Politik

Russland hilft Athen, Weltkriegs-Forderungen gegen Deutschland durchzusetzen

Die positive Reaktion von Bundespräsident Gauck auf die griechischen Reparationen wegen der Nazi-Verbrechen könnte für Deutschland teuer werden: Athen erhält in der Frage überraschend Rückendeckung von Moskau. Russland hat den Griechen angeboten, bisher ungenutzte Archive für die Erforschung der griechischen Ansprüche zu öffnen, um seine Forderungen zu belegen. Hat das Projekt Erfolg, könnten noch zahlreiche andere Staaten von Deutschland ebenfalls Entschädigungen verlangen.
09.05.2015 01:36
Lesezeit: 1 min

Erst vor wenigen Tagen sprach sich Bundespräsident Gauck für eine Entschädigung Griechenlands wegen der Naziverbrechen aus. „Wir sind ja nicht nur die, die wir heute sind, sondern auch die Nachfahren derer, die im Zweiten Weltkrieg eine Spur der Verwüstung in Europa gelegt haben - unter anderem in Griechenland, worüber wir beschämend lange wenig wussten“, sagte Gauck der Süddeutschen Zeitung. Es sei deshalb , „richtig, wenn ein geschichtsbewusstes Land wie unseres auslotet, welche Möglichkeiten von Wiedergutmachung es geben könnte.“ Gauck wandte sich damit gegen die Position der Bundesregierung, die jegliche Reparationenszahlungen bisher mit Verweis auf den Zwei-Plus-Vier-Vertrag ablehnt.

Der Bundespräsident wünschte sich zudem, dass die griechische Regierung hier etwas verbindlicher aufträte, als sie es bisweilen tut. „Dies scheint die Regierung in Athen beherzigt zu haben“. Der Vize-Verteidigungsminister Kostas Isichos stellte eine Anfrage an die russische Botschaft in Athen und bat um Mithilfe bei der historischen Aufarbeitung, wie Kathimerini berichtet. Die russische Botschaft stellte daraufhin eine Liste mit diversen - bisher ungenutzten - Archiven, Fotografien und Dokumenten zur Verfügung, die bei der Erforschung möglicher Reparationsansprüche aus dem Zweiten Weltkrieg behilflich sein sollen.

Eines dieser Archive könnte das Sonderarchiv Moskau („Zentrum zur Aufbewahrung historisch-dokumentarischer Sammlungen“) sein, das seit 1999 zum Russischen Staatlichen Militärarchiv gehört. Es handelt sich dabei um eine staatliche Institution zur Aufbewahrung von Dokumenten nichtrussischer, vor allem deutscher, Herkunft. Diese „Beuteakten“ wurden von der Roten Armee aus Ostpolen, Schlesien, Böhmen und Berlin nach Moskau geschafft. Unter den Akten befinden sich Überlieferungen deutscher Behörden und Institutionen der Reichs-, Länder- und Kommunalebene - unter anderem des Auswärtigen Amts und der Reichsministerien für Wirtschaft, für Finanzen und für Krieg.

Im Zentrum der Streitigkeiten zwischen Berlin und Athen steht eine Zwangsanleihe aus dem Zweiten Weltkrieg, die Deutschland nie zurückgezahlt hat und die sich auf etwa 20 Milliarden Euro beläuft. Darüber hinaus fordert die griechische Regierung von Deutschland 278 Milliarden Euro an Reparationen, wie die Zeit berichtet. Der „Nationale Rat zu Reparationen aus dem Zweiten Weltkrieg“ beziffert die Kriegsentschädigungen für gestohlene Kunstwerke, die zerstörte Infrastruktur und die Schäden an der Wirtschaft während der Nazi-Besatzung sogar auf 600 Milliarden Euro. Die griechische Interessensgruppe wird von Manolis Glezos geleitet, der im Zweiten Weltkrieg gegen die Besatzung der Nazis kämpfte und nun der regierenden Syriza-Partei von Premier Alexis Tsipras angehört.

„Unsere Forderung ist klar: Einen Friedensvertrag mit Deutschland unterzeichnen, was die sonst so gesetzestreuen Deutschen verweigern. Denn dies würde bedeuten, dass sie zurückzahlen müssen, was sie den Griechen schulden“, zitiert die griechische Zeitung Times of Change den Syriza-Abgeordneten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Belarus im Strudel der „eurasischen Integration“
10.08.2025

Belarus‘ Abhängigkeit von Russland wird zur existenziellen Gefahr – und China nutzt die Schwäche eiskalt aus. Warum Minsk in einer...

DWN
Finanzen
Finanzen Rheinmetall, Lockheed Martin & Co.: Defense ist das neue Nachhaltig
10.08.2025

Investieren in „Rüstung“? Darf man das, muss man das? Angesichts der geopolitischen Lage liegt der Gedanke eigentlich nahe.

DWN
Immobilien
Immobilien Hitzeschutz für Immobilien: So machen Sie Ihr Zuhause hitzefrei
10.08.2025

Deutschland "erfreut" sich 2025, wie schon in den vergangenen Jahren, im Durchschnitt neuer Höchsttemperaturen. Bei einem solchen Wetter...

DWN
Unternehmen
Unternehmen EU Start-up Offensive: Brüssel will Europas Innovationslücke schließen
10.08.2025

Mit Rentenmilliarden, schneller Finanzierung und einem EU Pass will Brüssel Europas Start ups beflügeln – doch freiwillige Regeln, hohe...

DWN
Technologie
Technologie Das Weltall: Die neue ökonomische Frontlinie
10.08.2025

Wem nützt Raumfahrt überhaupt? Im Hintergrund entsteht eine neue wirtschaftliche Realität – Daten, Technologien und Industrien in der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Zuverlässigkeit im europäischen Luftverkehr: Welche Airline hält Wort – und welche nicht?
10.08.2025

Verspätungen, Streiks, Entschädigungen – der europäische Luftverkehr steht unter Druck. Eine aktuelle Analyse deckt auf, welche...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Geopolitik, KI und Regulierung befeuern Europas Sicherheitsausgaben
10.08.2025

Geopolitische Spannungen, strengere Gesetze und KI-getriebene Cyberangriffe zwingen Europas Wirtschaft zu massiven Investitionen in...

DWN
Finanzen
Finanzen Steuerlast: Wie Deutschland Durchschnittsverdiener abzockt und Spitzenverdiener entlastet
09.08.2025

Deutschland hat die zweithöchste Abgabenlast weltweit – aber nur für Normal- und Geringverdiener. Ein OECD-Vergleich zeigt, dass...