Zehn Tage vor dem Referendum gewinnen die Befürworter eines Austritts Großbritanniens aus der EU deutlich an Rückenwind, wie Reuters am Dienstag meldete. In den Wettbüros wurden die Chancen eines Brexit am Montag so hoch eingeschätzt wie noch nie seit Ankündigung der Volksabstimmung vor vier Monaten. Nach Angaben des Online-Wettanbieters Betfair stieg die Wahrscheinlichkeit auf inzwischen 40 Prozent. Das bedeutet zwar, dass die Aussichten für einen Verbleib der Briten in der Europäischen Union mit 60 Prozent immer noch deutlich höher waren. Aber der Rückgang der Quote seit vergangenem Donnerstag fiel mit 18 Punkten beachtlich aus. Fast 50 Prozent aller Einnahmen des Wettbüros entfielen in den vergangenen 24 Stunden auf Wetten für oder gegen einen Brexit, wie Betfair schreibt.
Der Buchmacher William Hill bot Wettern, die auf einen Brexit setzen, daher nur noch die Hälfte des bisher in Aussicht gestellten Gewinns, wie ein Sprecher sagte. Falls die Wähler sich am Donnerstag kommender Woche (23. Juni) für einen Abschied aus der EU entscheiden, gibt es demnach bei einem Wetteinsatz von vier Pfund nur noch sieben Pfund zusätzlich oben drauf.
Investoren schauen mit großem Interesse auf die nahezu täglich veröffentlichten Quoten der Buchmacher. „Wetten sind der Versuch der Märkte, die Umfragen zusammenzufassen und von all deren Anfälligkeiten zu bereinigen“, sagt Fondsmanager Paul Lambert von Insight Investment. Aus Investorensicht haben die Buchmacher noch einen anderen Vorteil: Sie können ihre Quote praktisch in Echtzeit anpassen, nicht zuletzt auch dank der Online-Wettbörsen. Sie sind dadurch schneller als die Meinungsforscher, die für ihre Prognosen Tausende Wähler anrufen müssen.
Der Rückgang der Wettquote ist indes auch das Ergebnis einer neuen Meinungsumfrage des Instituts ORB für die Zeitung The Independent. Demzufolge liegen die Befürworter eines Brexit zehn Prozentpunkte vor den Gegnern. Bislang zeigen die zahlreichen Umfragen allerdings keinen einheitlichen Trend. Solche Erhebungen werden mit besonderem Argwohn betrachtet, nachdem der Wahlsieg von Premierminister David Cameron im vergangenen Jahr viel deutlicher ausfiel als erwartet. An den Finanzmärkten steigt seit Tagen die Angst vor einem Brexit. Viele Investoren befürchten einen wirtschaftlichen Rückschlag für ganz Europa, sollten die Briten sich aus der Union verabschieden.