Die Bundesregierung hat am 22. September einen Entwurf zur Änderung des ESM-Finanzierungsgesetzes eingereicht. Künftig soll der ESM direkt an Banken ausgezahlt werden. Der Grund: Die verschuldeten öffentlichen Haushalte sollen nicht noch zusätzlich mit den Krisen der Banken belastet werden. Weil sich im Zuge der Wirtschafts-Krise alle Staaten weiter verschuldet haben, könnten sie heute kaum noch Banken retten, ohne das gesamte Maastricht-Gesetzeswerk zu einem Comic zu degradieren.
Die Südstaaten der EU haben diese Veränderung in weiser Voraussicht von allem Anfang an verlangt. Doch Deutschland hat sich geweigert, weil es damals in der deutschen Öffentlichkeit noch so erschien, als könne Deutschland die Verwendung seiner Steuergelder beeinflussen.
Im Juni 2012 hatte der finanzpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Klaus-Peter Flosbach, dem Handelsblatt gesagt, dass es keine direkten Finanzhilfen des Euro-Rettungsfonds an Banken geben dürfe:
„Die finanzielle Stützung eines nationalen Finanzsektors soll nur mittelbar über den Antrag des betreffenden Mitgliedstaates erfolgen. Damit soll gewährleistet sein, dass ein Reform- und Anpassungsprogramm vereinbart werden kann und Hilfen nur unter strikten Auflagen gewährt werden.“
Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte die Verwendung des ESM zur Bankenrettung in der Öffentlichkeit und innnerhalb der Fraktion immer wieder ausgeschlossen. Noch im Dezember 2013 hatte Schäuble gesagt, dass es auch in Zukunft keine Bankenrettung durch den ESM geben werde:
Notwendiges Kapital zur Abwicklung einer Bank wird nach den Worten von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble auch in Zukunft nicht direkt aus dem ESM stammen. „Heute Nacht haben wir vereinbart, dass das nicht über den ESM geschehen kann“, sagte der CDU-Politiker am Mittwochvormittag in Brüssel nach Beratungen mit seinen Kollegen aus der Eurozone.
Nun haben die Staaten allerdings klammheimlich damit begonnen, diese gravierende Änderung in ihre nationale Gesetzgebung einzubauen. In Österreich ging die Umwidmung der ESM-Gelder vergleichsweise unspektakulär über die Bühne. Hier heißt es im Entschließungsantrag für den Nationalrat lapidar:
„Der Bundesminister für Finanzen wird ersucht, jede vom österreichischen Vertreter im Gouverneursrat des ESM zur Beschlussfassung stehende institutsspezifische Vereinbarung dem Nationalrat vorab auf dieselbe Weise vorzulegen wie eine Finanzhilfevereinbarung.“
Doch genau um diese Struktur geht es: Der jeweilige Gouverneur - also Finanzminister Wolfgang Schäuble - muss von seinem Parlament ermächtigt werden, die Gelder für die Banken-Rettung freizugeben. Im Gesetzesentwurf der Bundesregierung heißt es zur Begründung der Umwidmung der Gelder:
„Im Zuge der Bewältigung der Staatsschuldenkrise hat sich...gezeigt, dass die Krise der öffentlichen Haushalte einzelner ESM-Mitgliedstaaten eng mit der Krise ihres jeweiligen Finanzsektors verbunden ist. So kann es möglich werden, dass im Einzelfall ein ESM-Mitgliedstaat nicht dazu in der Lage ist, erforderliche Finanzhilfen für seine Finanzinstitute in voller Höhe bereitzustellen, ohne dass dies sehr nachteilige Auswirkungen auf die Tragfähigkeit seiner öffentlichen Haushalte hat bzw. seinen dauerhaften Zugang zum Kapitalmarkt gefährden und somit eine Finanzierung des gesamten staatlichen Finanzbedarfs über den ESM erforderlich machen würde.
Durch diese Gewährung von Finanzhilfen des ESM direkt an Finanzinstitute soll ein Beitrag dazu geleistet werden, Krisen im Bankensektor eines Mitgliedstaats stärker von einer Krise der öffentlichen Haushalte zu entkoppeln. Indem am Ende einer Haftungskaskade Hilfen des ESM für Finanzinstitute – anders als bei Finanzhilfen zur indirekten Rekapitalisierung von Finanzinstituten – nicht in Form eines Darlehens an den betreffenden Mitgliedstaat, sondern unmittelbar an ein Finanzinstitut vergeben werden, können im Einzelfall besonders negative Auswirkungen auf den Schuldenstand eines Mitgliedstaats vermieden werden. Daher gilt aber weiterhin ein Vorrang der indirekten vor der direkten Bankenrekapitalisierung.“
Ursprünglich war der ESM geschaffen worden, um Staatspleiten zu verhindern. Doch seit Mario Draghi mit der umfassenden Manipulation der Zinssätze für Staatsanleihen das Risiko einer Staatspleite auf Kosten der europäischen Sparer faktisch auf Null gesenkt hat, können die ESM-Gelder nun zur Bankenrettung verwendet werden.
Doch schon wenig später haben die Euro-Finanzminister offiziell beschlossen, dass der ESM auch bei der Abwicklung von Banken als Financier fungieren solle. Wolfgang Schäuble hatte zunächst gegen die Pläne protestiert, sie am Ende aber doch mitgetragen. Schäuble hatte gesagt, Deutschland könne erst zustimmen, wenn die EZB die Bankenaufsicht übernehme. Das ist nun ebenfalls beschlossen. Ein kleiner Schönheitsfehler: Eigentlich hätte die heimliche Banken-Rettungs-Gesetzgebung bereits vergangene Woche im Haushaltsausschuss des Bundestages beschlossen werden sollen. Doch die EU war bis dahin nicht in der Lage, mit den Banken ein endgültige Einigung über den von den Banken zu finanzierenden Bankenabwicklungsfonds SRM zu finden. Dies ist erst in dieser Woche geschehen.
Nun soll der Beschluss am Bundestag am 6. November fallen. Dies wird mit breiter Mehrheit geschehen. Nur die Partei die Linke ist dagegen - aus den anderen Parteien gibt es keine Abweichler mehr. Sie sind entweder nicht mehr im Bundestag (wie der FDP-Mann Frank Schäffler) oder wurden diszipliniert, wie der CDU-Mann Klaus-Peter Willsch, den Merkel nach 14 Jahren knallhart aus dem Haushaltsausschuss entfernt hat. Von SPD und Grünen hat es ohnehin nie auch nur den geringsten Widerstand gegeben.
Die Zweigleisigkeit von SRM und ESM für die Bankenrettung zeigt, dass die EU im Fall der Bankenrettung bereits wieder hinter alle Pläne zurückgefallen ist: Denn beim SRM müssen eigentliche die nachrangigen Anleihebesitzer an einer Restrukturierung mitwirken (Bail-In). Das sind in der Regel andere Banken. Um die Banken aber zu schonen, gibt es jetzt auch die Möglichkeit des ESM. Dort ist ein Bail-In nicht vorgesehen.
Das Gesetz, wenn es so durchgeht, macht direkte Banken-Rettungen in allen Euro-Ländern mit deutschen Steuergelder in der Höhe von bis zu 60 Milliarden Euro möglich. Die Rettungsaktionen werden, wie dem Entwurf zu entnehmen ist, strengster Geheimhaltung unterliegen - angeblich, um keine Bank-Runs und Markt-Irritationen zu erzeugen.
Die Gelder an die maroden Banken dürfen nur unter strengsten Auflagen ausbezahlt werden. Diese Auflagen sind in einem "Memorandum of Understanding" (MoU) zu vereinbaren: Dumm nur, dass dieses MoU nicht zwischen dem Deutschen Bundestag und der Bank geschlossen wird - sondern zwischen dem jeweiligen Staat und seiner Bank: Also zwischen Italien und einer maroden italienischen Bank, zwischen Frankreich und einer maroden französischen Bank etc. Man kann sich ausrechnen, welch strenge Auflagen die Regierungen ihren Haus- und Hofbanken erteilen werden.
Immerhin hat der Gesetzesentwurf auch eine belletristische Note: Erstmals wird jener brillante Gedanke von Angela Merkel wörtlich zitiert, mit dem die Kanzlerin bereits den ESM durchgeboxt hatte.
Unter Punkt C der Einleitung steht schwarz auf weiß:
"Alternativen: Keine"