Nach der Finanzkrise 2008 wurden in den USA neue Verordnungen auf den Weg gebracht, wie das Dodd-Frank-Gesetz zur Finanzmarktreform. Seit Juli 2010 ist der US-amerikanische „Dodd-Frank Act“ (Wall Street Reform and Consumer Protection Act) rechtsverbindlich. Der Dodd-Frank Act diente in erster Linie der Reform des US-Finanzmarktrechts.
Dieses Gesetz wurde zur Erhöhung von Stabilität und Transparenz im US-amerikanischen Finanzsektor eingeführt.
Am 11. Dezember 2014 nun wurden die Machenschaften und der Lobbyeinfluss der Wall Street auf die US-Gesetzgebung offenbar. Im Anhang zum Haushaltsgesetz, das einen wiederholten „Shut-Down“ der Staatsausgaben abwenden sollte, war ein Anhang versteckt, mit dem Ergebnis, dass eine Nebenbestimmung des Dodd-Frank-Gesetzes, das auch die Regulierung der Banken betraf, im Abgeordnetenhaus zurückgenommen wurde.
Dies sei, so kommentierte der American Banker ein großer legislativer Sieg für die Citigroup und ihrer Kollegen bei den Wall-Street-Giganten.
Das Magazin Time bringt es noch drastischer zur Sprache: „Damit wird das Derivate-Kasino mit der stillschweigenden Unterstützung der Steuerzahler wieder in Gang gesetzt: Wenn es in den Märkten, wie in den vergangenen Finanzkrisen, wieder drunter und drüber geht, werden die Steuerzahler erneut vor der Entscheidung stehen, zwischen einer Rettungsaktionen für die Casino-Besitzer und einem systemischen Finanzkollaps zu wählen.“
Denn es geht bei der versteckte Zurücknahme von Teilen des Dodd-Frank-Gesetzes hauptsächlich um risikobehaftete Derivate in den Bilanzen der Tochtergesellschaften der Banken. Diese unterliegen nämlich nicht der staatlichen Garantie der FDIC (US-amerikanischen Einlagensicherungsfonds Federal Deposit Insurance Corporation). Im Ergebnis heißt dies, dass risikoreiche Derivate ab sofort nicht mehr in den Bilanzen der Tochterunternehmen erscheinen müssen.
Im Klartext bedeutet es, dass bei hochspekulativen Derivategeschäfte wiederum die Sparer, Pensionäre und Steuerzahler belasten werden, wie die Time erläutert. Und zwar deshalb, weil dann zwar die Verluste, nicht aber die Gewinne aus dem Derivatehandel an die Bürger weitergegeben werden.
Derivate sind im Grunde Verträge, mit denen die Banken ihre Risiken absichern oder Spekulationen auf Zinssätze und Währungen. Credit default swaps (CDS) hatten zur Finanzkrise 2008 beigetragen. Derivate dienen auch zur Absicherung beim Handel mit Rohstoffen wie Erdöl, deren Ver- oder Ankäufe noch gar nicht abgeschlossen sind.
Der fallende Ölpreis bringt die Gesetzmäßigkeiten in der Weltwirtschaft durcheinander. Und hat auch Auswirkungen auf den Öl-Derivate-Markt.
Denn in der Folge ist die Verwässerung des Dodd-Frank-Gesetzes, die auch Präsident Obama unterstützte, eine Schenkung an die Wall Street, denn nun müssen die Banken die vermutlich drastischen Einbußen aus dem Öl-Derivate-Handel nicht mehr allein schultern.
Analysten von Morgan Stanley hatten ihre Prognose für den durchschnittlichen Brent-Preis für 2015 und 2016 drastisch auf nur noch 70 und 88 Dollar von zuvor 98 und 102 Dollar gesenkt. Aktuell liegt der Ölpreis (Brent) je Barrel jedoch bei nur bei 62,28 US-Dollar. Das ist bereits in 2014 ein geschätzter Kursrutsch vom prognostizierten Level um 50 Prozent.
Und hier liegt das Problem. Denn Derivate auf Erdöl dienen dazu, die Profite der Öl-Produzenten vor Schwankungen auf dem Öl-Markt abzusichern.
Schätzungen zufolge kontrollieren die sechs größten Banken der USA, zu denen die JPMorgan Chase, Bank of America, Citigroup und Wells Fargo gehören, den 3,9 Billionen US-Dollar schweren gesamten Markt der Rohstoff- Futures-Kontrakten. Zum überwiegenden Teil soll es sich dabei um Erdöl-Derivate handeln.
Gesetzt den Fall, dass die Ölproduzenten mit einem Kurs von etwa 100 US-Dollar pro Barrel mittels Future-Kontrakten abgesichert sind, gleichwohl der Preis inzwischen auf rund 62 Dollar pro Barrel gefallen ist und in 2015 womöglich auf 50 Dollar und darunter fällt, und diese am „Tag X“ einfordern, so werden die Einbußen für jene, die die einstmals hohen Ölpreise mit Derivaten abgesichert haben, die unvorstellbar hohe Zeche zahlen müssen. Dies sind die Banken, die nun die Rechnung an die Steuerzahler weiterleiten dürften.
Und sollte die Verwässerung des Frank-Dodd-Gesetzes demnächst auch noch im US-Senat durchgewinkt werden, ist der Wall-Street-Coup perfekt.
„Amerikanische Banken haben für beinahe 280 Billionen US-Dollar Derivate in ihren Büchern“, schrieb die New York Times, „und sie machen ihren größten Gewinne beim Handel mit ihnen“.
Etwa 82 Prozent des Derivatemarkts in den USA betreffen die Zins-Derivate. Wie hoch der Anteil an Öl-Derivaten am gesamten Rohstoffmarkt genau ist, lässt sich schwerlich ermitteln. Ein Bruchteil des Anteils der Öl-Derivate an den 280 Billionen US-Dollar Derivaten genügt, um eine Finanzkrise 2.0 auszulösen. Denn nicht nur US-amerikanische Banken handeln mit Rohstoff-Derivaten. Von den Verlusten werden auch Banken in Deutschland und Europa betroffen sein.