Politik

Schwere Krise: Präsident des Bundesamtes für Flüchtlinge tritt zurück

Der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge tritt zurück. Das ist ein alarmierendes Signal: Die wichtigste Behörde fühlt sich offenkundig von der Politik überrollt. Man kann eine Behörde nicht führen, wenn die Regierung im Chaos versinkt.
17.09.2015 12:26
Lesezeit: 2 min

+++Aktuell: Berliner Polizei erschießt Terroristen nach Messerattacke auf Polizistin+++

Der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Manfred Schmidt, ist völlig überraschend zurückgetreten. Wie das Bundesinnenministerium am Donnerstag mitteilte, bat Schmidt aus „persönlichen Gründen“ darum, von seinen Aufgaben entbunden zu werden. Innenminister Thomas de Maizière habe dieser Bitte entsprochen. Über einen Nachfolger war zunächst nichts bekannt.

Schmidt war seit Dezember 2010 Präsident des BAMF in Nürnberg. Seine Behörde war zuletzt von der Politik als Sündenbock verwendet worden, weil es nicht gelungen war, die Kapazitäten des Amtes zügig auszuweiten. Derzeit stauen sich dort mehr als 250.000 Asylanträge. Die Behörde hat von der Bundesregierung offenbar keine Warnungen über die dramatische Eskalation erhalten.

Die Behauptung, der Rücktritt sei aus „persönlichen Gründen“ ist natürlich eine dreiste Unwahrheit: Manfred Schmidt gilt als korrekter Beamter, der am Höhepunkt einer historischen Flüchtlingskrise nicht einfach zurücktritt. Der Chef von Pro Asyl, sagte der AFP, Schmidt sei „eine hoch zu schätzende Persönlichkeit“. Er sieht die Gründe für die überlangen Asylverfahren nicht bei BAMF, sondern beim Bundesinnenminister.

Um nicht selbst in die Kritik zu geraten, haben sich aber offenbar Bundesregierung und Ministerpräsident das Amt als Sündenbock für ihr eigenes Versagen ausgesucht: Die Ministerpräsidenten hatten in den vergangenen Tagen einen anschwellenden Gesang massiver Kritik sowohl am Innenministerium als auch am Bundesamt intoniert. Dem BAMF wurde speziell vorgeworfen, mit einen Tweet Ende August verantwortlich dafür zu sein, dass sich der Zustrom von Flüchtlingen massiv verstärkt hatte. Das BAMF hatte damals intern entschieden, dass syrische Asylbewerber die in Ungarn registriert wurden, dann aber nach Deutschland weitergereist waren, vorerst nicht nach Ungarn zurückgeschickt würden. Dies war von vielen Flüchtlingen als Signal gewertet worden, dass man vor Abschiebung sicher sei, wenn man Deutschland erreicht hat.

Das ist eine absurde  Verdrehung der Abfolge: Schmidt hat die Politik nachvollzogen, die ihm die Bundesregierung vorgegeben hatte. Das war zunächst eine Aufnahmebereitschaft ohne Wenn und Aber und dann eine plötzliche Kehrtwende mit der Schließung der Grenzen. Es ist für eine Behörde unmöglich, auf eine derart sprunghafte Politik angemessen zu reagieren.

Den verstärkten Zustrom muss die Bundesregierung sich selbst anrechnen: Denn Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte höchstselbst gesagt, dass es keine Obergrenzen für Asylsuchende gibt – was zwar in einem rechtstheoretischen Seminar ein legitimer Standpunkt wäre, in der realen Politik jedoch dazu führte, dass tausende Flüchtlinge sich auf den Weg nach Deutschland machten. Die anderen EU-Staaten verweisen nun ebenfalls auf die Aussage Merkels und schicken die Flüchtlinge nach Deutschland.

Der Rücktritt des Präsidenten der Behörde reflektiert im übrigen, was die Ministerpräsidenten noch am Montag selbst konstatiert hatten: dass sie nämlich den Überblick über die Flüchtlinge verloren hätten.

Der spektakuläre Rücktritt ist ein äußerst alarmierendes Zeichen. Denn Merkels chaotische Politik (Grenzen auf, Grenzen zu, wir schaffen das, das freundliche Gesicht) führt offenkundig zu Zerfallserscheinungen der rechtsstaatlichen Strukturen in Deutschland. Wenn Merkel und ihr Partner Sigmar Gabriel nicht schnell wieder auf den Boden des Gesetzes und der Vernunft kommen, dann droht eine echte Staatskrise in Deutschland.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Panorama
Panorama Nur noch fünf Minuten: Schlummertaste in Deutschland beliebt
01.06.2025

Mit der Schlummertaste kann man das Aufstehen verzögern. Ärzte raten davon ab, aber die Praxis ist gerade in Deutschland gängig....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Gesundheitscheck vor der Einstellung: Rechte und Grenzen für Bewerber
01.06.2025

Ein Vorstellungsgespräch ist erfolgreich verlaufen, doch bevor der Arbeitsvertrag unterschrieben wird, fordert der potenzielle Arbeitgeber...

DWN
Technologie
Technologie SaaS ist tot – die Zukunft gehört der KI, nicht Ihrer Plattform
01.06.2025

Niemand will die Nutzung Ihrer Plattform lernen – Unternehmen wollen Ergebnisse. Künstliche Intelligenz ersetzt Tools durch fertige...

DWN
Panorama
Panorama EU-Reform könnte Fluggastrechte deutlich schwächen
01.06.2025

Von Verspätungen betroffene Fluggäste haben in Zukunft möglicherweise deutlich seltener Anspruch auf Entschädigung. Die EU-Staaten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wettlauf um die Zukunft: Wie die USA ihre technologische Überlegenheit retten wollen
01.06.2025

China wächst schneller, kopiert besser und produziert billiger. Die USA versuchen, ihre Führungsrolle durch Exportverbote und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Freelancer: Unverzichtbare Stütze in flexiblen Arbeitswelten
01.06.2025

Trotz Homeoffice-Boom bleibt die Nachfrage nach Freelancern hoch. Warum Unternehmen auf Projektarbeiter setzen, wo die Vorteile liegen –...

DWN
Politik
Politik „Choose Europe“: Brüssel will Gründer mit Kapital halten
31.05.2025

Die EU startet einen neuen Wachstumsfonds, der Start-ups mit Eigenkapital unterstützen und in Europa halten soll. Doch Geld allein wird...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Energiewende umgekehrt: US-Firmen fliehen vor Trumps Klimapolitik – nach Europa
31.05.2025

Während Trump grüne Fördermittel in den USA kürzt, wendet sich die Clean-Tech-Branche von ihrer Heimat ab. Jetzt entstehen in Europa...