US-Wirtschaft zeigt Stärke: BlackRock setzt auf langfristige Strategie
Die anhaltende Widerstandskraft der US-Wirtschaft sorgt für Aufmerksamkeit, doch bei BlackRock begegnet man der Lage mit kontrollierter Zuversicht. Rich Kushel, Leiter des Portfoliomanagements und Mitglied der Konzernleitung, macht deutlich, dass das Unternehmen trotz der enormen Dimensionen des verwalteten Vermögens von 12.500 Milliarden US-Dollar mit ruhiger Hand agiert. BlackRock sieht seine Aufgabe nicht darin, kurzfristige Marktbewegungen zu bewerten, sondern Kapital langfristig zu steuern, wobei betont wird, dass kein Cent des verwalteten Geldes dem Unternehmen selbst gehört. Entscheidend sei die Fähigkeit, die Märkte mit Disziplin zu navigieren und Entwicklungen nüchtern einzuordnen. Kushel beschreibt die Märkte nicht als besonders freundlich oder herausfordernder als in anderen Phasen, sondern als konstant anspruchsvoll und nennt genau das die eigentliche Aufgabe eines globalen Vermögensverwalters: nicht von Stimmungen getrieben zu sein, sondern Struktur in Unsicherheit zu bringen und Strategien durchzuziehen, auch wenn die öffentliche Debatte von Nervosität und kurzfristigen Erwartungen geprägt ist.
KI, Energiewende und geopolitische Kräfte als langfristige Marktdynamik
In seiner Bewertung der US-Märkte hebt Kushel hervor, dass die wirtschaftliche Dynamik der Vereinigten Staaten weiterhin stärker ist, als viele Beobachter erwartet hatten. Selbst wenn der Arbeitsmarkt Anzeichen einer gewissen Abkühlung zeige, ändere dies nichts daran, dass die Gesamtökonomie in mehreren Bereichen beeindruckende Stabilität aufweise. Für Entscheidungsträger wie die Federal Reserve entstehe dadurch ein Spannungsfeld, da geldpolitische Straffung auf eine noch robuste Konjunktur trifft. BlackRock selbst setzt dennoch auf eine fortgesetzte Übergewichtung in Aktien und vertritt eine klare Pro-Risiko-Strategie.
Als zentrale Triebkräfte für die Märkte identifiziert Kushel vier übergeordnete Themenfelder: die rasante Entwicklung im Bereich künstlicher Intelligenz, die globale Transformation der Energieversorgung, demografische Verschiebungen und eine zunehmende geopolitische Fragmentierung. In dieser Gemengelage sei Unsicherheit nicht ausschließlich negativ, sondern könne, richtig interpretiert, zu einem bedeutenden Vorteil für Anleger werden, die über die technologische Infrastruktur und die analytische Fähigkeit verfügen, aus Marktverwerfungen gezielt Chancen zu extrahieren. Neben wachstumsorientierten Sektoren verweist er ausdrücklich auf den Gesundheitsbereich, der durch seine defensiven Eigenschaften zugleich Stabilität und kontinuierliche Ertragskraft bieten könne und daher im Portfolio eine strategische Rolle einnimmt.
Bewertung der Technologieriesen und der KI-Euphorie aus Sicht eines Großinvestors
Angesprochen auf die hohen Bewertungen der großen US-Technologiekonzerne rund um das Thema künstliche Intelligenz, erteilt Kushel simplen Blasenwarnungen eine Absage. Er argumentiert, dass eine Bewertung erst dann gefährlich werde, wenn zwischen Marktenthusiasmus und tatsächlicher operativer Transformation der Unternehmen eine zu große Diskrepanz entstehe. Der entscheidende Punkt sei nicht das Investitionsvolumen, sondern die Geschwindigkeit und Konsequenz, mit der Geschäftsmodelle angepasst und neue Technologien in reale Prozesse überführt würden.
Nach seiner Einschätzung seien Marktstimmung und Umsetzung zwar nicht in allen Fällen vollkommen deckungsgleich, doch gebe es keine Anzeichen für eine spekulative Übertreibung, wie sie frühere Technologiewellen geprägt habe. Auffällig sei zudem, dass die enormen Investitionen im KI-Bereich überwiegend aus laufenden Cashflows finanziert würden und nicht durch Fremdkapital, was das systemische Risiko erheblich reduziere. Die Euphorie sei vorhanden, aber sie werde von realem Kapitalfluss und tatsächlicher Unternehmensaktivität gestützt, was den Zyklus fundamental von rein spekulativ getriebenen Marktphasen unterscheide.
Europa steht zwischen Potenzial und strukturellem Rückstand
Mit Blick auf Europa betont Kushel, dass der Kontinent interessante Anlagechancen bietet, insbesondere in Sektoren wie Finanzdienstleistungen, Luftfahrt, Verteidigung und ausgewählten rohstoffnahen Industrien. Diese Bereiche profitierten zum Teil von geopolitischen Verschiebungen und einer neuen politischen Bereitschaft in mehreren europäischen Ländern, strategische Branchen stärker zu fördern. Dennoch macht er keinen Hehl daraus, dass Europa vor langfristigen strukturellen Herausforderungen steht. Während Länder wie Schweden durch Innovationsorientierung und technologische Offenheit positiv hervorstechen, bleibt der Abstand großer Teile Europas im Vergleich zu den USA und zunehmend auch zu Asien deutlich spürbar.
Kushel führt dies nicht nur auf Kapitalmangel zurück, sondern auf eine regulatorische Kultur, die Risiko eher verhindert als ermöglicht. Um die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken, brauche es einen regulatorischen Rahmen, der Innovation nicht nur zulässt, sondern aktiv fördert. BlackRock selbst plant daher, sein Engagement im Bereich Private Credit in Europa auszubauen, um Kapital verstärkt an kleine und mittlere Unternehmen weiterzuleiten, die sich außerhalb traditioneller Bankfinanzierung positionieren und trotzdem Wachstumspotenzial besitzen. Die Bewilligung solcher Kapitalströme sei entscheidend, um jenen unternehmerischen Kern zu stärken, der Europa langfristig in eine bessere strategische Position bringen könnte.
Zölle, politische Risiken und institutionelles Vertrauen
In der Diskussion um Handelszölle verweist Kushel auf akademische Analysen, nach denen Zölle in erster Linie als einmaliger Schock wirken und nicht zwangsläufig dauerhaft inflationstreibend sind. Dies gelte jedoch nur, wenn solche Maßnahmen nicht zu einem dauerhaften politischen Werkzeug würden, das je nach geopolitischer Lage flexibel eingesetzt wird. Sobald Zölle zu einem verhandelbaren Instrument werden, dessen Anwendung unvorhersehbar und selektiv erfolgt, steigen Unsicherheit und Risikoprämien im Markt deutlich. Auch politische Risiken spielen in Kushels Überlegungen eine Rolle.
Die Stärke des US-Dollars und die Anziehungskraft amerikanischer Vermögenswerte hängen eng mit dem Vertrauen in die Stabilität der Institutionen zusammen. Solange dieses Vertrauen besteht, bleibe auch die Rolle der USA als Leitwährungsnation unangetastet. Kushel zeigt sich dabei grundsätzlich gelassen und verweist darauf, dass das politische System der USA über Jahrhunderte hinweg zahlreiche Krisen, Polarisierungen und strukturelle Veränderungen überstanden hat, ohne seine Grundfunktionen zu verlieren.
Skaleneffekte als Vorteil großer Institutionen und Einschätzung der Zinsentwicklung
Ein wesentlicher Vorteil großer Vermögensverwalter wie BlackRock liegt für Kushel in der Fähigkeit, erhebliche Mittel in Technologie, Datenanalyse und den Aufbau interner Systeme zu investieren, die eine präzisere Risikoallokation und schnellere Reaktion auf Marktbewegungen ermöglichen. Die Aussage, Größe sei ein Nachteil bei der Generierung von Überrendite, sei überholt. Im Gegenteil, die größten Akteure verfügten heute über die Infrastruktur, um datenbasierte Strategien effizienter und konsequenter umzusetzen als kleinere Häuser. Dies führe zu einer neuen Marktdynamik, bei der Skaleneffekte und technologische Führungsfähigkeit direkte Renditevorteile schaffen. Mit Blick auf die Zinsentwicklung erwartet Kushel, dass die US-Notenbank die Leitzinsen noch zweimal senken sollte. Die aktuelle Geldpolitik bezeichne er als moderat restriktiv, und eine Entlastung insbesondere für einkommensschwächere Haushalte sei aus seiner Sicht sinnvoll, da vor allem zinsabhängige Wirtschaftssegmente auf Druck geraten seien. Insgesamt zeigt er sich überzeugt, dass die US-Börsen bis Jahresende höher stehen werden als zum aktuellen Zeitpunkt und dass die Unternehmensgewinne im kommenden Jahr solide ausfallen dürften.
Für Deutschland ergibt sich aus diesen Einschätzungen eine klare strategische Schlussfolgerung. Kapital fließt dorthin, wo Innovationskraft, Skalierbarkeit und technologischer Fortschritt sichtbar und strukturell verankert sind. Wenn Deutschland und die Europäische Union langfristig wettbewerbsfähig bleiben wollen, reicht es nicht aus, auf bestehende industrielle Stärke zu verweisen. Notwendig ist eine politische und regulatorische Neujustierung, die es mittelständischen Unternehmen ermöglicht, schneller Kapital zu erhalten, technologische Entwicklungen umzusetzen und sich unabhängig von starren Strukturen zu entwickeln. Private Credit, wie ihn BlackRock ausbauen will, könnte auch für den deutschen Mittelstand eine zunehmend wichtige Rolle spielen, sofern der regulatorische Rahmen das zulässt. Deutschlands Fähigkeit, Kapital, Technologie und regulatorische Klarheit zu verbinden, wird darüber entscheiden, ob es in einem globalen Wettbewerb, der immer stärker von Skaleneffekten und technologischer Umsetzung geprägt ist, bestehen kann.

