Finanzen

Schweizer Notenbank gibt Euro-Mindestkurs auf

Die Schweizer Notenbank kippt den mehr als drei Jahre gültigen Mindestkurs des Franken zum Euro. Der Kurs des Franken stieg nach der Entscheidung deutlich. Zudem wurden die Negativzinsen weiter gesenkt, um eine Flucht in den Franken zu verhindern.
15.01.2015 11:26
Lesezeit: 2 min

 

Die Schweizer Notenbank gibt den vor mehr als drei Jahren eingeführten Euro-Mindestkurs von 1,20 Franken auf. Der Schritt kommt für Experten überraschend. „Der Mindestkurs wurde in einer Zeit der massiven Überbewertung des Frankens und größter Verunsicherung an den Finanzmärkten eingeführt", erklärte die Schweizerische Nationalbank (SNB) am Donnerstag. „Der Franken bleibt zwar hoch bewertet, aber die Überbewertung hat sich seit Einführung des Mindestkurses insgesamt reduziert." Die europäische Gemeinschaftswährung sackte nach der Ankündigung unter die Parität auf Kurse um 0,9586 Franken ab. Zudem stürzte der Schweizer Leitindex SMI um bis zu acht Prozent ab.

Zugleich senkte die Zentralbank den Zins für Guthaben auf den Girokonten, die einen bestimmten Freibetrag übersteigen, um 0,5 Prozentpunkte auf minus 0,75 Prozent. So soll die Flucht in den Franken verhindert werden. Das Zielband für ihren Referenzzins Dreimonats-Libor verschiebt sie weiter in den negativen Bereich auf minus 1,25 bis minus 0,25 Prozent.

Reuters holte nach der Entscheidung Reaktionen von Experten ein:

Thomas Gitzel, VP Bank: „Die SNB beugt sich dem Marktdruck, setzt aber ein Teil ihrer Glaubwürdigkeit aufs Spiel. Die Interventionen der vergangenen Wochen waren wohl für die eidgenössischen Währungshüter zu viel. Bei der Einführung des Mindestwechselkurses war an punktuelle Interventionen gedacht, nicht aber an permanente. Letztlich dürfte aber auch die Gold-Initiative eine gewisse Rolle bei der Entscheidung gespielt haben. (...) Da der Franken auf den aktuellen Kursniveaus deutlich gegenüber dem Euro überbewertet ist, sollten sich nach einer Übertreibungsphase wieder höhere Kursniveaus beim Währungspaar Euro-Franken einstellen.“

Jefferies-Stratege Jonathan Webb: „Die Entscheidung der SNB hat den Markt völlig überrascht. Die SNB geht vermutlich davon aus, dass die EZB in der kommenden Woche auf ihrer Ratssitzung ihre Geldpolitik weiter lockern wird. Angesichts der anstehenden Wahlen in Griechenland wäre es für die Schweizer ziemlich schwierig, den Mindestkurs aufrecht zu halten.“

Chris Beauchamp, Markt Analyst bei IG: „Meine erste Reaktion war, dass das ein Signal für eine bevorstehende Aktion der EZB ist. Allerdings war die Reaktion an den Aktienmärkten dafür zu negativ. Aber es passiert ja nicht jeden Tag, dass eine Notenbank einfach einer Währung den Boden unter den Füßen wegzieht. Und die Leute haben eindeutig Angst, dass etwas Größeres bevorsteht. Für den Schweizer Markt und die Wirtschaft ist das sehr schlecht, wenn der Franken so rasant steigt und der Euro abstürzt. Die Stimmung ist seit Jahresbeginn ziemlich unruhig, und so eine Nachricht sorgt für Volatilität aus.“

Helaba-Analyst Ulrich Wortberg: „Die Aufhebung des Mindestkurses kommt sehr überraschend und die SNB dürfte an Glaubwürdigkeit verlieren, da sie in den vergangenen Monaten stets die vehemente Verteidigung der Untergrenze betonte. Einen neuen Mindestkurs dürfte es wohl nicht mehr geben, da Marktteilnehmer kein Vertrauen mehr haben, dass dieser langfristig gehalten wird. Der Euro-Franken wird nun den Marktkräften überlassen und es dürften sich Kurse im Bereich der Parität einstellen.“

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