Unternehmen

Gutachter fordern radikales Ende der Massentierhaltung

Die Bundesregierung steht vor einer der Wende im Tierschutz: Die von ihr beauftragten Gutachter fordern das Ende der traditionellen Massentierhaltung. Die Mehrkosten werden zu höheren Lebensmittel-Preisen führen. Die Gutachter glauben jedoch, dass die Konsumenten mitziehen: Sie sollen den Wert des Fleisches von einigermaßen natürlich gehaltenen Tieren gegenüber der Antibiotika-Massenware erkennen können.
26.03.2015 10:35
Lesezeit: 1 min

Nach den anhaltenden Protesten gegen riesige Mastanlagen und den Einsatz von Antibiotika in der Lebensmittelindustrie schwenkt nun auch die Bundesregierung um: Ihre Fachleute raten, sich von der Massentierhaltung zu verabschieden.

Damit wären aber auch höhere Lebensmittelpreise für die Verbraucher verbunden, heißt es in einem am Mittwoch vorgestellten Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik beim Landwirtschaftsministerium. Schweine oder Geflügel unter müssten ausreichend Platz im Stall und Zugang zu Frischluft und Tageslicht haben. Solche Umstellungen kosteten bis zu fünf Milliarden Euro im Jahr zusätzlich. Die Landwirtschaft könne dies nicht allein tragen.

In der Nutztierhaltung in Deutschland gebe es „erhebliche Defizite vor allem im Bereich Tierschutz“, heißt es in der Analyse. In vielen gängigen Haltungssystemen bestehe ein hohes Risiko, dass Schmerzen und Schäden für Tiere entstünden. Die Marktchancen, die sich aus der positiven Einstellung vieler Bürger zum Tierschutz ergäben, würden aber nicht annähernd ausgeschöpft. „Fleischprodukte werden in den meisten Fällen vielmehr als Standardware über den Preis vermarktet.“

Die Wissenschaftler machen mehrere Vorschläge für mehr Tierschutz. So müssten auch viel weniger Arzneimittel eingesetzt und Beschäftigte besser ausgebildet werden. In den Ställen sollten sich Tiere auf verschiedenen Bodenbelägen bewegen können, Amputationen wie das Schwänzekürzen bei Ferkeln sollten entfallen. Dies seien tiefgreifende Änderungen, die einen langen Atem bräuchten, sagte der Vorsitzende des Beirats, Harald Grethe von der Universität Hohenheim. Aus den Mehrkosten für die Bauern könnte resultieren, dass sich die Endpreise für die Verbraucher um drei bis sechs Prozent erhöhen.

Damit die Fleischproduktion nicht in Länder mit geringerem Tierschutz verlagert werde, seien politische Begleitmaßnahmen nötig, erläutert der Beirat. Dazu zählten zusätzliche und eindeutigere gesetzliche Mindeststandards. Freiwillige Brancheninitiativen sollten mit mehr Geld ausgestattet und bestimmte Produkte aus den Regalen genommen werden. Die Wissenschaftler warnen, die Betriebsgröße ins Zentrum zu stellen. Wichtiger seien die konkreten Bedingungen für die Tiere.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) teilte mit: „Das Wohl der Tiere müssen wir uns auch was kosten lassen.“ Der Tierschutzbund forderte Bundesagrarminister Christian Schmidt zu Taten auf. Der Bauernverband warnte vor Produktionsverlagerungen ins Ausland: „Ein radikaler Umbau mit der Brechstange führt die Landwirtschaft ins Abseits und bringt den Tierschutz nicht weiter.“ Der Parlamentarische Agrar-Staatssekretär Peter Bleser sagte, Ziel sei, gemeinsam mit allen Beteiligten dafür zu sorgen, dass es Nutztieren besser gehe.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

DWN
Politik
Politik Militär statt Frieden? Was das EU-Weißbuch 2030 wirklich bedeutet
19.07.2025

Mit dem Weißbuch „Bereitschaft 2030“ gibt die EU ihrer Sicherheitspolitik eine neue Richtung. Doch Kritiker warnen: Statt...

DWN
Politik
Politik Nordkoreas Kronprinzessin: Kim Ju-Ae rückt ins Zentrum der Macht
18.07.2025

Kim Jong-Un präsentiert die Zukunft Nordkoreas – und sie trägt Handtasche. Seine Tochter Kim Ju-Ae tritt als neue Machtfigur auf. Was...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Birkenstock: Von der Orthopädie-Sandale zur globalen Luxusmarke
18.07.2025

Birkenstock hat sich vom Hersteller orthopädischer Sandalen zum weltweit gefragten Lifestyle-Unternehmen gewandelt. Basis dieses Wandels...

DWN
Politik
Politik 18. Sanktionspaket verabschiedet: EU verschärft Sanktionsdruck mit neuen Preisobergrenzen für russisches Öl
18.07.2025

Die EU verschärft ihren wirtschaftlichen Druck auf Russland: Mit einem neuen Sanktionspaket und einer Preisobergrenze für Öl trifft...

DWN
Politik
Politik China investiert Milliarden – Trump isoliert die USA
18.07.2025

China bricht alle Investitionsrekorde – und gewinnt Freunde in aller Welt. Trump setzt derweil auf Isolation durch Zölle. Wer dominiert...

DWN
Finanzen
Finanzen Energie wird unbezahlbar: Hohe Strom- und Gaskosten überfordern deutsche Haushalte
18.07.2025

Trotz sinkender Großhandelspreise für Energie bleiben die Kosten für Menschen in Deutschland hoch: Strom, Gas und Benzin reißen tiefe...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzen: Deutsche haben Angst um finanzielle Zukunft - Leben in Deutschland immer teurer
18.07.2025

Die Sorgen um die eigenen Finanzen sind einer Umfrage zufolge im europäischen Vergleich in Deutschland besonders hoch: Acht von zehn...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kursgewinne oder Verluste: Anleger hoffen auf drei entscheidende Auslöser für Börsenrally
18.07.2025

Zölle, Zinsen, Gewinne: Neue Daten zeigen, welche drei Faktoren jetzt über Kursgewinne oder Verluste entscheiden. Und warum viele...