Politik

WHO-Rückzieher: Glyphosat soll nun doch nicht krebserregend sein

Lesezeit: 2 min
16.05.2016 17:09
Die WHO macht einen spektakulären Rückzieher: Anders als in einer Studie vor Monaten ermittelt, behauptet die WHO nun plötzlich, dass das Pestizid „vermutlich" nicht krebserregend sei. Es ist unklar, ob die Kehrtwende in Zusammenhang mit der geplanten Zulassung in der EU steht.

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Die WHO präsentiert sich als Chaos-Truppe – oder aber die Organisation steht unter gewaltigem Druck: Das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat des US-Konzerns Monsanto ist nach einer neuen UN-Studie vermutlich nicht krebserregend. Reuters meldet, dass die WHO plötzlich behauptet, es sei unwahrscheinlich, dass Glyphosat bei der Nahrungsaufnahme für Menschen ein Krebsrisiko darstelle. Reuters beruft sich auf anonyme Experten der Welternährungsorganisation (FAO) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die Chemikalie löse vermutlich auch keine Veränderungen des menschlichen Erbguts aus – behauptet die WHO nun, ohne allerdings auch nur den geringsten Beleg dafür vorzulegen.

Wieso die WHO ihre eigenen Forscher plötzlich korrigiert, ist unklar: Die Angaben sind nämlich das glatte Gegenteil dessen, was aus den Ergebnissen einer Untersuchung der Internationalen Behörde für die Krebsforschung (IARC) hervorgeht. Die IARC ist in Lyon ansässig und Teil der WHO. Die IARC hatte Glyphosat im März 2015 als wahrscheinlichen Krebserreger eingestuft.

In Deutschland streitet die Regierung derzeit darüber, ob die Zulassung von Glyphosat in der EU verlängert werden soll. Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hatte angekündigt, die SPD-Ressorts würden eine Wiederzulassung des Herbizids in der EU ablehnen. Agrarminister Christian Schmidt (CSU) erklärte daraufhin, er habe „überhaupt kein Verständnis für die Rolle rückwärts“ von Hendricks. Inzwischen hat sich das Kanzleramt in den Streit eingeschaltet.

Die EU stimmt in dieser Woche über die weitere Zulassung des Pestizids ab. Frankreich will dagegen votieren. Sollten die deutschen Ministerien kein Einvernehmen erzielen, wird sich Deutschland bei der Abstimmung enthalten. Derzeit ist unklar, ob eine Mehrheit für eine Verlängerung zustande kommt.

Nach einem Reuters vorliegenden EU-Entwurf soll Glyphosat für weitere neun Jahre zugelassen werden. Damit kam die EU-Kommission bereits Bedenken entgegen, denn ursprünglich sollte die Nutzung von Glyphosat für weitere 15 Jahre genehmigt werden. Das EU-Parlament hatte sich dagegen für eine auf sieben Jahre befristete Wiederzulassung ausgesprochen.

Glyphosat wird seit den 70er Jahren in der Landwirtschaft eingesetzt. Monsanto vertreibt es unter dem Markennamen Roundup und erzielte damit im vergangenen Jahr einen Umsatz von 4,8 Milliarden Dollar. Auch andere Konzerne produzieren das Mittel – unter anderem aus der EU und aus China. Es ist anzunehmen, dass die Konzerne erheblichen Druck auf die EU ausgeübt haben. 

*** Bestellen Sie den täglichen Newsletter der Deutschen Wirtschafts Nachrichten: Die wichtigsten aktuellen News und die exklusiven Stories bereits am frühen Morgen. Verschaffen Sie sich einen Informations-Vorsprung. Anmeldung zum Gratis-Newsletter hier. ***


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Bildung für die Zukunft SOS-Kinderdorf Thüringen im Einsatz für die Demokratie

In einer Zeit, in der die Unzufriedenheit mit der Politik wächst, engagiert sich das SOS-Kinderdorf Thüringen mit einem Demokratieprojekt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Quiet Quitting: Der stille Job-Rückzug mit gefährlichen Folgen
22.12.2024

Ein stiller Rückzug, der Unternehmen erschüttert: Quiet Quitting bedroht die Substanz deutscher Betriebe. Warum immer mehr Beschäftigte...

DWN
Politik
Politik Steuern und Abgaben: Mehrheit der Steuerzahler zahlt 2025 noch mehr – mit oder ohne Ampel!
22.12.2024

Das „Entlastungspaket“ der Ampel ist eine Mogelpackung, denn Steuersenkungen sind nicht vorgesehen. Im Gegenteil: Ab dem 1. Januar 2025...

DWN
Technologie
Technologie DWN-Sonntagskolumne: Künstliche Intelligenz Hype Cycle - Zwischen Revolution und Enttäuschung
22.12.2024

Ist künstliche Intelligenz nur ein Hype oder der Beginn einer Revolution? Zwischen hohen Erwartungen, Milliardeninvestitionen und...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Psychische Gewalt am Arbeitsplatz: Ursachen, Folgen und Lösungen
22.12.2024

So können Unternehmen gegen verbale Übergriffe aktiv werden- Beleidigungen, Drohungen und Beschimpfungen: Rund ein Drittel der...

DWN
Politik
Politik Migrationskrise: Asyl-Rekordhoch in Deutschland und die illegale Migration an den Grenzen geht ungebremst weiter.
22.12.2024

In Deutschland leben fast 3,5 Millionen Geflüchtete, von Asylsuchenden über anerkannte Flüchtlinge bis zu Geduldeten. Das ist ein neuer...

DWN
Finanzen
Finanzen Kindergeld beantragen: Tipps und wichtige Infos für 2025
22.12.2024

Wussten Sie, dass Sie Kindergeld bis zu sechs Monate rückwirkend erhalten können? Dies gilt sowohl für Ihr erstes Kind als auch für...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Märchen vorbei? Steht Deutschlands Automobilindustrie vor dem Aus?
22.12.2024

Volkswagen in der Krise, Mercedes, BMW & Co. unter Druck – und hunderttausende Jobs stehen auf dem Spiel. Wie kann der Kampf um...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Credit Suisse-Debakel: Ausschuss sieht Schuld bei Bank
22.12.2024

Die Nervosität an den Finanzmärkten war im Frühjahr 2023 groß - drohte eine internationale Bankenkrise? Für den Schweizer...