Politik

EU will polnische Regierung unter Aufsicht stellen

Lesezeit: 2 min
03.01.2016 15:00
Die EU-Kommission plant offenbar, die polnische Regierung unter Aufsicht zu stellen. Dies wäre die erste Stufe zum Entzug der Stimmrechte. Die EU ist erst einmal gegen Mitgliedsland so drastisch vorgegangen: Das war im Jahr 2000 gegen Österreich wegen Jörg Haider. Dieses Beispiel zeigt: Die Ächtung durch die EU hat der FPÖ zu einem nachhaltigen Aufschwung verholfen.

Werbung+++

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die polnische Regierung gerät wegen ihrer umstrittenen Medienreform zunehmend unter Druck der EU. Der für Medienpolitik zuständige EU-Kommissar Günther Oettinger sprach sich in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" dafür aus, Warschau "unter Aufsicht" zu stellen.

Es spreche "viel dafür, dass wir jetzt den Rechtsstaatsmechanismus aktivieren und Warschau unter Aufsicht stellen", sagte Oettinger der "FAS". Er werde sich dafür bei der Sitzung der EU-Kommission am 13. Januar einsetzen. Der Zeitung zufolge setzte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker das Thema auf die Tagesordnung.

Juncker will demnach ein Instrument nutzen, das es erst seit 2014 gibt: Es sieht einen strukturierten Dialog mit einem Mitgliedstaat vor, wenn die Kommission systembedingte Gefahren für die Rechtsstaatlichkeit erkennt. Wenn der Staat nicht auf Änderungsvorschläge aus Brüssel reagiert, kann die Kommission ein Verfahren wegen des Verstoßes gegen europäische Grundwerte einleiten. Das sei noch nie geschehen, könne aber bis zum Entzug von Stimmrechten führen, hieß es in dem "FAS"-Bericht.

Vor 16 Jahre hatte die EU wegen der Wahl von Jörg Haider in die österreichische Bundesregierung erstmals Sanktionen gegen ein Mitgliedsland verhängt. Doch tatsächlich kann die EU wenig machen, außer öffentlichen Druck zu erzeugen. Im Falle Haiders ist die damals von der EU geächtete FPÖ mittlerweile auf dem Weg, stärkste Partei in Österreich zu werden - und das trotz des Todes des Parteigründers. Im Jahr 2015 hat die FPÖ bei allen Landtagswahlen teilweise dramatisch hinzugewonnen. Im Oberösterreich und im Burgenland gibt es mittlerweile Koalitionen mit FPÖ-Beteiligung. Keines der Bundesländer wurde von der EU unter Aufsicht gestellt - obwohl die FPÖ unter Heinz-Christian Strache deutlich radikalere Töne etwa in der Ausländerdiskussion von sich gibt als es unter Haider der Fall war.

Nach mehreren umstrittenen Gesetzesänderungen unter der neuen polnischen Regierung plant die EU-Kommission für Mitte Januar eine Debatte über die Lage des Rechtsstaats in Polen. Das erklärte ein Kommissionssprecher am Sonntag in Brüssel. Die Regierung in Warschau hatte zuvor eine Reform des staatlichen Rundfunks sowie ein von der EU kritisiertes Gesetz zur Reform des Verfassungsgerichts verabschiedet. Allerdings hatte sie das Gesetz zum Verfassungsgericht erst verabschiedet, nachdem die Vorgänger-Regierung noch knapp vor der Wahl einige ihr genehme Richter auf ihre Posten hieven wollte.

Nach Angaben des Sprechers wird sich die EU-Kommission am 13. Januar mit der Situation des Rechtsstaats in Polen befassen. Die Debatte ist die Vorstufe zu einem Prüfverfahren, das der Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit durch die Mitgliedstaaten dient.

Das polnische Parlament hatte zum Jahreswechsel im Eilverfahren ein Mediengesetz verabschiedet, das die konservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Jaroslaw Kaczynski durchgesetzt hatte. Damit werden die Chefs der öffentlich-rechtlichen Sender künftig direkt von der Regierung ernannt oder abberufen. Eine zuvor verabschiedete Reform des Verfassungsgerichts erfordert neue Anwesenheits-Quroa bei Entscheidungen.

Beim polnischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk TVP gaben mehrere Senderchefs des TVP gaben offenbar aus Protest gegen das Mediengesetz ihren Posten auf. Sie dürften allerdings auch ohne ihre Posten in den Genuss einer stattlichen Rente kommen, weil dies mittlerweile Standard bei allen öffentlich-rechtlichen Sender in Europa ist.

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Bildung für die Zukunft SOS-Kinderdorf Thüringen im Einsatz für die Demokratie

In einer Zeit, in der die Unzufriedenheit mit der Politik wächst, engagiert sich das SOS-Kinderdorf Thüringen mit einem Demokratieprojekt...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Clean Industrial Deal: Warum die EU jetzt handeln muss
26.12.2024

Vor fünf Jahren setzte die EU mit dem Europäischen Green Deal neue Maßstäbe im globalen Klimaschutz. Heute, angesichts wachsender...

DWN
Politik
Politik „Atomkraft? Nein Danke“: Habeck-Ministerium manipulierte wohl AKW-Studie für Atomausstieg
26.12.2024

Manipulation im Wirtschaftsministerium? Wie interne Unterlagen jetzt aufdecken, soll das Wirtschaftsministerium unter Robert Habeck gezielt...

DWN
Politik
Politik Papst eröffnet Heiliges Jahr mit Hoffnungsbotschaft
26.12.2024

Ein strammes Programm hatte der gesundheitlich angeschlagene Papst an Weihnachten zu stemmen: Er eröffnete das Heilige Jahr der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschland schafft Gasspeicherumlage ab: Entlastung für Nachbarländer, Mehrkosten für Verbraucher
26.12.2024

Deutschland verabschiedet sich von der umstrittenen Gasspeicherumlage an Grenzübergangspunkten zu Nachbarländern. Mit einer Änderung des...

DWN
Immobilien
Immobilien Sechs Jahre Mietenstopp: Können Mietpreiserhöhungen gesetzlich verboten werden?
26.12.2024

Der aktuelle Wohnmarkt bereitet Volk wie Bundesregierung Kopfzerbrechen. Laut Umfragen glauben immer weniger Deutsche daran, sich den Traum...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Überstunden steuerfrei: Ab 2025 wird es Realität?
26.12.2024

Überstunden ab 2025 steuerfrei? Wenn diese Pläne Wirklichkeit werden, könnten Arbeitnehmer von einer höheren Auszahlung ihrer...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Kann Automatisierung die deutsche Industrie retten?
26.12.2024

Die deutsche Wirtschaft kämpft mit Fachkräftemangel und explodierenden Kosten. Wie können Automatisierung und Robotik diese...

DWN
Politik
Politik Wahlforscher Jung: Die Union hat ein "Merz-Problem" - und Habeck eine gute Chance
26.12.2024

Es sei sehr wahrscheinlich, dass Unionskandidat Merz der nächste deutsche Bundeskanzler wird, sagt Wahlforscher Matthias Jung. Doch er...