Der ehemalige PIMCO-Chef und derzeitige Chef-Ökonom der Allianz Mohamed El-Erian warnt vor weiteren Verwerfungen am Aktienmarkt. El-Erian hält es für bedenklich, dass sich die US-Börsen auch angesichts guter Konjunktursignale, einer Aufholjagd an Europas Börsen und der geldpolitischen Maßnahmen der chinesischen Zentralbank nicht erholt haben. Die Märkte würden zusehends das Vertrauen verlieren, dass die Zentralbanken die Lage noch kontrollieren könnten. Stattdessen steht ihnen eine schmerzhafte Korrektur bevor, so der ehemalige PIMCO-Chef.
„Der heutige Verlust war besonders besorgniserregend, weil er auf ein scheinbar perfektes Setup folgte: (I) Stabilisierung der asiatischen Börsen (außerhalb Chinas), (II) geldpolitischer Stimulus der chinesischen Zentralbank PBOC, (III) ein starker Kursanstieg in Europa, und (IV) eine solide Start- und Mittelphase der US-Märkte. Aber all das hatte am Ende wenig Bedeutung, als der Dow nach seinem Rekord-Verlust weiter nach unten fiel. Zusammen mit anderen US-Indices beendete er den Tag mit einem erheblichen Minus“, so El-Erian auf seinem Facebook-Profil.
Der US-Aktienmarkt startete nach seinem Rekordverlust am Montag am folgenden Handelstag zunächst mit weiteren Abverkäufen. Es folgte eine kurze Phase der Erholung, die dem Leitindex ein zwischenzeitliches Plus von 2,5 Prozent im Vormittagsgeschäft einbrachten. Angetrieben wurde die Aufholjagd von einer überraschenden Zinssenkung in China und der Hoffnung, dass die Federal Reserve eine Zinserhöhung im September angesichts der Marktturbulenzen aufschieben könnte. Zudem wirkten die leicht anziehenden Rohstoff-Preise positiv auf den Handel an der Wall Street.
Doch die Verkäuferseite ahnte schnell, dass die Erholung kein Fundament hatte und nicht von Dauer sein würde. Auch positive Konjunkturdaten und ein überraschend positives Konsumklima konnten die Verkaufswelle nicht bremsen. Auf den sogenannten „Dead-Cat-Bounce“ – eine kurzfristige, aber nicht anhaltende Erholung der Aktienkurse – folgte ein weiterer Abverkauf, der dem Dow Jones Industrial am Ende ein Tagesminus von 1,29 Prozent bei 15.666,44 Punkten bescherte. Das ist der tiefste Stand seit mehr als 18 Monaten und weitet den Verlust der letzten fünf Handelstage auf mehr als 10 Prozent aus. Auch der S&P-500-Index fiel um 1,35 Prozent auf 1867,62 Punkte. Der Technologie-Index Nasdaq büßte 0,55 Prozent ein und verblieb bei 4016,32 Punkten.
„Dieser Verlust wird zwangsläufig weiteren technischen Schaden in einem Markt anrichten, der ohnehin sehr zaghaft war. […] Und es wird das Vertrauen der Marktteilnehmer untergraben, dass die Zentralbanken die Macht haben, die Volatilität zu unterdrücken“, so El-Erian weiter. „Ohne einen externen Stabilisator, bleibt dem Markt nichts anderes übrig, als nach einem internen Stabilisator zu suchen – wahrscheinlich durch einen unvermeidbaren stark schwankenden Preisfindungs-Prozess.“
Die Volatilität bleibt auch im deutschen Aktienhandel weiterhin hoch. Der deutsche Leitindex DAX, der am Dienstag noch fünf Prozent gewonnen hatte und somit wieder über der 10.000-Punkte-Marke lag, geriet am Mittwoch erneut unter Druck. Die anhaltende Nervosität der US-Börse belastete den DAX dabei ebenso wie schlechte Werte aus China. Dort konnten die geldpolitischen Maßnahmen der Zentralbank die Anleger an der chinesischen Börse nur kurzzeitig besänftigen. Schon am Mittwoch sah sich die Zentralbank dazu gezwungen, den heimischen Bankensektor mit kurzfristigen Krediten zu stützen. Einige Investoren werteten dies als ein Indiz dafür, dass die Effekte Zinssenkung bereits verpufft sind, und reagierten erneut mit Abverkäufen. Der Leitindex der Börse Shanghai drehte kurz vor Handelsschluss ins Minus und verlor 1,3 Prozent. Auch der DAX verlor am Mittwoch zunächst 1,7 Prozent und fiel auf 9954 Zähler. Doch im Laufe des Handelstages wurde die 10.000er-Marke zurückerobert.
Währenddessen hat die Suche nach einem Schuldigen für die weltweiten Börsenturbulenzen begonnen. China weist dabei jegliche Verantwortung zurück und schiebt die Kursverluste vom Montag auf die bevorstehende Zinserhöhung der Federal Reserve. In den USA werden die Ereignisse dagegen völlig anders bewertet: Der Experte für Währungskriege, Jim Rickards, die Yuan-Abwertung der Chinesen als eine Art „finanzielles Pearl Harbour“. China habe mit seiner Maßnahme bewusst den Währungskrieg verschärft. Neben den herben Verlusten am Aktienmarkt kommt nach Meinung des ehemaligen Chefs der Federal Reserve Alan Greenspan zudem noch eine Blase am US-Anleihenmarkt hinzu.
„Wir haben eine bevorstehende Blase am Anleihenmarkt. Wenn wir lediglich die Struktur des Aktienkapitals austauschen und wir die Preise von Anleihen nehmen und statt der erwarteten Aktienrendite die erwarteten Zinsrenditen heranziehen, dann ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis eine außerordentlich instabile Position. Und um schließlich zu bestimmen, wohin es geht, muss man nur zurück in die Geschichte blicken und sich fragen, was der normale Zinssatz ist“, so Greenspan in einem Interview mit Bloomberg.