Politik

Indien überrascht mit radikaler Bargeldreform

Lesezeit: 2 min
09.11.2016 17:04
Die indische Regierung zwingt ihr Land auf den Weg zur bargeldlosen Gesellschaft vorwärts.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Asien  
Bargeld  

Indien erklärte fast ohne Vorwarnung alle Banknoten im Wert von mehr als 1,36 Euro für wertlos. Das soll die Schattenwirtschaft eindämmen.

Eigentlich sollte der indische Premierminister Narendra Modi am Dienstagabend eine eher unspektakuläre Ansprache an die Nation halten. Doch was er sagte, löste ein wirtschaftliches Beben aus, dessen Folgen noch nicht absehbar sind. Gegen 20.30 Uhr Ortszeit verkündete der mächtigste Mann Indiens, dass nur wenige Stunden später das meiste Bargeld im Land nichts mehr wert sein würde.

«Um uns aus dem Griff von Korruption und Schwarzgeld zu befreien, haben wir entschieden, dass die aktuellen 500- und 1000-Rupien-Noten nicht mehr gültig sind», zitiert die dpa Modi. Ein 1000-Rupien-Schein, bisher die größte Banknote im Land, ist gerade einmal 13,60 Euro wert. Schon um Mitternacht sollte er nichts mehr wert sein. Die größte legale Banknote im Land ist nun der 100-Rupien-Schein - rund 1,36 Euro.

Schon kurz nach Modis Ansprache bildeten sich lange Schlangen vor den Geldautomaten, die aber entweder gar kein Geld mehr oder nur noch minimale Beträge ausspuckten. Am Mittwochmorgen stauten sich die Autos vor den staatlichen Tankstellen und Apotheken, die zu den wenigen Stellen gehörten, die ein paar Tage lang noch große Scheine annehmen durften. Den meisten von ihnen ging bereits am frühen Morgen das Wechselgeld aus, was häufig zu lautstarken Auseinandersetzungen führte. Kleinere Geschäfte und Straßenhändler hatten sichtlich weniger Kunden - was angesichts fehlender Geräte für bargeldlose Zahlung auch vorerst so bleiben dürfte.

Noch bis zum 30. Dezember haben Bargeldbesitzer nun Zeit, ihr Geld zur Bank zu bringen oder gegen neu entwickelte Banknoten im Wert von 500 oder 2000 Rupien zu tauschen, die die indische Notenbank RBI ab Donnerstag versprochen hat. Bargeld soll jedoch auch danach knapp bleiben: Gerade einmal 4000 Rupien (54 Euro) dürfen direkt getauscht werden, der Rest muss auf ein indisches Konto eingezahlt werden. Anschließend bleiben Abhebungen an Geldautomaten auf 4000 Rupien pro Tag limitiert, wer direkt in die Filiale geht, darf pro Woche zunächst nicht mehr als 20 000 Rupien abheben.

«Eine ganze Währung so auszutauschen wird die Wirtschaft kurzfristig bremsen», schreibt Fondsmanager Sandip Sabharwal auf Twitter. «Aber dafür werden die Bankeinlagen sprunghaft steigen und die Zinsen spürbar sinken.» Die indische Regierung erhofft sich durch den Zwang zum papierlosen Geld vor allem ein Ende der Schattenwirtschaft, die verschiedenen Schätzungen zufolge ein Fünftel bis ein Viertel der indischen Wirtschaftskraft ausmacht.

Besonders schmerzhaft dürfte die Umstellung für diejenigen werden, die kein Bankkonto haben. Laut Weltbank waren das im Jahr 2014 fast die Hälfte aller Inder. «Indien bleibt eine auf Bargeld basierende Wirtschaft», beginnt selbst die indische Notenbank ihre Erklärung zur Aktion.

Zu denen, die kein indisches Konto haben, gehören auch Touristen. Ihnen erlaubt die RBI noch bis einschließlich Freitag, bis zu 5000 Rupien in ihre eigene Währung zurück zu tauschen, jedoch ausschließlich an Wechselstuben an Flughäfen. Wie groß das wirtschaftliche Beben durch die Überraschungsreform tatsächlich wird, werden sie danach wohl nur noch aus der Ferne miterleben.


Mehr zum Thema:  

DWN
Panorama
Panorama Migration, Terrorgefahr und Krieg: Die größten Sorgen der EU-Bürger
24.11.2024

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine wird von Menschen in Osteuropa als ernste Bedrohung wahrgenommen. Doch betrachtet man die...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Jahresgutachten der Wirtschaftsweisen: Wo die Probleme in Deutschland liegen und was passieren muss
24.11.2024

In Deutschland gab es in den vergangenen Jahren größere Versäumnisse, sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft, die das Wachstum...

DWN
Politik
Politik Kommt die Wegzugsbesteuerung für deutsche Fondsanleger? Neues Hindernis gegen die Abwanderung ins Ausland beschlossen
23.11.2024

Eine geplante Wegzugsbesteuerung bei Investmentfonds soll zunehmende Abwanderung von Geld und Fachkräften aus Deutschland stoppen! Wie die...

DWN
Politik
Politik Solidaritätszuschlag: Kippt das Bundesverfassungsgericht die „Reichensteuer“? Unternehmen könnten Milliarden sparen!
23.11.2024

Den umstrittenen Solidaritätszuschlag müssen seit 2021 immer noch Besserverdiener und Unternehmen zahlen. Ob das verfassungswidrig ist,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Insolvenz von HH2E: Rückschlag für Habecks Energiewende - Wasserstoffprojekte in Sachsen in Gefahr
23.11.2024

Der Wasserstoff-Spezialist HH2E hat Insolvenz angemeldet, die Finanzierung durch ein britisches Private-Equity-Unternehmen ist gestoppt....

DWN
Panorama
Panorama 2050: Was erwartet Kinder in der Zukunft?
23.11.2024

Klimawandel, technologische Entwicklungen und demografische Veränderungen werden das Aufwachsen von Kindern in der Zukunft prägen, so die...

DWN
Technologie
Technologie Elektrifizierung: Wind und Solar boomen, doch Kohle bleibt der weltweit bedeutendste Energieträger
23.11.2024

Der Ausbau emissionsfreier Energieerzeugungskapazitäten schreitet in Rekordtempo voran. Doch auch die Nutzung von Kohle zur Stromerzeugung...

DWN
Panorama
Panorama Plastikmüll bekämpfen: UN-Abkommen soll globale Umweltverschmutzung eindämmen
23.11.2024

Plastikmüll ist eine wachsende Gefahr für Umwelt und Meere. Forschende aus den USA zeigen, wie vier Maßnahmen den falsch entsorgten...