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Ukraine: US-Regierung sucht Verbündete unter den Oligarchen

In der Ukraine tobt ein Machtkampf unter den Oligarchen. Eine entscheidende Rolle im Hintergrund spielt die US-Regierung. Sie setzt darauf, dass einige ihrer Interessen mit jenen einzelner Oligarchen deckungsgleich sind. Ein Oligarch hat bereits üppige Spenden an die Stiftung von Hillary Clinton abgeliefert. Die EU ist in dem Poker nur Zuschauer.
30.03.2015 00:14
Lesezeit: 3 min

Die Oligarchen in der Ukraine kämpfen allesamt um die Bewahrung ihrer Macht. Präsident Petro Poroschenko, der selbst einer von ihnen ist, könnte das Vertrauen der USA verlieren, wenn er mit den von ihm verlangten„Reformen“ scheitern sollte. Doch dann hätte Washington immer noch die Möglichkeit, einen anderen Oligarchen als Partner einzusetzen. Diese stehen jedenfalls Schlange, um sich als Alternative zu Poroschenko anzubieten.

In der Ukraine ist innerhalb der Elite offenkundig ein Kampf um die Zukunft des Landes ausgebrochen. Präsident Petro Poroschenko sagte am vergangenen Samstag, dass er eine „Entoligarchisierung“ der Ukraine vornehmen will.

Das sei jedenfalls sein „wichtigstes Ziel“. Doch das Vorhaben könnte aufgrund der Machtfülle der ukrainischen Oligarchen scheitern, zumal Poroschenko seine eigene Stellung als Oligarch unerwähnt ließ. Er selbst verfügt über ein Vermögen in Höhe von 1,3 Milliarden Dollar. Zudem gehören Poroschenko die Schokoladen-Firma Roshen und der Fernsehkanal „Kanal 5 TV“. Neben ihm gibt es noch vier weitere große Oligarchen, die die Ukraine weitgehend kontrollieren. Der reichste von ihnen ist Rinat Achmetow. Dieser verfügt über ein Vermögen von 12,5 Milliarden Dollar. Er kontrolliert die Stahl- und Kohleindustrie des Landes, die im Osten der Ukraine angesiedelt ist.

Hennadij Boholjubow hat ein Vermögen von 1,6 Milliarden Dollar. Er ist Mitinhaber der Privatbank, welches das größte Finanzinstitut der Ukraine ist und im Februar 2015 von der Notenbank in Kiew mit einem Liquiditäts-Kredit gestützt werden musste. Boholjubow hält 37 Prozent der Bankanteile. Weitere 37 Prozent hält der Oligarch Igor Kolomoiski, der über ein Vermögen von 1,3 Milliarden Dollar verfügt und zudem Inhaber der 1+1 Media Group ist. Kolomoiski ist auch politisch aktiv und verfügt über eine Privat-Armee. Allerdings wurde er vergangene Woche im Verlauf des tobenden Machtkampfs von Poroschenko als Gouverneur des Gebiets Dnipropetrowsk abgesetzt.

Der Oligarch Viktor Pintschuk hat ein Vermögen von 3,2 Milliarden Dollar und besitzt den Pipelineröhren-Hersteller Interpipe. Außerdem gehört ihm die Investment-Firma Eastone Group. Pintschuk hat zwischen 2009 und 2013 die US-Stiftung Clinton Foundation mit insgesamt 8,6 Millionen Dollar unterstützt, berichtet das Wall Street Journal. Die Stiftung von Pintschuk ist auf der Webseite der Clinton Foundation als offizieller Spender aufgelistet. Wieviel von dem Geld tatsächlich geflossen ist, ist unklar. Clinton war zu dieser Zeit US-Außenministerin. Einen Interessenskonflikt sieht die mögliche Präsidentschaftskandidatin nicht.

Die ukrainischen Oligarchen wissen, dass die ohne die Unterstützung der USA ihre Machtposition nicht ausbauen können. Deshalb buhlen sie um die Gunst US-amerikanischer Politiker und Beamte. Doch unklar ist, für welchen der genannten Oligarchen sich die USA entscheiden werden. Sollte Poroschenko politisch und wirtschaftlich scheitern – Kiew muss im Gegenzug für internationale Kredite in Höhe von 40 Milliarden Dollar das Sozialsystem abbauen und sowohl das Gesundheitssystem als auch den Bildungssektor privatisieren – könnte die US-Regierung sich für einen anderen Oligarchen als Partner in der Ukraine entscheiden.

Allerdings befinden sich die ukrainischen Oligarchen allesamt in einer Zwickmühle. Die anstehenden Reformen bedrohen ihre langfristigen Geschäftsvereinbarungen und Profit-Quellen, berichtet der private US-Geheimdienst Stratfor. Deshalb werden die Oligarchen notfalls zusammenarbeiten, um die Reformen zu untergraben, folgert Stratfor.

Den Oligarchen bleibt langfristig keine andere Alternative, als sich den westlichen Forderungen zu beugen. Sie haben alles auf eine Karte, nämlich die USA, gesetzt. Im Kreml herrscht jedenfalls großes Misstrauen gegenüber den ukrainischen Oligarchen. Die US-Regierung hingegen will die mächtigen Männer notfalls gegeneinander ausspielen und sich nach Gutdünken für den einen oder anderen als politischen Partner in der Ukraine entscheiden. Ein solches Vorgehen hat bei den Amerikanern im Umgang mit ausländischen Machthabern eine lange Tradition.

Die EU hingegen dürfte im Vergleich zu den USA den politischen Kampf in der Ukraine verloren haben. Die Merkel-Regierung hatte seit Ausbruch der Maidan-Proteste 2014 auf den Ex-Boxer und aktuellen Oberbürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, gesetzt. Dieser ist nach eigenen Angaben damit beschäftigt, Hausbesuche bei den Einwohnern von Kiew zu besuchen, um die Stromleitungen der Wohnungen zu überprüfen, da es durchgehend Stromausfälle gibt. „Ich bin sicher, dass wir diese Probleme alsbald in den Griff bekommen werden“, so Klitschko. Die Sonderbeauftrage Victoria Nuland hatte jedoch dafür gesorgt, dass Arseni Jazenjuk neuer erster Mann wird und sich dabei mit ihrem Spruch „Fuck the EU“ eine gewisse Unsterblichkeit erworben.

Mit Natalie Jaresko sitzt eine ehemalige Mitarbeiterin des US-Außenministeriums in der Führung des Landes. Der EUObserver merkte dazu spöttisch an, dass es für die Kredite an die Ukraine keine Troika brauche, weil die Troika bereits in der Regierung implementiert sei.

Die EU und die USA finden in der Ukraine keinen gemeinsamen Nenner. Brüssel meint, die Waffenruhe von Minsk würde weitgehend von den Konfliktparteien eingehalten werden. Doch die USA sind der Ansicht, dass Russland die Rebellen weiterhin mit Waffen beliefert. Dieser Prozess untergrabe die europäische Sicherheit, zitiert die New York Times den Nato-Oberbefehlshaber in Europa, General Philip Breedlove. Der Nato-General kritisiert die angebliche Sorglosigkeit der Europäer, was wiederum zu einem Vertrauensverlust innerhalb der Ukraine führe.

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