Vor genau 20 Jahren hat Wolfgang Schäuble, dass eine ungeordnete Euro-Zone zum Scheitern verurteilt ist. Sein Papier, das die Überschrift „Überlegungen zur europäischen Politik“ trägt, erklärt Schäubles hartes Verhalten gegenüber Griechenland. Es steht zu erwarten, dass er seine harte Haltung auch gegen die nächsten Crash-Kandidaten einnehmen wird. Für viele gilt Italien als das größte Risiko in einer auf fiskalpolitische Disziplin ausgerichteten Euro-Zone. Genau das hat Schäuble 1994 vorhergesehen. Daher ist sein Denken ganz anders als das von Frankreich. Paris ist nach dem Griechenland-Desaster vorgeprescht und will ein Kern-Europa forcieren - allerdings ganz klar mit Italien als vollwertigem Mitglied.
Als Schäuble seinen Masterplan für den Euro entwarf, befand sich die EU in der Phase vor der Ost-Erweiterung und vor der Einführung des Euro.
Die Euro-Zone wäre nach Schäubles Vorstellung zu einem Kern-Europa geworden. Schäuble schlug damals schon eine grundlegende Reform für alle EU-Institutionen vor. Er wollte das Europäische Parlament und die Subsidiarität in den einzelnen Staaten stärken: Das Parlament sollte demokratisch legitimierte Entscheidungen treffen. Sein Staatsverständnis war damals sehr liberal: Er wollte sicherstellen, dass der Staat nicht überbordend wird. Dazu sei zu klären, „ob öffentliche Hände, also auch die der Union, überhaupt bestimmte Aufgaben übernehmen oder sie gesellschaftlichen Gruppen überlassen sollen“.
Deutschland, Frankreich, Belgien, Luxemburg und die Niederlande sollten den Kern bilden. Die deutsch-französische Achse sollte der Motor der Integration werden.
Schäuble hat also bei seinem ursprünglichen Plan Italien ausdrücklich nicht als Teil des Euro gesehen. Und er begründete das fast wörtlich genauso, wie er den temporären Ausschluss Griechenlands aus dem Euro begründete: „Die Kerneuropa-Gruppe muss prinzipiell allen EU-Mitgliedern - vor allem dem Gründungsmitglied Italien, aber auch Spanien und selbstverständlich Großbritannien - ihre uneingeschränkte Bereitschaft glaubhaft machen, sie einzubeziehen, sobald sie bestimmte derzeitige Probleme gelöst haben und soweit ihre Bereitschaft reicht, sich in dem beschriebenen Sinne zu engagieren. Die Bildung einer Kerngruppe ist kein Ziel an sich, sondern ein Mittel, an sich widerstreitende Ziele - Vertiefung und Erweiterung - miteinander zu vereinbaren.“
Die aktuellen Zahlen der Europäischen Zentralbank (EZB) geben Schäuble recht: Die EZB hat in den vergangenen zwei Jahren massiv Staatsanleihen von Italien und Spanien aufgekauft. Damit sich diese Länder weiter billig verschulden können, hat die EZB in diesem Zeitraum spanische und italienische Bonds in der Höhe von 1 Billion Euro aufgekauft. Diese stehen in der Bilanz der EZB und machen 45 Prozent des BIP der Euro-Zone aus – wesentlich mehr als die Zentralbanken Großbritanniens, der USA oder Japans. Auf diesem Weg sind, gemeinsam mit dem ESM, de facto Eurobonds eingeführt, ohne dass es dazu den politischen Willen in Deutschland gegeben hätte. Für diese ungeheuren Summen haftet Deutschland zu 27 Prozent.
Daher ist Schäuble so alarmiert und versucht, mit Griechenland einen ersten Schnitt zu vollziehen. Er tut das nicht, weil er etwas gegen „die Griechen“ hätte. Dieser Eindruck könnte entstehen, wenn man die Ressentiments von Schäubles Parteikollegen hört.
Ob Schäuble das Rad der Zeit zurückdrehen kann, kann nicht seriös beantwortet werden. Dass seine Intervention „gegen“ Griechenland einen ekelhaften Nationalismus fast überall in Europa zum Vorschein bringen würde, hat Schäuble sicher nicht gewollt. Er dürfte es jedoch geahnt haben, hat es jedoch in Kauf genommen, weil er die gesamte Dimension der europäischen Schulden-Katastrophe ganz genau kennt.
Die Langfassung der Analyse des Masterplans von Schäuble - hier.