Unternehmen

Das Sparbuch wird zum Auslauf-Modell in Deutschland

Lesezeit: 2 min
03.12.2014 00:33
Das Geldvermögen der Deutschen entwickelt sich im Vergleich zu anderer großer Volkswirtschaften wie den USA nur unterdurchschnittlich. Und das, obwohl Einkommen und Sparquote im internationalen Vergleich hoch sind. Die Anleger haben jedoch wegen der niedrigen Zinsen das Vertrauen verloren. Vor allem die Generation der Hedonisten lässt sich offenbar leichtgläubig ins Risiko treiben und könnte in Zukunft verstärkt auf Aktien setzen.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Wer wie viel im Monat spart, hängt nicht vom verfügbaren Einkommen oder dem Bildungsniveau ab. Vielmehr beeinflusst das soziale Milieu unser Sparverhalten. Das ergab eine Studie der von Union Investment beauftragten Untersuchung „Sparverhalten der deutschen Haushalte – eine neue Sicht“.

„Wir zeigen, dass die Wertvorstellungen und das Lebensbild der Menschen, also das soziale Milieu, in dem sie leben, einen ganz erheblichen Einfluss auf ihr Sparverhalten haben“, so Studienleiter Bert Rürup.

Ausgangspunkt der Studie war die Frage, warum sich das Geldvermögen der Deutschen im Vergleich zu dem anderer großer Volkswirtschaften wie den USA und Frankreich nur unterdurchschnittlich entwickelt. Und das, obwohl Einkommen und Sparquote im internationalen Vergleich hoch sind.

Die Verunsicherung ist besonders im Mittelstand hoch:

Die Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung sowie die anhaltende Niedrigzinspolitik der EZB schüren drei Sorgen: zum Ersten, dass es sich nicht gelohnt habe und sich nicht mehr lohne, zu sparen, zum Zweiten, dass man den in der Erwerbsphase gewohnten Lebensstandard im Alter nicht halten können werde und zum Dritten, dass es die nachwachsende Generation schlechter haben werde als die der derzeit Berufstätigen. Von einem „Schrumpfen der Mitte“ ist die Rede und Abstiegsängste greifen um sich“, heißt es in der Studie.

Für die Studie wurden erstmals die verschiedenen Milieus der deutschen Mittelschicht analysiert, die maßgeblich die gesamtwirtschaftliche Vermögensbildung der Deutschen prägen.

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass das klassische Sparbuch ausgedient hat: „Wir müssen uns von der Vorstellung des typischen Sparers und seines tradierten Sparverhaltens lösen“, so Rürup. Im Niedrigzinsumfeld sparen viele Anleger auf Sicht. Langfristige Ziele geraten dabei in den Hintergrund. „Die Studie zeigt, dass die Menschen unverändert Wünsche haben, die sie sich nur erfüllen können, wenn sie dafür sparen“,

Die Studie konzentriert sich auf die Analyse der Mittelschicht. Zu ihr zählen alle privaten Haushalte in Deutschland mit einem verfügbaren Nettoeinkommen zwischen 70 und 150 Prozent des mittleren Einkommens. Das sind rund 60 Prozent aller Haushalte. Die ausgewählten fünf Milieus bilden die Mittelschicht am besten ab.

Traditionelle: Die Haushalte des traditionellen und gleichzeitig ältesten Milieus sind wirtschaftlich recht gut versorgt. Erreichtes soll bewahrt werden. Sie bevorzugen häufiger als der Durchschnitt der Gesamtbevölkerung sichere und liquide Geldanlagen wie Sparbücher, -konten und -briefe sowie festverzinsliche Wertpapiere.

Bürgerliche: Die bürgerliche Mitte kennzeichnet ein sehr stetiges und regelmäßiges Sparverhalten. Fast alle Sparformen sind verbreitet. Es werden überdurchschnittlich viele Kapitallebensversicherungen fällig und Bausparverträge frei. Damit stellt sich das Problem der Wiederanlage – bevorzugt in sichere Anlagen.

Sozialökologische: Ähnliches gilt für die Haushalte des sozialökologischen Milieus, das durch besonders viele Akademiker und Beamte geprägt ist. Hier ist breit vorgesorgt und der Immobilienbesitz überdurchschnittlich hoch. Auffällig ist der relativ hohe Anteil an Fondsbesitz.

Adaptiv-pragmatische: Die Haushalte des adaptiv-pragmatischen Milieus und der Hedonisten sind die jungen Milieus der Mittelschicht. Die Adaptiv-pragmatischen wollen ihre Kapitalanlagen optimiert wissen. Flexibilität ist Trumpf. Sie sind offen für Beratung und streben den Besitz von Immobilien an, die sie als Altersvorsorge sehen. Hinzu kommt ein überdurchschnittliches Interesse an Investmentfonds.

Hedonisten: Für die mehr spaßorientierten Hedonisten steht Wohlstandssicherung noch nicht im Fokus; Bildungssparen schon eher. Das Anlageverhalten ist wenig zielorientiert. Sie haben eine risikofreudigere Anlageneigung und interessieren sich für Börsendaten. Gemeinsam mit den Adaptiv-pragmatischen sind sie die potenziellen Aktiensparer von morgen.

Die Studie zeigt, dass in vielen Haushalten Anspruch und Wirklichkeit bei der Vermögensbildung auseinanderklaffen“, erläutert Rürup. „So interessieren sich gerade jüngere Haushalte stärker für Wertpapiere wie Aktien als die konservativen, in einem traditionellen Milieu verhafteten Haushalte. Aber trotzdem investieren die Jüngeren nicht mehr.“

Für klassische Sparformen wird es daher immer schwerer, die veränderten Erwartungen zu erfüllen.

 


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Bildung für die Zukunft SOS-Kinderdorf Thüringen im Einsatz für die Demokratie

In einer Zeit, in der die Unzufriedenheit mit der Politik wächst, engagiert sich das SOS-Kinderdorf Thüringen mit einem Demokratieprojekt...

DWN
Politik
Politik Trump will Panama-Kanal und Grönland
23.12.2024

Trump zeigt sich auf dem AmericaFest kampfbereit. In einer Rede voller provokanter Forderungen greift er zentrale Themen seiner kommenden...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Industrien retten: Hubertus Heils Strategien gegen Konjunkturkrise und Arbeitsplatzverlust
23.12.2024

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sieht in der aktuellen Konjunkturkrise eine massive Gefahr für die industrielle Basis...

DWN
Panorama
Panorama Überraschender Kulturwandel: Liebe zum Bargeld schwindet immer mehr
23.12.2024

Es gleicht einem Erdbeben. Aber auch die Deutschen scheinen die Vorzüge von Plastikkarten beim Zahlen und einlaufen zu schätzen. das...

DWN
Finanzen
Finanzen Antizyklisches Investieren: Lässt sich damit der Markt schlagen?
23.12.2024

Wer antizyklisch investiert, macht das Gegenteil dessen, was die meisten Anleger tun. Ist dabei eine höhere Rendite zu erwarten als bei...

DWN
Politik
Politik Und noch ein europäischer Alleingang: Fico zu Gesprächen mit Putin im Kreml
23.12.2024

Der slowakische Regierungschef Fico zeigt mit einem Überraschungsbesuch im Kreml, dass die EU-Front gegen Russlands Präsidenten Putin...

DWN
Panorama
Panorama Amokfahrt von Magdeburg: Trauer, Entsetzen und offene Fragen halten Deutschland in Atem
22.12.2024

Fünf Menschen sind tot, 200 verletzt: Nach der folgenschweren Fahrt mit einem Auto über den Weihnachtsmarkt in Magdeburg stellt sich die...

DWN
Politik
Politik Donald Trump hofft: Elon Musk übernimmt (noch) nicht die US-Präsidentschaft
22.12.2024

Kritiker nennen den Tech-Milliardär süffisant «Präsident Musk». Donald Trump stellt klar, wer das Sagen hat - bestreitet aber auch...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Quiet Quitting: Der stille Job-Rückzug mit gefährlichen Folgen
22.12.2024

Ein stiller Rückzug, der Unternehmen erschüttert: Quiet Quitting bedroht die Substanz deutscher Betriebe. Warum immer mehr Beschäftigte...