Politik

Manipulation: Merkel verhängt Zensur über die ARD-Tagesschau

Bundeskanzlerin Merkel hat über einen Bericht der ARD offenbar ganz klassisch die Zensur verhängt. Die Antworten der Kanzlerin bei einem Gespräch mit Schülern in Berlin durften nicht gefilmt werden. Kritiker fühlen sich an die „Aktuelle Kamera“ der DDR erinnert. Besonders ärgerlich: Die Deutschen müssen für die Willkür der die Sender kontrollierenden Politiker acht Milliarden Euro jährlich aus einer Zwangsgebühr entrichten.
14.05.2015 17:32
Lesezeit: 3 min

Dem streitbaren Publizisten Henryk M. Broder ist ein eklatanter Fall von Zensur durch das Bundeskanzleramt in der ARD aufgefallen. Broder hat die Tagessschau um 17.00 Uhr vom Dienstag aufmerksam verfolgt und kommt zu einem vernichtenden Urteil: „Offenbar entscheidet bei den öffentlich-rechtlichen Sendern die Kanzlerin, was gedreht werden darf. Merkels Besuch in einer Berliner Schule erinnert an die Besuche Honeckers bei den Jungen Pionieren.“

Der Fall ist in der Tat bemerkenswert: Die ARD hatte aus Anlass des Besuchs des israelischen Staatspräsidenten in Berlin Angela Merkel in eine Schule begleitet. Dort hätte es von „Schülern mit palästinensischen Wurzeln“ die Frage an Merkel gegeben, warum Deutschland Waffen nach Israel exportiere. Die Tagesschau sendet die Antwort der Kanzlerin nicht, sondern berichtet zu unverfänglichen Bildern aus großer Entfernung in indirekter Rede: „Wegen seiner Geschichte habe Deutschland die Verantwortung, Israel zu unterstützen, so ihre Antwort. Doch auch die dürfen Kameras schon nicht mehr drehen.“

Wir haben es hier mit einem Lehrbeispiel von klassischer Zensur zu tun: Eine staatliche Behörde verbietet Journalisten, einen Bericht nach rein journalistischen Kriterien zu verfertigen. In diesem Falle muss es ein Verbot gegeben haben, sonst hätte die Tagesschau nicht gesagt, dass Kameras nicht mehr drehen „dürfen“. Damit ist der Tatbestand der Zensur erfüllt: Die ARD-Redakteure hatten immerhin den Mut, den Eingriff der Politik in ihre Arbeit zu dokumentieren. Offenbar haben die ARD-Mitarbeiter versucht, die Antwort zu filmen – was ihnen verwehrt wurde.

Tatsächlich wirft der Vorfall ein ungünstiges Licht auf das Verständnis der Politik von Pressefreiheit in Deutschland. Für die Bürger ist der Fall besonders ärgerlich, weil die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland mit etwa acht Milliarden Euro jährlich von allen Deutschen zwangsfinanziert werden. Hinzu kommt noch die Deutsche Welle, die den Steuerzahler etwa 280 Millionen Euro jährlich kostet und sich seit neuestem als Anti-Putin-Propaganda-Kanal versteht.

Die Bürger müssen also eine enorme Summe aufbringen, um sich manipulieren zu lassen. Im Grund ist gegen einen Staatssender nichts einzuwenden: Das gibt es überall auf der Welt, aber es sollte angemessen sein: Man könnte im Zeitalter des Internet mit etwa 100 Millionen Euro jährlich bereits einen opulenten Staatssender machen, in dem die Politiker die Berichte nach Herzenslust zurechtbiegen können. Aber 8.000 Millionen Euro, mit Zwang von allen Haushalten eingetrieben?

Das viele Geld wird jedoch gebraucht, um eine Fiktion aufrechtzuerhalten: Die Gesellschaft sei ohne staatliche Fürsorge nicht in der Lage, sich seriös zu informieren. Daher werden tausende Mitarbeiter beschäftigt. Sie haben jedoch letzten Endes keine Chance, wenn die Politik es nicht will: Die Sender werden von den Parteien kontrolliert.

Um die sündhaft teuren Fußballrechte durchzudrücken, wird Fußball von Franz Beckenbauer zum Grundrecht“ erhoben, und die Deutschen sanft gezwungen, die Sender anzuschauen. Sonst wäre der gigantische Aufwand nicht mehr zu rechtfertigen. Erst kürzlich hat ein Gutachten ergeben, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland zu teuer ist. Die Studie, vom Bundesfinanzministerium in Auftrag gegeben, wurde von der Politik flächendeckend glatt ignoriert. Einzelne Sender der Öffentlich-Rechtlichen brachten kurze Analysen – meist spöttisch und mit dem Tenor, der von Experten geäußert wurden: Die Experten der Studie hätten eben keine Ahnung vom Fernsehen. Die Politiker im Hessischen Rundfunk wischten das Gutachten mit dem Vermerk „unwissenschaftlich“ vom Tisch.

Der Zensur-Fall in der Tagesschau wurde nur bekannt, weil offenbar einigen Redakteuren im Sender der Kragen geplatzt war.

Broder kommt zu einem pointierten Fazit:

„Noch skandalöser war, dass der Besuch der Bundeskanzlerin in der Berliner Schule so inszeniert wurde wie früher ein Besuch Erich Honeckers bei den Jungen Pionieren. Auch da durften die Medien dabei sein, aber nur so lange, wie der Generalsekretär es für angemessen und nützlich hielt. Dass die ,Tagesschau‘ die Antwort der Kanzlerin auf eine ,kritische Frage‘ nicht drehen darf, dass sich die Redaktion an diese Order hält, zeigt, wie weit die Kooperation zwischen der Regierung und den öffentlich-rechtlichen Medien mittlerweile gediehen ist.

Dass dieses Machtwort wenigstens erwähnt wurde, spricht immerhin für einen Rest an schlechtem Gewissen. So etwas könnte eines Tages als Beispiel für ,widerständiges Verhalten‘ gewertet werden. Willkommen in der neuen DDR mit menschlichem Antlitz.“

Wir müssen davon ausgehen, dass es sich bei dem Eklat in der Tagesschau nicht um einen Einzelfall handelt. Es gibt vermutlich viele Fälle, in denen die Politik in die Berichterstattung von ARD, ZDF und Deutschlandfunk eingreift – wenngleich vielleicht nicht ganz so frech wie um aktuellen Kamera-Verbot. Zuletzt hatte die Ständige Publikumskonferenz über auffallend viele tendenziöse Berichte zu Russland und der Ukraine protestiert. Die Proteste wurde zur Gänze als unbegründet abgewiesen. Man muss davon ausgehen, dass die Frequenz der Eingriffe eher zunehmen wird. Angela Merkel ist wegen der Spionage-Affäre angeschlagen und will die Deutungshoheit nicht verlieren. In einem solchen Stadium werden Politiker in der Regel noch unberechenbarer.

Es ist auch zu befürchten, dass die vielen aufrechten Journalisten in den Sendern resigniert haben und wegen der Medien-Krise nicht wagen, ihren Arbeitsplatz aufs Spiel zu setzen. Noch problematischer dürfte jedoch die Tendenz sein, sich von vornherein mit den Wünschen der Politik zu arrangieren und die Berichterstattung nach politischen Ritualen auszurichten, ohne dass es überhaupt eines Zensur-Aktes bedarf.

Die Berichts-Orgie, die wir immer bei Staatsbesuchen beobachten können, ist ein Beispiel für die vorauseilende Hörigkeit der Sender gegenüber der Politik: Das Programm in den öffentlich-rechtlichen Sendern wird, wenn sich die große Politik zelebriert, mit nichtssagenden Huldigungsberichten gefüllt. Die israelischen Medien sind da wesentlich entspannter: Ihr Staatspräsident war in Israel zuletzt ein Mega-Thema, als der damalige Amtsinhaber Mosche Katsav von einigen Jahren wegen Vergewaltigung sexueller Nötigung rechtskräftig zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde.

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