Politik

Wahlbeobachter: Rechter Sektor will Odessa nach Parlaments-Wahl „säubern“

Der Wahltag in der Ukraine ist ruhig verlaufen. Zu gewaltsamen Übergriffen kam es nicht. Doch in Odessa trainieren paramilitärische Einheiten der Maidan-Bewegung für die Zeit nach der Wahl. Sie wollen die Stadt von den alten Eliten „säubern“. Odessa gilt als Hochburg der Janukowitsch-Anhänger.
26.10.2014 21:05
Lesezeit: 2 min

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: In der Ostukraine befinden sich Militärs im Einsatz. Konnten auch die ukrainischen Soldaten zur Wahlurne gehen?

Andrej Hunko: Die Soldaten konnten ihre Stimmen am Einsatzort abgeben. Allerdings gibt es eine Einschränkung: Das Parlament hat 450 Sitze. 225 der Parlamentarier werden direkt gewählt und die restlichen 225 werden im Rahmen des Proportional-Wahlrechts gewählt.

Die Soldaten haben nur das Proportional-Wahlrecht inne, weil sie sich außerhalb ihrer Wahlkreise befinden. Sie dürfen also Parteien wählen, doch keine direkten Kandidaten.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wieviel Wahlbeobachter befinden sich in der Ukraine?

Andrej Hunko: Es befinden sich 2.300 internationale Wahlbeobachter in der Ukraine, die über das gesamte Land verstreut tätig sind.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Gab es am Wahltag gewaltsame Auseinandersetzungen?

Andrej Hunko: Es ist relativ ruhig geblieben. Ausschreitungen oder Übergriffe hat es am Wahltag nicht gegeben. Doch hier in Odessa gibt es drei selbsternannte „Verteidigungs-Einheiten“, die sich aus der Maidan-Bewegung zusammensetzen. Bei diesen Einheiten handelt es sich um gewaltbereite Aktivisten, die derzeit paramilitärisches Training absolvieren. Dazu gehören auch Mitglieder des Rechten Sektors. Es ist zu befürchten, dass es vor allem in Odessa nach den Wahlen zu massiven Ausschreitungen kommt, weil der eine oder andere unzufrieden sein wird mit dem Wahlergebnis.

Zudem muss man bedenken, dass Odessa als Hochburg der alten Janukowitsch-Eliten gilt. Viele hier sind nicht anti-russisch eingestellt. In Odessa wird fast ausschließlich russisch gesprochen. Viele Menschen haben eine Verbundenheit zu Russland. Das gilt fast für den gesamten Südosten der Ukraine. Die Stadt ist zudem kosmopolitischer als beispielsweise Kiew. Nach den Wahlen könnten die „Verteidigungs-Einheiten“ gegen diese Eliten und ihre Unterstützer vorgehen. Sie bereiten sich jedenfalls auf Kämpfe vor.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie hoch war die Wahlbeteiligung in Odessa?

Andrej Hunko: Die Wahlbeteiligung in Odessa war relativ gering. Nur etwa 40 Prozent der Bürger sind zu den Wahlurnen gegangen, deutlich weniger als noch bei den Präsidentschaftswahlen im Mai. Das hängt auch mit einem Entfremdungs-Prozess der Bürger zusammen. Viele Einwohner von Odessa fühlen sich von Kiew nicht mehr vertreten.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie können wir uns den Zwist zwischen den alten und neuen Eliten vorstellen?

Andrej Hunko: Am 16. September hat das ukrainische Parlament das „Gesetz über die Säuberung des Regierungs-Apparats“ verabschiedet. Diesem umstrittenen Gesetz zufolge sollen alle Beamten aus dem ehemaligen Janukowitsch-Apparat entfernt werden. Das „Säuberungs-Gesetz“, auch „Lustrations-Gesetz“ genannt, richtet sich gegen über eine Million Menschen im Land.

Leider gab es bisher keine entschiedenen Stimmen aus dem Westen, die diesen „Säuberungs-Plan“ entschieden kritisiert haben.

Doch soweit ich weiß, hat sich die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung in Deutschland mit dieser Problematik auseinandergesetzt. Hier gibt es mittlerweile auch kritische Stimmen, nachdem die Entwicklung in der Ukraine seit den Maidan-Protesten zunächst völlig unkritisch bejubelt wurde.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was für ein Parlament erwartet die Ukraine?

Andrej Hunko: Den ersten Prognosen zufolge erwartet die Ukraine ein sehr nationalistisches Parlament. Das Verhältnis zu Russland wird weiterhin angespannt bleiben. Doch das hängt letztendlich auch von der Politik des Westen, insbesondere der USA ab.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Perplexity AI will Chrome übernehmen: KI-Suchmaschine bietet Milliarden
13.08.2025

Ein KI-Start-up wagt den Angriff auf Google: Perplexity AI will mit seiner KI-Suchmaschine den Chrome-Browser für Milliarden übernehmen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Steuerfreie Arbeitgeberzuschüsse: Attraktive Benefits als Alternative zur Gehaltserhöhung
13.08.2025

Smartphone, Kita-Gebühr, Rad oder Deutschlandticket: Mit diesen zehn Gehaltsextras können Beschäftigte Steuern und Abgaben sparen. Wie...

DWN
Politik
Politik Ukraine vor strategischem Kipp-Punkt: Russlands Vorstoß könnte Verhandlungsmasse für Putin werden
13.08.2025

Während die Front im Donbass unter schwerem Druck steht, dringt Russland kurz vor dem Trump-Putin-Gipfel tief in ukrainisches Gebiet vor...

DWN
Finanzen
Finanzen Renk-Aktie legt kräftig zu: Starke Auftragslage beflügelt Anleger
13.08.2025

Die Renk-Aktie überrascht Anleger mit starken Quartalszahlen und einem klaren Aufwärtstrend. Doch wie nachhaltig ist der Erfolg des...

DWN
Finanzen
Finanzen Eckert-Ziegler-Aktie stürzt ab – oder doch nicht? Was hinter dem vermeintlichen Kursverlust steckt
13.08.2025

Die Eckert Ziegler-Aktie zeigt zur Wochenmitte einen drastischen Kursrückgang – doch der Grund ist überraschend harmlos. Tatsächlich...

DWN
Unternehmen
Unternehmen TUI-Aktie: Tui profitiert von der Reiselust – Kreuzfahrten boomen
13.08.2025

Tui hat von April bis Juni gut verdient. Vor allem Hotels und Kreuzfahrten liefen stark. Die Gewinnprognose für das Gesamtjahr steigt.

DWN
Finanzen
Finanzen Deutschland: Verbraucherpreise steigen auch im Juli um 2,0 Prozent
13.08.2025

Teure Energiepreise, steigende Lebensmittelpreise: Im Schnitt haben die Verbraucherpreise in Deutschland im Juli mit 2,0 Prozent zum...

DWN
Finanzen
Finanzen Weniger Steuerprüfung, weniger Nachzahlungen: Finanzbehörden prüfen weniger
13.08.2025

Die Steuernachzahlungen gehen in Deutschland zurück, denn Steuererklärungen von Betrieben werden immer weniger geprüft. Personalmangel...