Finanzen

Stresstest für spanische Banken: Risiken werden auf EZB verlagert

Der von der Unternehmensberatung Oliver Wyman durchgeführte „Stresstest“ für die spanischen Banken geht von unrealistischen Annahmen aus. Das ist aber nicht weiter schlimm: Denn die Mechanik, nach der die Banken-Sanierung erfolgen soll, zeigt: Alle giftigen Papiere werden von der EZB übernommen. Die Summe dürfte bei mindesten 270 Milliarden Euro liegen. Und selbst dieser Betrag wird nicht reichen, wenn die Kapitalflucht aus Spanien weiter anhält.
29.09.2012 00:06
Lesezeit: 2 min

Der Stresstest für die spanischen Banken, den die Unternehmensberatung Oliver Wyman (OW) im Auftrag der Regierung und unter der Aufsicht des IWF, der EU und der EZB durchgeführt hat, ist ein Kunstgebilde. Viele Annahmen sind unrealistisch: Das beginnt bei der Erwartung, dass die Abschreibungen auf faule Immobilienkredite bei 63 Prozent betragen werden. In Irland, wo die Immobilienblase weniger schlimm war als in Spanien, liegen die Verluste bei 80 Prozent. Die Arbeitslosigkeit soll nach der Berechnung von OW Ende 2012 bei 25 Prozent liegen. Im Juli lag sie bereits bei 25,1 Prozent. Das BIP soll im Jahr 2013 nur um 2,1 Prozent schrumpfen. Im Jahr 2012 waren es bereits 4,2 Prozent. Zum Vergleich: Die US-Notenbank Fed hat für die USA ein Schrumpfen des BIP von 10 Prozent in den vergangenen zwei Jahren ermittelt.

Entsprechend unrealistisch sind die Erwartungen von zusätzlichen Gewinnen bei den Banken: Schon in der ersten Version des OW-Berichts im Juni (hier) hatte man über die hohen Gewinne gestaunt, die die Berater der spanischen Banken zugetraut haben. Immerhin: Im Vergleich zum Juni gibt es OW schon etwas billiger, die Sonderprofite sind um 8 Milliarden niedriger als noch vor wenigen Monaten prophezeit.

Nicht berücksichtigt sind in den OW-Planungen die spanischen Staatsanleihen, die die Banken in den vergangenen Jahren kaufen mussten. Nach Angaben des spanischen Finanzministeriums halten die spanischen Banken 32 Prozent der spanischen Staatsschulden (hier). Ebenfalls überhaupt nicht berücksichtigt sind die Werte der Derivate, also jener hochspekulativen Papiere, deren Risiko kein Mensch überhaupt abschätzen kann. Die Derivate allein in einem Stresstest zu bewerten, wäre eine lohnenswerte Aufgabe – allein, es hat den Anschein, als möchte niemand der Retter die Sprengkraft dieser Zeitbomben kennen.

Ganz wesentlich sind jedoch zwei Entwicklungen: Allein im August hat die EZB die spanischen Banken mit 412 Milliarden Euro geflutet (siehe Grafik). Und die Kapitalflucht hält ungebremst an. Sollte diese nicht durch ein Wunder gestoppt werden, wird es für die EZB schwer, wenn nicht sogar unmöglich, hier auch noch Geld einzuschießen.

Warum die Euro-Retter den „Stresstest“ dennoch für einen Erfolg halten, wird klar, wenn man den Mechanismus begreift, nach dem die Rettung funktionieren soll. Auch im schlimmsten Fall werden die spanischen Banken ihre Lage dadurch stabilisieren, dass sie ihre Schrottpapiere Schuldverschreibungen an die Europäische Zentralbank weiterreichen. Das Preisschild sagt, selbst nach den rosigen Berechnungen von OW, dass wir hier von mindestens 270 Milliarden Euro an möglichen Verlusten sprechen. Rechnet man die „Fehler“ der Annahmen hinzu, ist zu erwarten, dass ein noch wesentlich höherer Betrag bei der EZB landen wird – nicht zuletzt dank der Politik von Mario Draghi, jedes mit Zahlen bedruckte Papier als Sicherheit zu akzeptieren.

Damit ist klar: Der Stresstest für die spanischen Banken nimmt vorweg, dass Deutschland und die anderen europäischen Staaten das Risiko für die Institute übernehmen werden. Weil die spanische Regierung nach Bekanntgabe der Stresstest-Ergebnisse verkündet hat, dass man wegen der Beteiligung von privaten Investoren (woher die auch immer kommen mögen) nur etwa 40 Milliarden für die Banken-Rettung benötigt. Damit dürfen sich die Regierung von Mariano Rajoy und die Banken über einen Windfall-Profit von 20 Milliarden Euro freuen: Weil der Deutsche Bundestag bereits einer Rettungssumme von 100 Milliarden Euro zugestimmt hat, stehen Spanien nun 60 Milliarden Euro zu, die für staatliche Verbindlichkeiten zur Verfügung stehen könnten. Dies wäre der Fall, wenn es Spanien gelingt, die Rettungsgelder von den Banken für die Staatsschulden umzuleiten (ein Plan, dem Wolfgang Schäuble nicht abgeneigt ist - hier).

Bei näherem Hinsehen ist der Stresstest also ein guter Tag für Spanien, ein etwas weniger guter Tag jedoch für die europäischen Steuerzahler, die sich damit trösten können, dass sich ihre Parlamente wegen der Unabhängigkeit der EZB nicht weiter mit lästigen Zustimmungs-Prozeduren herumschlagen müssen.

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