Finanzen

Zu kritisch für die Banken: US-Ratingagentur Egan Jones droht Lizenz-Entzug

Lesezeit: 1 min
19.04.2012 22:39
Die kleinste und zugleich einzige unabhängige US-Ratingagentur Egan Jones wird von der US-Börsenaufsicht SEC unter Druck gesetzt. Angeblich hat die Agentur Formfehler in ihren Unterlagen an die SEC gemacht. Beobachter vermuten eher, dass die US-Banken-Lobby die kritische Agentur plattmachen will.
Zu kritisch für die Banken: US-Ratingagentur Egan Jones droht Lizenz-Entzug

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Egan Jones ist die kleinste der amerikanischen Ratingagenturen. Ihr Geschäftsmodell unterscheidet sich von dem der großen Agenturen: Sie lässt sich nicht von jenen bezahlen, über die sie urteilt. Ihre Erlöse bekommt Egan Jones durch Investoren, die die Berichte der Agentur abonnieren. Egan Jones war in der Vergangenheit immer durch sehr schnelle und zutreffende Prognosen aufgefallen. Freilich war diese nicht immer schmeichelhaft für die Beurteilten. So hatte Agentur-Chef Sean Egan erst kürzlich im Interview mit den Deutschen Mittelstands Nachrichten gesagt, dass Europa und die USA längst ihre Kreditwürdigkeit verloren hätten (hier).

Doch während die Downgrades der USA oder von Enron und WorldCom - lange vor allen anderen - niemanden besonders gestört hatten, hat Egan Jones nun offenbar ein ungeschriebenes Gesetz verletzt: Im vergangenen Jahr hatte die Agentur die Jefferies Group herabgestuft, weil die Bank nach Einschätzung der Agentur zu viele europäische Schrottpapiere hielt. Die Börsenkurse von Jefferies tauchten darauf ab – und die SEC tauchte auf, als der Rächer der Enterbten, also vor allem der Banken.

Die SEC wirft Egan Jones nun vor, bei der Bewilligung für die Ratings unvollständige Angaben gemacht zu haben. Der Hauptvorwurf der SEC: Egan Jones sei zu klein. Das Wall Street Journal, in seiner schlechten Zeit auch gerne mal ein integraler Bestandteil der Banken-Lobby, veröffentlichte vor einigen Tagen einen ziemlich gehässigen Artikel über Egan Jones und machte sich hämisch über die angeblich mangelnde Qualifikation einzelner Mitarbeiter lustig. Außerdem kritisiert die Zeitung, was ihr offenkundig jemand von der SEC eingeflüstert hatte: Dass nämlich Egan Jones mit nur fünf Analysten arbeite und mit diesen über 1.000 Berichte in einem Jahr erstellt hatte. Dies könne, so der Subtext, nicht mit rechten Dingen zugehen. Denn die großen Agenturen beschäftigen über 1.000 Analysten – und haben mit diesen Heerscharen weder die US-Subprime-Krise, noch den WorldCom-Betrug und auch sonst kaum jemals ein wirklich gravierendes Ereignis so vorhergesehen, dass man vielleicht sogar noch hätte reagieren können.

Egan Jones vermutet nun ein Komplott, und kritische Geister wie der Finanzblog Zerohedge schließen sich an: Denn tatsächlich sind die Banken gerade in der Krise nicht zimperlich, wenn es darum geht, unliebsame und vor allem unkontrollierbare Stimmen mundtot zu machen. Sollte die SEC tatsächlich zu einem negativen Urteil über Egan Jones kommen, droht der Agentur ein Rating-Verbot für zwei Jahre. Es wäre schade, wenn eine der wenigen unabhängigen Stimmen im Rating-Zirkus mitten in der Krise zum Schweigen gezwungen würde.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  

OGLAS
DWN
Ratgeber
Ratgeber Auf die Zukunft setzen: Energie professionell managen

Die aktuelle Energiekrise bewegt deutsche Unternehmen. Angesichts steigender Energiepreise macht sich Verunsicherung breit. Gleichzeitig...

DWN
Politik
Politik Das perfekte Eigentor: Gewerkschaften machen Arbeitnehmer arm

„Was die Gewerkschaften derzeit betreiben, in Frankreich und in Deutschland, schadet den vermeintlich vertretenen Arbeitnehmern enorm“,...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft China und Brasilien verzichten im Handel auf den Dollar

China erzielt einen weiteren Erfolg gegen den US-Dollar. Der Handel mit Brasilien soll künftig nur noch in den Währungen der beiden...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Mohn-Anbau-Verbot in Afghanistan: Europa besorgt wegen Fentanyl

Das Anbauverbot von Mohn in Afghanistan führt in Europa zu einem Mangel an Heroin. Drogenabhängige könnten nun auf das viel...

DWN
Deutschland
Deutschland Verbot neuer Gas- und Ölheizungen deutlich entschärft

Nach massiven Widerständen hat die Ampel-Regierung das geplante Verbot neuer Gas- und Ölheizungen deutlich entschärft. Es gibt nun...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin war die beste Geldanlage im ersten Quartal

Bitcoin, ein Kind der letzten Finanzkrise, verzeichnete im ersten Quartal einen Kursanstieg um etwa 70 Prozent. Ein Grund ist offenbar die...

DWN
Finanzen
Finanzen Rekord-Goldkäufe: Kommt der Goldstandard zurück?

Die Zentralbanken kauften im Jahr 2022 so viel Gold wie noch nie. Geht es manchen Ländern auch darum, Gold für eine künftige Deckung der...

DWN
Finanzen
Finanzen IWF-Chefin: Bankenturbulenzen gefährden globale Finanzstabilität

IWF Direktorin Kristalina Georgieva macht drastische Äußerungen in Bezug auf die Weltwirtschaft. Auch die EZB warnt in einem Interview...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Energiewende nein danke: Globale Nachfrage nach Tankschiffen steigt massiv an

In Europa werden die Raffinerien geschlossen. Doch in Asien und Arabien steigert man die Produktion massiv. In der Folge braucht die Welt...