Politik

Erste Schweizer Bank verlangt Negativ-Zinsen von Privat-Kunden

Erstmals seit mehr als 40 Jahren erhebt eine Schweizer Bank von ihren Privatkunden Negativzinsen. Ab Donnerstag verlangt Lombard Odier auf Bargeld-Bestände von mehr als 100.000 Franken eine Gebühr von 0,75 Prozent. Somit wird die Erhöhung des Negativzins der Schweizerischen Nationalbank an die Kunden weitergegeben.
22.01.2015 00:33
Lesezeit: 2 min

Erstmals seit mehr als 40 Jahren erhebt eine Schweizer Bank von ihren Privatkunden Negativzinsen. Beim Genfer Vermögensverwalter Lombard Odier müssen Anleger auf ihre Kontoguthaben ab Donnerstag Zinsen zahlen. Die Bank reicht die Strafgebühr weiter, die die Schweizerische Nationalbank (SNB) ab diesem Zeitpunkt erhebt. Mit der Maßnahme stemmt sich die Notenbank gegen die milliardenschweren Zuflüsse in die Schweiz, die den Franken in die Höhe treiben und die Konjunktur abzuwürgen drohen. Auch andere Vermögensverwalter dürften dem Beispiel der Genfer folgen.

In Deutschland hat es bei der Skat-Bank bereits einen ersten Testlauf gegeben, andere Banken könnten schon bald folgen - auch wenn das vor kurzem noch dementiert wurde. Die Bundesbank hatte betont, dass es kein Recht des Kunden auf Zinsen gäbe.

Lombard Odier erhebt ab Donnerstag auf Bargeld-Bestände von mehr als 100.000 Franken (rund 100.000 Euro) eine Gebühr von 0,75 Prozent. Lediglich bei Portfolios, deren Verwaltung die Kunden vollständig der Bank übertragen haben, kommt der Mindestzins nicht zum Zug. Dass Kunden in Scharen deshalb abwandern, erwartet die Bank nicht. Die Genfer gehen davon aus, dass viele Reiche für die hohe Sicherheit zu zahlen bereit sind, die Anlagen bei der SNB bieten. Lombard Odier parkt die Franken-Bestände bei der SNB.

Andere Institute, die breiter aufgestellt sind, leihen die Einlagen der Kunden als Kredite oder Hypotheken wieder aus. Solche Häuser fallen dann unter einen von der SNB definierten Freibetrag und müssen keine Negativ-Zinsen bezahlen. Dies gilt etwa für die vor allem im Kleinkundengeschäft tätige Migrosbank. Reine Vermögensverwalter können dagegen in eine Zwickmühle geraten. Reichen sie die Strafzinsen an die Kunden weiter, könnten zumindest einzelne von ihnen die Franken-Konten zu einer anderen Bank verlegen oder ganz abspringen. Übernimmt die Bank die Gebühr, verdient sie ebenfalls weniger.

Andere Institute wie etwa die Genfer Pictet oder die Zürcher Rahn & Bodmer haben sich noch nicht entschieden, ob sie die Gebühr überwälzen wollen. Branchenprimus UBS plant gegenwärtig nicht, Negativzinsen auf Einlagen von privaten Kunden einzuführen. Für Profi-Anleger und Firmen mit großen Bargeldeinlagen behalte sich die Bank dagegen vor, Geld zu verlangen. Schon einen Schritt weiter ist Konkurrentin Credit Suisse. Die Bank ist dabei, bei institutionellen Kunden und großen Firmenkunden eine Kommission einzuführen.

In Deutschland verlangen mehrere Banken von Kunden bereits Gebühren, wenn sie kurzfristig große Summen bei ihnen anlegen. Den Anfang machte die Skatbank, die auf Tagesgeld von mehr als 500.000 Euro einen Strafzins von 0,25 Prozent erhebt. Den gleichen Satz verlangt die Luxemburger Tochter DZ Privatbank, bei der vor allem Fondsgesellschaften Kunden sind. Die Commerzbank hat Strafzinsen für Großunternehmen und Profi-Anleger ebenfalls nicht ausgeschlossen.

Es ist kein Zufall, dass die SNB die Negativ-Zinsen am Donnerstag einführt. Am gleichen Tag entscheidet die EZB auf ihrer Zinssitzung über den erwarteten massenhaften Kauf von Staatsanleihen. Kommt es soweit, dürften erneut Gelder aus dem Euro-Raum in den Franken strömen. Mit dem Negativzins will die SNB vor allem Großanleger wie etwa Hedgefonds abschrecken. Viele Experten gehen davon aus, dass die Notenbank den Franken-Mindestkurs aufgegeben hatte, weil die Politik der EZB die Schweizer sonst zu riesigen Euro-Käufen gezwungen hätte. Letztmals mussten Kunden von Schweizer Banken in den frühen 70er Jahren Negativzinsen entrichten. Auch damals versuchte das Land, ausländische Zuflüsse zu stoppen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Frankreich: Regierung von Premier François Bayrou scheitert bei Vertrauensfrage
08.09.2025

Frankreichs Regierung unter Premier François Bayrou ist an der Vertrauensfrage gescheitert. Ein krachendes Votum zwingt Präsident...

DWN
Politik
Politik Höhere Beitragsbemessungsgrenzen: Sozialbeiträge werden für Beschäftigte 2026 spürbar steigen
08.09.2025

Die schwarzrote Koalition will die Beitragsbemessungsgrenzen für Rente, Pflege und Krankenversicherung anheben – mit der Begründung,...

DWN
Politik
Politik Government Pension Fund Global: Norwegens Ölfonds trotzt den USA
08.09.2025

Der Government Pension Fund Global (GPFG) sorgt für Streit: Nach dem Ausschluss von Caterpillar und israelischen Firmen drohen die USA mit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Autozulieferer unter Druck: Stellenabbau bei Bosch, Conti, ZF – Autobranche kämpft ums Überleben
08.09.2025

Die deutsche Autobranche steckt in einer existenziellen Krise. Auftragseinbrüche, Milliardeninvestitionen in E-Mobilität und massiver...

DWN
Finanzen
Finanzen Wölfe der Wall Street: US-Börsen zwischen Rekorden und Unsicherheiten – steigt der Goldpreis auf 5.000 Dollar?
08.09.2025

Die US-Börsen schwanken zwischen Euphorie und Risiko: Rekorde bei S&P 500 und Nasdaq treffen auf Sorgen um Fed-Unabhängigkeit und...

DWN
Politik
Politik EU-Asylagentur: Deutschland bei Asylanträgen nicht mehr führend
08.09.2025

Seit mehr als zehn Jahren lag Deutschland bei Asylanträgen in Europa unangefochten an der Spitze. Nun übernehmen Frankreich und Spanien...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Warum Führungskräfte manchmal unlogische Entscheidungen treffen – und was zu tun ist
08.09.2025

Führungskräfte treffen oft irrationale Entscheidungen – aus Zeitdruck, Denkfehlern oder Selbstüberschätzung. Doch wer mutig ist und...

DWN
Politik
Politik Zwei Jahre nach dem Start: Wird die Regierung das Heizungsgesetz abschaffen?
08.09.2025

Zwei Jahre nach Inkrafttreten des Heizungsgesetzes plant die schwarz-rote Koalition Änderungen. Zwischen Klimazielen, Förderkürzungen...