigen, hat die EU einem Bericht der SZ zufolge die Idee lanciert, Gelder aus dem Rettungsschirm ESM anzuzapfen. Schäuble erteilte diesem Vorstoß zwar eine Absage und sagte: «In erster Linie ist der Fonds dafür da, dass er nicht gebraucht wird und Vertrauen schafft», sagte er in Cairns. «Mit der Finanzierung von Investitionen hat das nichts zu tun.» Doch der Bericht der SZ enthält noch ein anderes Detail, das darauf hindeutet, dass diese Pläne durchaus bereits ziemlich konkret sind. Denn in dem Artikel heißt es, dass die Alternative wäre, Gelder aus dem ESM an die einzahlenden Staaten zurückzuzahlen. Es geht dabei um die 80 Milliarden Euro an Grundkapital. Vor allem die Staaten in Südeuropa suchen händeringend nach Finanzierungsmöglichkeiten, um die lahmende Konjunktur in den einzelnen Ländern zu beleben.

In diesem Zusammenhang spielt die Aussage des neuen EU Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker eine Rolle, der bereits vor vielen Jahren gesagt hatte, dass eine Strategie der EU wäre, Dinge in den Raum zu stellen und zu warten ob sich große Protest in der Bevölkerung rege. Sollte es keinen großen Widerstand geben, würde man einfach weiter vorangehen, bis es kein Zurück mehr gebe.

Es ist allerdings fraglich, ob sich die G 20 Staaten mit dieser Strategie durchsetzen werden können. Denn noch liegt die Entscheidung über eine Privatisierung von staatlichen Aufgaben in der Hoheit der Nationalstaaten. Die vielen schlechten Erfahrungen, die die Bürger mit Privatisierungen gemacht haben, könnten dazu führen, dass die Pläne auf massiven Widerstand in der Bevölkerung treffen. Sollten Sie jedoch gelingen, wären sie ein weiteres großes Geschäftsmodell insbesondere für Finanzinvestoren und die gesamte Finanzindustrie. In diesem Zusammenhang spielen auch die Freihandelsabkommen eine große Rolle: Sie ermöglichen es vor allen Dingen international tätigen Konzernen, an Großprojekte zu kommen - mitunter zulasten der lokalen Mittelständler, die über keine vergleichbar großen Rechtsabteilungen und Planungsstäbe verfügen, um überhaupt an die Aufträge zu kommen.

Die Beschlüsse des G20-Gipfels kommentierte IWF-Chefin Christine Lagarde mit großer Zustimmung: «Ich beglückwünsche die G20 für deutlichen Fortschritt bei den Strategien für mittelfristiges Wachstum.»

***

Buchtipp: Das Konzept der Privatisierungen ist ein wesentlicher Bestandteil ist globalen Wirtschaftssystems, wie es heute kennen. Es läuft, wie Michel Maier in seinem neuen Buch schreibt, eine Plünderung der Welt hinaus: durch die massive Verschuldung der Staaten haben die Regierungen heute kaum noch eine andere Wahl, als wesentliche Dienstleistungen outzusourcen. Davon profitieren vor allem Großkonzerne und Banken. Die Rechnung bezahlen wie viele Beispiele belegen, am Ende immer die Bürger. Lesen Sie das Buch - und Sie werden jeden Schachzug der Finnaz-Eliten als Teil eines gefährlichen Plans entlarven können!

Michael Maier, Die Plünderung der Welt. Wie die Finanz-Eliten unsere Enteignung planen.

Das Buch ist überall im Buchhandel erhältlich. Beim Verlag kann es hier bestellt werden.

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